Web 2.0: Soziale Prozesse bringen Geld

16.04.2007
Von Manfred Leisenberg
Wie können Unternehmen das Potenzial von Social Software und anderen Online-Techniken für sich nutzen? Ein Weg führt über Social Media Optimisation (SMO).

Die Debatte um das Potenzial von Web 2.0 und Social Software hat oftmals ausschließlich die funktionalen und technischen Eigenschaften bekannter Dienste und Anwendungen wie Second Life, YouTube oder Mr.Wong im Fokus. Für den Web 2.0- Einsatz im Unternehmen stellt sich aber zunächst die Frage nach dem zu erwartenden Nutzen.

Hier lesen Sie ...

  • wie Unternehmen im Web 2.0 erfolgreich sein können.

  • wie Social Media Optimization eingesetzt wird.

  • wie sich die Popularität von Unternehmen und Produkten messen lässt.

Der publizistisch geprägte Begriff "Web 2.0" beschreibt einen Komplex aus sozialen Nutzungsmustern und modernen Online-Technologien. "Customer Created Content" charakterisiert das Web 2.0 wohl am besten. Social Software gehört als Hauptbestandteil zu diesem Komplex. Sie unterstützt den Beziehungsaufbau und die Kommunikation in einem sozialen Kontext und orientiert sich an Prinzipien wie Selbstorganisation, Social Feedback, Verknüpfung von Inhalten sowie Transparenz von Personen, Beziehungen, Inhalten und Bewertungen. Im betrachteten Zusammenhang können Social Media und Social Software als bedeutungsgleich angesehen werden.

Wer Kommunikation beeinflussen will, muss Teil von ihr werden! So lautet ein wichtiger Grundsatz der Unternehmenskommunikation. Social Software weist erhebliche Potenziale für den unternehmerischen Einsatz auf. Vor allem Kommunikation und Marketing erwarten Unterstützung. In der sozial vernetzten Welt des Web 2.0. sind Strategien und Taktiken gefragt, die Social Software dazu nutzen, dass Produkte und Dienstleistungen effektiv an den Kunden gebracht oder Marken bekannter gemacht werden.

SMO-Regeln kompakt

Verbessern Sie "Linkability" (Link-Fähigkeit), zum Beispiel durch Einbeziehung von Weblogs und/oder interessante "verlinkbare" Inhalte.

  1. Vereinfachen Sie Tagging und Bookmarking, zum Beispiel durch Buttons zu Social-Bookmarking-Diensten, und/oder schlagen Sie Tags vor.

  2. Belohnen Sie Verlinkungen auf Ihr Portal, zum Beispiel mit einem Backlink.

  3. Bewegliche Inhalte mehrmals nutzen, zum Beispiel durch Videos auf verschiedenen Portalen, die Backlinks erzeugen.

  4. Fördern Sie Mashups, zum Beispiel durch einfache APIs und RSS-Feeds.

Doch wie wird ein Unternehmen Teil des sozialen Netzwerks seiner Zielgruppe? Wie beeinflusst man die "Sichtbarkeit" eines Unternehmens und seiner Produkte in Social-Bookmarking-Diensten wie Mr.Wong? Oder wie erreicht man möglichst positive Erwähnungen und Referenzen in Weblogs, Podcasts oder Videoblogs?

Social Media Optimization: Strategie und Taktik

Dem Ziel, möglichst viele Online-Kundenkontakte bei minimalen Kosten zu knüpfen, dienen folgende Maßnahmen:

1. Teil der Community am Zielmarkt werden

Zunächst einmal geht es darum, nachhaltig Präsenz in den Communities zu erlangen und dort mit unternehmens- oder produktspezifischen Themen Fuß zu fassen. Durch Entwicklung zielgruppenspezifisch interessanter Inhalte und deren Distribution in den vernetzten Strukturen, zum Beispiel über Weblogs oder Videoportale, wird dies umgesetzt. Ziel sollte die Präsenz auf allen Kanälen sein. Der gezielte Einsatz von Social Bookmarks sichert die Wahrnehmung und Weiterempfehlung wichtiger Inhalte.

2. Spezifische Communities effektiv in Kommunikation und Marketing integrieren

Potenzielle Kunden müssen einbezogen werden. Einem Produkt oder einer Dienstleistung positiv gesonnene Nutzer müssen adressiert und davon überzeugt werden, Content beizusteuern. Die Verbreitung der Botschaft wird dann von einem System übernommen, das die User selbst geschaffen haben und dem sie vertrauen. Produktbesprechungen in Foren oder Weblogs binden zusätzlich. Die Nutzer sollten zudem an wichtigen Entscheidungen wie dem Testen eines neuen Layouts beteiligt und dafür belohnt werden.

3. Entwicklungen in der Community beobachten und wenn nötig beeinflussen

Hier geht es um Ergebnissicherung. Was haben die Maßnahmen bisher gebracht? Wie soll es weitergehen? Welche Aktionen können noch weiterhelfen? Meinungsäußerungen zu Unternehmen beziehungsweise Produkten können beispielsweise mit der Applikation "Opinmind" ergründet werden. Später kann man über Weblogs angemessen darauf eingehen. In diesem Zusammenhang sind auch Verfahren der automatischen Trendanalyse einsetzbar.

Regeln für die Optimierung

Mit ihrer Nähe zum viralen Marketing geht Social Media Optimization (SMO) weit über klassische Suchmaschinenoptimierung (SEO) hinaus, wobei SEO durchaus Bestandteil von SMO sein kann. Nicht zuletzt Diskussionen in Bhargavas Blog "Influential Interactive Marketing" führten zur Formulierung spezifischer und praxisbezogener Regeln (siehe Kasten "SMO-Regeln kompakt"), die bei der Umsetzung der SMO-Einzelmaßnahmen unterstützen sollen.

Mehr zum Thema

Literatur:

Hippner, H.: Bedeutung, Anwendungen und Einsatzpotentiale von Social Software, in: HMD - Praxis der Wirtschaftsinformatik, Vol. 43, No. 252, 2006, S. 6 - 16

Links:

Bhargavas SMO Regeln

Internet Marketing

Automatische Trendanalyse

Social Media Kennzahl

Opinmind

Mr. Wong

Technorati

Bhargavas Regeln empfehlen, möglichst viele Nutzer unterschiedlicher Applikationen wie Weblogs, Wikis oder Podcasts so zu motivieren, dass sie möglichst vielfache Bezüge zum Ausgangsportal als Link, Social Bookmark, Trackback oder in anderer Form knüpfen. Für dieses "Linkbaiting" sollten exzellente aktuelle Inhalte verwertet werden, die sich erfolgreich gegen konkurrierende Informationsanbieter durchsetzen können. Rein technische Verfahren oder Tricks, wie sie aus der Suchmaschinenoptimierung bekannt sind, helfen hier offensichtlich nicht. Social Feedback ist wichtig. Dazu müssen dem durch sehr gute Inhalte positiv motivierten Nutzer einfach handhabbare Werkzeuge angeboten werden. Dies kann beispielsweise mit integrierten Bedienelementen für das Social Bookmarking geschehen, wobei am besten gleich die optimalen Tags als Parameter mitgegeben werden.

Eine Hand wäscht die andere

Die erwünschten Kontakte lassen sich verstärken, indem man sich mit einer Gegenleistung bei der Quelle von Links und Bezügen auf das eigene Portal erkenntlich zeigt. In der virtuellen Welt zählt ein Trackback im Weblog oder ein Bookmark bei Mr.Wong als willkommenes Äquivalent. Zusätzlich können bereits im Text-, Bild-, Video- oder Audioformat vorliegende ergänzende Inhalte den Nutzern über die verschiedenen Anwendungen einfach zugänglich gemacht werden. Damit "wandert" der Content durch das Netz und provoziert weitere Rückbezüge.

Mashups als kreative Kombination bereits bestehender Inhalte und Anwendungen sind typisch für das Web 2.0. und unterstützen die Optimierung. Die Verknüpfung eines Restaurant- mit einem Geo-Portal kann inhaltlich sinnvoll sein und die Zahl der Online-Kundenkontakte in beide Richtungen erhöhen.

Die effektive Umsetzung der SMO-Regeln erfordert genaue Zielgruppenkenntnisse und kann nur spezifisch für Produkte oder Unternehmen erfolgen. Darüber hinaus ist es eine wichtige Voraussetzung, dass das Thema Social Software durch das Management engagiert unterstützt wird. Zudem sollten bereits Erfahrungen mit Social Software vorliegen.

Kennzahl für soziale Reife

Die Analyse dieser und weiterer Voraussetzungen in einem Unternehmen kann zur Ermittlung der aussagekräftigen Social Media Kennzahl (SMK) herangezogen werden. In der Beratungspraxis wird die SMK empirisch ermittelt. Es hat sich gezeigt, dass sich aus der Beantwortung von zwölf Fragen, die unter anderem Web-2.0-Einsatzerfahrungen, IT-Management und Workflows im Kommunikationsprozess betreffen, eine charakteristische SMK bestimmen lässt. Die Grundgesamtheit der befragten Mitarbeiter sollte allerdings ein unternehmensspezifisches Minimum nicht unterschreiten.

Die SMK wird aus der Zahl der positiv beantworteten Fragen ermittelt. Aus ihrem Wert können praktische SMO-Schritte abgeleitet werden: Wenn er über 8 liegt, kann davon ausgegangen werden, dass das Unternehmen für weitere Optimierungsschritte wie die Einbeziehung von Podcasts oder Wikis in der Kommunikation reif ist. Im SMK-Intervall 5 bis 8 spricht man davon, dass das betreffende Unternehmen zum "Zuhören" bereit ist: Die Einführung von Social Software kann nun beispielsweise mit internen Brainstormings oder Mitarbeiterblogs begonnen werden. Eine SMK unter dem Wert von 5 zeigt an, dass die Voraussetzungen für den erfolgreichen Einsatz von Social Software noch nicht gegeben sind.

Erfolg beurteilen - aber wie?

Manfred Leisenberg erklärt in diesem Video, wie Unternehmen den Erfolg ihrer Web 2.0-Aktivitäten messen können.
Manfred Leisenberg erklärt in diesem Video, wie Unternehmen den Erfolg ihrer Web 2.0-Aktivitäten messen können.

Die in den Communities hervorgerufenen Reaktionen müssen beobachtet und der Erfolg der SMO-Maßnahmen beurteilt werden. Hierzu stehen drei kombinierbare Optionen zur Verfügung: Zunächst sind spezialisierte Business-Intelligence-Tools einsetzbar. Die klassische Alternative hierzu bildet als zweite Option die systematische Medienresonanzanalyse durch besondere Anbieter. Drittens sind spezialisierte Buzz-Monitoring-Anwendungen im Netz verfügbar. Google-News-Alert, Opinmind, Technorati oder andere Dienste stellen oftmals auf recht innovative Weise subskriptionsbasiert Online-Meinungs- oder Trendanalysen zur Verfügung. Wichtig ist, dass die Analyseergebnisse im nächsten Optimierungslauf berücksichtigt werden und dass angemessen auf Kritik reagiert wird. (ciw)

Fazit

Web 2.0 und Social Software stehen für eine nachhaltige Entwicklung, die für Unternehmen Chancen birgt, insbesondere in den Bereichen Kommunikation und Marketing. Die Möglichkeiten optimal zu nutzen erfordert eine strategisch und taktisch strukturierte Vorgehensweise:

  • Social Media Optimization hat zum Ziel, den Unternehmenseinsatz von Social Software so zu gestalten, dass bei minimalen Kosten möglichst viele Online-Kundenkontakte geknüpft werden können.

  • Für den Optimierungsprozess kann, angelehnt an das virale Marketing, eine dreistufige Vorgehensweise implementiert werden.

  • Unter Anwendung von Bhargavas Regeln lässt sich der Web-2.0-Unternehmens-auftritt verbessern.

  • Das Management muss die Optimierung unterstützen, die Kommunikationsstruktu-ren müssen dezentral sein. Der Erfüllungsgrad dieser Bedingungen wird durch die Social-Media-Kennzahl ausgedrückt.

  • Kritische Erfolgsbeurteilung ermöglicht iterativ weitere Optimierung. Dafür steht eine Palette von Werkzeugen zur Verfügung.