Mobbing: Als letzter Ausweg bleibt die Kündigung

13.08.2002
Von Bettina Wirth
Mobbing kann jeden treffen. Auch die IT-Branche mit ihren jungen Unternehmen bildet einen guten Nährboden, da das Führungspersonal oft unerfahren und die Organisation noch nicht stabil ist. Eine Firma kann vieles tun, um Mobbing im Vorfeld zu verhindern, existiert jedoch bereits der Konflikt, können sich die Betroffenen nur selten erfolgreich wehren.

Seit dem 1. August 2002 haben Beschäftigte mehr Rechte, um gegen Mobbing vorzugehen. Sie können erstmals Schmerzensgeld vom Arbeitgeber verlangen, wenn dieser nicht alles unternimmt, um in seinem Betrieb Gesundheitsverletzungen durch Mobbing oder sexuelle Belästigungen zu verhindern. „Damit wird der Druck auf Arbeitgeber erhöht, Mobbing am Arbeitsplatz zu verhindern“, sagt Ulrike Mascher, Parlamentarische Staatssekretärin im Arbeitsministerium.

800.000 Beschäftigte sind betroffen

„Jeder kann zum Mobber oder Gemobbten werden. Das hängt nur von den Umständen ab, unter denen gearbeitet wird“, meint Ulrike Teske, bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zuständig für Arbeits- und Gesundheitsschutz. Systematische Angriffe durch Kollegen oder Führungskräfte gibt es in allen Branchen, Betriebsgrößen und Hierarchien - unabhängig vom Bildungsgrad der Betroffenen. In Deutschland leiden 800000 Menschen oder 2,7 Prozent der Arbeitnehmer unter regelmäßigen Quälereien im Job, stellte der kürzlich erschienene Mobbing-Report der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin fest. Dafür wurden erstmals 2500 Arbeitnehmer im Alter von 18 bis 65 Jahren befragt.

Ein typisches Mobbing-Opfer ist Rudolf G. Der heute 51-Jährige arbeitete von 1996 bis 1999 bei einem nordbayerischen Softwarehaus, das in Spitzenzeiten 33 Mitarbeiter beschäftigte. In dieser Firma entschied der Geschäftsführer und Gründer nicht allein, sondern bezog seinen Netzwerkadministrator und einen Programmierer, beide Mitarbeiter der ersten Stunde, in sämtliche Prozesse ein.

Sie biederten sich beim Chef an, lästerten über Kollegen und hielten wichtige Arbeitsmittel zurück. Um ihr Herrschaftswissen zu sichern, verhinderten sie, dass ihre Kollegen Schulungen oder Entwicklertagungen besuchen durften. Obwohl sich die Kollegen beim Geschäftsführer beschwerten, ließ dieser die beiden gewähren und kümmerte sich nicht um die Probleme im Team.

„Eigentlich fühlte ich mich von Anfang an in der Firma unwohl“, erinnert sich G. Eine Erfahrung, die viele Betroffene machen. Oft zeigt sich schon im Vorstellungsgespräch die Diskrepanz zwischen der eingeforderten Teamfähigkeit und dem konkreten Verhalten der Firmenvertreter. So sollte der Bewerber aufhorchen, wenn ein Abteilungsleiter die Kollegialität im Unternehmen preist, um im gleichen Atemzug die Assistentin anzuherrschen. „Das Problem ist, dass viele nicht ihrem Instinkt vertrauen, sondern zu gern an die Versprechungen glauben möchten“, stellt auch Beate von Eisenhart von der Organisationsberatung Profile, Hannover, fest.

Männer verleugnen Probleme

Softwareberater G. ließ sich im Konfliktgespräch von dem Versprechen seines Chefs blenden, er könne künftig einen klar abgegrenzten Kundenkreis alleinverantwortlich betreuen und müsse nicht mehr mit den beiden Vertrauten des Chefs zusammenarbeiten. Aber es kam völlig anders: Die beiden lasen G.s E-Mails und plauderten sein Gehalt aus. Schließlich bekam er den Auftrag, eine neue ERP-Software bei Kunden einzuführen, ohne je auf das Produkt geschult worden zu sein. Ihm blieb nur die Kündigung.

Die Vorgänge, die eine Zusammenarbeit in diesem Softwarehaus unmöglich machten, sind nach Einschätzung von Experten typisch. Ungewöhnlich ist allerdings das konsequente Verhalten des Softwareberaters. Insbesondere Männer wollen vorenthaltene Arbeitsmittel, verweigerte Weiterbildung oder systematische Überforderung nicht als Mobbing verstehen. Experten von Krankenkassen und Gewerkschaften stellen fest, dass das vermeintlich starke Geschlecht kaum in den Beratungsstellen auftaucht, auch wenn die Arbeitssituationen alle Mobbing-Merkmale aufweisen. Beraterin von Eisenhart berichtet: „Männer haben eine besondere Einstellung zum Beruf: Ich gehe ins feindliche Leben, da muss ich durch.“