Karriere machen

Frauen verlassen die Komfortzone

17.11.2010
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.
Erfolgreiche Frauen mit Familie in der IT-Branche sind noch selten. Doch das ändert sich, wie vier ausgewählte Beispiele zeigen.

Den Führungsjob immer vor Augen

Einen Fuß in die Türen der Führungsetagen großer IT-Unternehmen zu bekommen, fällt Frauen noch schwer.
Einen Fuß in die Türen der Führungsetagen großer IT-Unternehmen zu bekommen, fällt Frauen noch schwer.
Foto: F. Pfluegl - Fotolia.com

Alexandra Muschelknautz leitet die Niederlassung der schwedischen IT-Beratung Projectplace und verantwortet Marketing und Sales für den deutschsprachigen Raum. "In der Schule war ich wenig strebsam", räumt sie ein. Nach dem Abitur entschied sie sich für eine Banklehre, entdeckte ihr Talent für den Vertrieb und begann ein Abendstudium in Betriebswirtschaft. Die Balance zwischen Studium und Bankalltag funktionierte gut für sie. Als ihr eine Freundin von einem Startup erzählte, stellte sie sich dort vor, kündigte in der Bank, zog nach Karlsruhe und verkaufte für Netviewer Software. "Für mich war das ein riesiger Schritt; ich habe mir meine IT-Kenntnisse wie eine Fremdsprache angeeignet, viel gelesen, sämtliche Informationen aufgesogen und mir so die Grundlage für meine Karriere geschaffen." Die Unschlüssigkeit aus Schulzeiten war verflogen.

Alexandra Muschelknautz, Projectplace: "Während meines Vorstellungsgesprächs saß die kleine Tochter des CFO auf seinem Schoß, in der Teeküche standen Kinderstühle."
Alexandra Muschelknautz, Projectplace: "Während meines Vorstellungsgesprächs saß die kleine Tochter des CFO auf seinem Schoß, in der Teeküche standen Kinderstühle."
Foto: Alexandra Muschelknautz, Projectplace

Zunächst baute Muschelknautz den Vertrieb auf: "Das war Schwerstarbeit." Schließlich betreute sie das Reseller-Geschäft im deutschsprachigen Raum, war viel unterwegs, schloss das Abendstudium ab. Binnen fünf Jahren war aus dem drei Personen-Start-up ein Unternehmen mit 220 Mitarbeitern geworden, und Muschelknautz wechselte zu einer großen Firma ins Produkt-Marketing. Dieser Job forderte sie nicht genug. Entmutigen ließ sie sich nicht, denn bei Netviewer hatte sie gelernt: Man kann Fehler machen, solange man daraus lernt. Und sie erinnerte sich daran, dass ein gutes Netzwerk auch bei der Jobsuche hilft. Eine Empfehlung führte sie zum Vorstellungsgespräch nach Stockholm. Projectplace, ein in Schweden etabliertes Unternehmen, wollte in Deutschland Fuß fassen, und Muschelknautz wurde im November 2007 mit dieser Aufgabe betraut. In den nächsten eineinhalb Jahren holte sie zwölf neue Mitarbeiter an Bord. "Ich gehe mit Selbstvertrauen an neue Aufgaben heran, bin offen und nie verbissen", verrät die heute 32-Jährige. "Ich habe meine Karriere in kleinen Schritten geplant und immer ein Ziel vor Augen, nämlich einen Führungsjob."

Dass eine verantwortungsvolle Position und Familie in einem schwedischen Unternehmen gut zusammen passen, wusste Muschelknautz. "Während meines Vorstellungsgesprächs saß die kleine Tochter des CFO auf seinem Schoß, in der Teeküche standen Kinderstühle." In Schweden nehmen viele Väter eine drei- bis fünfmonatige Elternzeit. Im November 2009 kam Muschelknautz‘ Sohn zur Welt, für die sechsmonatige Auszeit hatte sie einen Interimsmanager gesucht. "Ein Jahr zu Hause zu bleiben, wäre schwierig gewesen", räumt sie ein. Doch nachdem sie im Juni zurückgekehrt war, konnte sie die traditionellen Ferienmonate Juli und August zuhause genießen. "Ferien mit der Familie sind in Schweden sehr wichtig." Mittlerweile sitzt sie an drei Tagen in der Woche an ihrem Schreibtisch im Frankfurter Büro, an einem weiteren Tag managt sie die Niederlassung von zu Hause aus. "Wir wollten unseren Sohn im ersten Jahr in der Familie betreuen. Wenn ich im Büro bin, kümmern sich meine Schwiegereltern um den Kleinen. Noch arbeite ich oft von zu Hause aus. Da muss ich mich disziplinieren. Die Unternehmensleitung in Stockholm sieht es nicht gern, wenn die Mitarbeiter überlastet sind und zu wenig Zeit für die Familie haben." Lieber streicht die Geschäftsleitung Projekte, bevor die Angestellten am Limit arbeiten. Auch das ist eine neue Erfahrung für die Managerin.