Audi baut eine Enterprise Architecture

31.05.2007
Von Ann-Kristin Koch
Um das Zusammenspiel von IT und Geschäftsprozessen zu verbessern, arbeitet der Automobilhersteller Audi an einer konzernweit einheitlichen Lösung für das Enterprise Architecture Management.

Die Ingolstädter Audi AG bemüht sich intensiv um eine engere Verknüpfung zwischen IT und Business. "Wir entwickeln gerade einen Bebauungsplan für die vier Kernprozesse bei Audi", erläutert Chief Architect Mathias Stach. "Damit schaffen wir nicht nur Transparenz über unsere IT-Landschaft, sondern können auch gemeinsam mit den Fachbereichen intensiver über die zukünftigen Applikationslandschaften sprechen und über einzusetzende Technologien entscheiden."

Hier lesen Sie ...

  • Wie Audi das Thema Enterprise Architecture angeht;

  • Welche Vorteile eine einheitliche EAM-Lösung bringt;

  • Welche Rolle IT-Architekten dabei spielen.

Der Automobilkonzern will zu diesem Zweck eine Reihe zusätzlicher IT-Architekten ausbilden. Er reagiert damit auf die veränderten Anforderungen an die IT: "Ziel ist es, die Wertschöpfung der IT weiter zu erhöhen. Hierfür bedarf es auch veränderter IT-Skills", sagt Stach. Das Berufsbild des IT-Architekten berücksichtigt Audi künftig explizit im neu gestalteten Entgeltrahmenabkommen mit zugehörigen Karrierepfaden. Das Konzept der Enterprise Architecture ist ein wesentlicher Baustein der IT-Organisation, um die Audi-Strategie 2015 zu unterstützen. Der zum VW-Konzern gehörende Autobauer hat das Ziel, der erfolgreichste Premium-Automobilhersteller der Welt zu werden. Vier strategische Bausteine stehen dabei im Vordergrund: die Kundenzufriedenheit, attraktivster Arbeitgeber zu werden, die Erhöhung der Kapitalrendite und eine Steigerung der verkauften Fahrzeuge auf 1,5 Millionen bis zum Jahr 2015. "Enterprise Architecture Management ist das Werkzeug für die CIO-Organisation", erläutert Audi-CIO Klaus Straub.

Die Ingolstädter Audi AG entwickelt einen Bebauungsplan für ihre IT.
Die Ingolstädter Audi AG entwickelt einen Bebauungsplan für ihre IT.
Foto: Audi AG

Wegen der über viele Jahre gewachsenen heterogenen IT-Landschaft sieht sich das Unternehmen gezwungen, Systeme zu standardisieren und die Anzahl der Applikationen zu reduzieren. Straub: "Der hohe Eigenentwicklungsanteil und die permanenten Weiterentwicklungen vieler Applikationen erhöhen die Aufwendungen im IT Betrieb, denen dringend durch komplexitätsreduzierende Maßnahmen entgegen gewirkt werden muss." Audi baut deshalb eine einheitliche Architektur-Management-Lösung auf, die wiederverwendbare Bausteine, die Ist- und Soll-Bebauung, Applikationsverzeichnisse und sämtliche IT-Standards enthält. Das ehrgeizige Ziel: Auf Knopfdruck sollen rund 20 000 Benutzer über einen Web-Client eine durchgängige Sicht auf die Applikationslandschaft und deren Abhängigkeiten erhalten. Schon heute benötigen IT-Projekte eine Architekturfreigabe, in der Standards und Strategiekonformität bestätigt werden.

Prozessorientierter IT-Ansatz

Dieses Vorgehen war nicht von heute auf morgen umzusetzen. Bereits seit vielen Jahren folgt Audi einem prozessorientierten IT-Ansatz und setzt dabei unter anderem auf die ARIS Platform des BPM-Spezialisten IDS Scheer (BPM = Business Process Management). Die Mitarbeiter der Abteilung Prozessmanagement erheben und optimieren gemeinsam mit den Fachbereichen die Unternehmensprozesse entlang der Wertschöpfungsketten. "Seit zwei Jahren besteht hier eine intensive und erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem IT-Architekturmanagement", berichtet Martin Turinsky, Leiter Prozessmanagement bei Audi. Das Prozessmanagement hat hier die Aufgabe, die Integration der ARIS-Prozessmodellierung mit der ARIS IT-Architekturlösung sicherzustellen. Daraus entsteht ein übergreifendes Werkzeug für Enterprise Achitecture und IT-Governance. Das Tool bildet alle notwendigen Planungsprozesse ab, angefangen von der Dokumentation der Ist-Architektur und deren Analyse bis hin zur Zielbebauung.

Im ersten Schritt nehmen die IT-Architekten die Ist-Bebauung auf. Dabei gleichen IT- und Fachabteilungen Prozesse wie zum Beispiel die Kundenauftragserteilung mit den entsprechenden Applikationen ab. Jedes System erhält einen Steckbrief, der laufend gepflegt und aktualisiert wird. Steht etwa bei einer Applikation der Wechsel einer darunter liegenden Datenbank an, wird dies im Systemsteckbrief nachgezogen. "Die Ist-Aufnahme hört sich trivialer an als sie ist", erläutert Tobias Hacker, Mitarbeiter im Audi-Prozessmanagement. "Schwierigkeiten gab es an vielen Stellen, vor allem mit der Durchgängigkeit des Prozessgedankens."

Bebauungsplan für die IT

Im zweiten Schritt setzt das Team die strategische Zielbebauung im EAM-System auf (EAM = Enterprise Architecture Management). Im Mittelpunkt dabei stehen die Fragen: Welche Standardtechniken werden eingesetzt? Welche Lösungen unterstützen die Fachprozesse optimal? Daraus entsteht für jeden Kernprozess ein Master Construction Plan, also der Bebauungsplan für die Kernprozesse "Produktprozess" (PP), "Kundenauftragsprozess" (KAP), "Serviceprozess vor Kunde" (SPK) sowie "Steuerungs- und Unterstützungsprozesse" (SUP). Die Pläne greifen die Herausforderungen auf Business-Ebene auf und zeigen innerhalb von Quadranten-Matritzen, wie diese mit Applikationen optimal unterstützt werden. Das damit sichtbare Konsolidierungspotenzial ist hoch. Da es Überschneidungen der Anwendungen in den verschiedenen Prozessen gibt, wird die vom CIO angestrebte Reduzierung der Applikationen möglich.

Welche Techniken Gültigkeit haben, steht im ‚Book of Standards’: "Der Leitfaden ist aufgebaut wie ein Haus: mit Stockwerken und Zimmern", erklärt Daniel Dressler, der bei Audi für das Werk verantwortlich zeichnet. Thematisch geordnet dokumentiert der Leitfaden die Standardtechniken des Automobilbauers: Datenbanken, Server und Middleware bis hin zu den Office-Produkten für den Audi-Standardarbeitsplatz. "So wird die Umsetzung eines IT-Projektes durch klar kommunizierte Standards deutlich erleichtert", sagt Dressler. Auch für Ausschreibungen nutzt Audi das "Book of Standards".

Konzernweiter Rollout

Mit der unternehmensweiten EAM-Lösung sieht sich Audi in einer Vorreiterrolle, wenn es um die Ausrichtung der IT an die Geschäftsprozesse geht. Der Rollout des Systems steht jetzt für den gesamten Volkswagen-Konzern an. "Die IT ist transparent und trägt dadurch mehr zur Wertschöpfung bei", resümiert Stach. Darüber hinaus hat die Audi-IT mit dem durchgängigen Bebauungsplan auch das Fundament für die Service-orientierte Architektur (SOA) gelegt (siehe auch: SOA braucht eine Enterprise Architecture). Stach: "Die Verknüpfung der IT mit den Prozessen ist absolute Basisarbeit für SOA." Die ersten zehn Web-Services der Ingolstädter sind bereits beschrieben und abgelegt. (wh)

Projektsteckbrief

Ziele

  • Einführen einer konzernweit einheitlichen Lösung für das Enterprise Architecture Management;

  • Zusammenspiel von IT-Strategie, IT und Geschäftsprozessen transparent machen und optimieren. Die integrierten Informationen kommen im Rahmen der Planungen des Audi-A4-Nachfolgers erstmals zum Einsatz;

  • Ausrichten der IT-Landschaft an den Bedürfnissen des operativen Geschäfts.

Lösung

  • Die bestehenden Systeme wurden erfasst, harmonisiert, standardisiert und zahlenmäßig reduziert;

  • Bebauungspläne sorgen für Transparenz bei den Zusammenhängen zwischen Geschäftsprozessen, Organisationseinheiten und Anwendungssystemen;

  • Die Architekturbaukästen ermöglichen die Wiederverwendung von Referenzarchitekturen, Bausteinen und Methoden.

Nutzen

  • Produktivitätserhöhung durch Wiederverwendung der standardisierten Architekturbausteine;

  • Kosteneinsparung durch optimierte und verkürzte Betriebsabläufe, kürzere Projektlaufzeiten und geringeren Ressourcenbedarf von Externen.

Technik

ARIS IT Architect, ARIS IT Designer, ARIS Business Publisher

Dauer

  • 1,5 Jahre bei AUDI AG;

  • geplanter Rollout für gesamten Volkswagen-Konzern bis 2008.