Stress

Zeit-Management: Lernen Sie Nein sagen

14.05.2008
Von 
Michael Schweizer ist freier Autor in München.
Wer mit seiner Arbeit zurechtkommen will, darf nicht alle Wünsche erfüllen.

Yves Vogl hat sein Kerngeschäft verändert. Vor zwei Jahren lebte der 26-jährige Dortmunder Freiberufler mit seiner Ein-Mann-GmbH Dock 42 vor allem vom Shared Hosting. Die Betreuung technisch wenig versierter Privatkunden erwies sich jedoch als zu zeitaufwändig und führte zu quälendem Termindruck. Heute sorgen Vogls Preise dafür, dass sich fast nur noch Geschäftskunden für Shared Hosting interessieren, die einen professionellen persönlichen Support brauchen. Im Wesentlichen ist Dock 42 auf Server-Management umgestiegen: Von seinem Home Office aus administriert Vogl die Anwendungen, die auf dem Server eines vom Kunden gewählten Providers laufen. Das Nein zum durchaus gefragten Shared Hosting hat sich gelohnt: Vogl nimmt mehr ein und hat trotzdem mehr Zeit zum Programmieren. Das tut er sehr gern, für sich alleine würde es aber nicht genug einbringen.

Alexander Trautmann, DKV Euro Service: Je weiter man nach oben kommt, desto fremdgesteuerter ist man. Als Sachbearbeiter konnte ich meine Arbeit zu 99 Prozent selbst einteilen.
Alexander Trautmann, DKV Euro Service: Je weiter man nach oben kommt, desto fremdgesteuerter ist man. Als Sachbearbeiter konnte ich meine Arbeit zu 99 Prozent selbst einteilen.

Der Zeit- und Arbeitsdruck, unter dem IT-Experten stehen, ist in den letzten Jahren kräftig gewachsen. Das zieht sich durch alle beruflichen Situationen und Karrierestufen. "Die Entwicklungszyklen werden immer kürzer. Damit wird der Projektdruck immer stärker", sagt Konrad Keller (Name geändert), Softwareentwickler und Trainer bei einem bekannten Elektronikhersteller. Alexander Trautmann, Geschäftsführer des DKV Euro Service, dessen DKV Card es Speditionen ermöglicht, ihre Fahrer ohne Bargeld auf die Reise zu schicken, erlebt es ähnlich: "Der Zeitdruck hat auch durch Kunden und Partner zugenommen. Man trifft auf immer mehr Leute mit immer weniger Zeit. Lange Gespräche sind nicht gewollt, schnelle Entscheidungen aber gefordert."

Belastender als die Menge der Arbeit ist ihre Zerstückelung. IT-Experten klagen über ständige Unterbrechungen durch ausufernde Nebenaufgaben, die es ihnen erschweren, sich auf das zu konzentrieren, für das sie zuständig sind. DKV-Chef Trautmann würde sich gerne weniger um Operatives kümmern und mehr um Strategie und Führung. Entwickler Keller lässt sich manchmal von höherer Stelle bestätigen, dass er einen Zusatzauftrag "auf Kosten einer anderen geplanten Aufgabe erledigen" wird. Die konfusen Terminbemühungen seiner Vorgesetzten kann er "nicht mehr ernst nehmen".

Helfen Bücher?

All das schafft Bedarf an Zeit-Management. Zu den Grundeinsichten vieler Ratgeberbücher zählt die Unterscheidung zwischen linkshirnigen und rechtshirnigen Menschen. Erstere sind gewissenhaft, sachorientiert und mögen klare Reihenfolgen. Sie werden als termintreu geschätzt und als Erbsenzähler belächelt. Rechtshirner dagegen sind kreativ, an Menschen orientiert und arbeiten gerne an mehreren Aufgaben gleichzeitig. Sie gelten als einfühlsam, aber auch als ineffizient. In Grenzen können beide Typen ihre Schwächen nach dem Vorbild des anderen reduzieren; qualitätsfördernder ist es aber, die Arbeit so aufzuteilen, dass jeder seine Stärken ausspielen kann.

Tipps, die etwa darauf abzielen, Aufgaben nach Wichtigkeit zu sortieren und dann mit jeweils angemessenem Zeitaufwand abzuarbeiten, nützen daher vor allem Linkshirnern: Sie sollen das noch besser machen, was sie schon recht gut können. Gerade deshalb gewinnen sie aber unter Umständen den Eindruck, diese Hilfe nicht zu brauchen. Der gewissenhafte Konrad Keller steckte nach einem Arbeitstechniken-Kurs "so viel Zeit in diese Planung, dass ich das Gefühl bekam, dass sie mir mehr Zeit nimmt als gibt". Yves Vogl probierte die Methode "Getting things done" aus und fand sie hilfreich, um "Berufliches abends aus dem Kopf zu kriegen". Es war aber "schwierig, sich daran zu halten, der Aufwand kollidiert mit den eigentlichen Terminen". So stieg Vogl planungstechnisch auf "gesunden Menschenverstand" um.

Lesetipps

  • Lothar J. Seiwert: Wenn du es eilig hast, gehe langsam. Mehr Zeit in einer beschleunigten Welt, Frankfurt am Main (Campus Verlag) 2005 (217 S., 17,90 Euro): Seiwert versteht Zeit-Management nicht als Arbeitstechnik, sondern als Lebenskunst. Arbeit soll nicht nur um ihrer selbst willen schonend organisiert werden, sondern auch, damit sie genug Platz für anderes lässt. Für Links- und Rechtshirner hat der Autor prinzipiell unterschiedliche Ratschläge parat.

  • Prof. Dr. Jörg Knoblauch, Holger Wöltje: Zeitmanagement, Haufe Verlag (Planegg bei München) 2006 (125 S., 6,90 Euro): Mit nützlichen Struktur- und Planungstricks sprechen die Autoren grundsätzlich ordentliche Leser an.

  • Cordula Nussbaum: Organisieren Sie noch, oder leben Sie schon? Zeitmanagement für kreative Chaoten. Frankfurt am Main (Campus Verlag) 2007 (243 S., 17,90 Euro): Ein Gegenbuch zu Knoblauch/Wöltje: Die Autorin ermutigt rechtshirnige Chaoten, selbstbewusst die Vorzüge der Unordnung zu nutzen.