Andreas Resch

"Software als Produkt ist extrem unreif"

16.07.2007
Mit Andreas Resch, dem CIO von Bayer, sprach CW-Redakteur Christoph Witte über seine Erwartungen an die Softwareindustrie. Resch spart nicht mit Kritik.

CW: Erfüllen die Softwareanbieter ihre Erwartungen, oder bleiben sie weit hinter dem zurück, was Sie von Ihren Lieferanten verlangen?

RESCH: Erlauben Sie mir eine Vorbemerkung. Ich spreche aus der Anwenderperspektive, und ich kritisiere keinen einzelnen Softwareanbieter, sondern kommentiere eher den Zustand einer Branche oder besser der Services, die diese Branche repräsentieren. Das vorausgeschickt, muss ich aber feststellen, dass Anwender als Software eine einzige Katastrophe einkaufen. Es gibt wahrscheinlich keinen anderen Bereich, in dem Firmen über einen längeren Zeitraum hinweg mit Lieferanten zusammenarbeiten, die eine solche Bündelung von Unwägbarkeiten, Qualitätsproblemen, ungewollten Performance-Konsequenzen und schwankenden finanziellen Rahmenbedingungen verursachen, wie die Softwareindustrie. Auf der anderen Seite hängen wir Anwender natürlich extrem an diesen Lieferanten. Um das zu illustrieren: Wahrscheinlich existiert kein anderer Bereich, in dem sich eine Firma nicht mit ein oder zwei Jahren Vorlauf von einem wichtigen Zulieferer trennen könnte. Bei Software ist das anders. Empirisch gesehen schaffen das Firmen seltener als alle zehn Jahre. Mit Softwarelieferanten sind sie stärker verbunden als mit jedem anderen Zulieferer.

Software ist als Produkt immer noch extrem unreif. Sie hat zwar auf der einen Seite ein sehr innovatives Image – mit Software ist alles möglich! Aber auf der anderen Seite weist sie bei weitem nicht die Leistungsexplosion auf, die wir bei der Hardware in den letzten Jahrzehnten erlebt haben. Software kommt zu uns in die Firmen immer noch mit unerwarteten Mängeln. Selbst bei renommierten Anbietern von Standardsoftware haben wir im Rahmen von technischen Updates gravierende Mängel erlebt, auf die wir nicht vorbereitet waren. Software erfüllt in keiner Weise die Erwartungen, die zugekaufte Produkte in anderen Bereichen, zum Beispiel im industriellen Umfeld, erfüllen. Das ist auch einer der Gründe, warum das IT-Management in den Anwenderunternehmen ständig in der Defensive ist. Die IT in den Unternehmen klemmt in einem Schraubstock zwischen den Hochglanzversprechungen der Softwarehersteller – alles ist möglich – und den ebenso illusorischen wie enttäuschten Erwartungen der Anwender.

CW: Wie gehen Sie vor, wenn es technische Mängel gibt? Kann man die Anbieter in Regress nehmen oder Strafen verhängen?

RESCH: Das muss man pragmatisch sehen. Aufgrund der engen Bindung zwischen Anbieter und Anwender findet auch die Konfliktlösung anders statt als in normalen Kunden-Lieferanten-Beziehungen, wo leicht der Wechsel der Bezugsquelle droht. Für Software haben wir relativ bewährte Eskalationstechniken. Beide Seiten wissen, dass sie auf längere Zeit zusammenarbeiten wollen. Wenn nachvollziehbar gemacht werden kann, dass es sich wirklich um vom Hersteller zu verantwortende Engpässe handelt, dann ist er fast immer bereit, das Problem auf seine Kosten zu lösen. Anders verhält es sich natürlich, wenn die festgestellten Mängel keine Fehler sind, sondern aus überzogenen Erwartungen der Anwender resultieren oder auf Fehler auf der Anwenderseite zurückzuführen sind.

CW: Sehen Sie die Unreife der Produkte als eine Funktion der Abhängigkeit?