Was sich Münchener Rück und SAP zu sagen haben

16.04.2008
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Wissen die Softwareanbieter eigentlich, wie ihre Marketing-Strategien beim Anwender ankommen? Und kann ein CIO die Entscheidungen nachvollziehen, die der CEO seines Softwarelieferanten trifft? Die COMPUTERWOCHE hat die Probe aufs Exempel gemacht und zwei prominente Vertreter der beiden Lager miteinander ins Gespräch gebracht: Rainer Janßen, CIO der Münchener Rück, und SAP-Chef Henning Kagermann.

JANSSEN: Mich irritiert häufig, wie IT-Anbieter mit dem Markt kommunizieren. Als Nicholas Carr seinerzeit behauptete, IT spiele keine Rolle, haben alle Hersteller aufgeschrieen. Aber in ihrer Werbung verbreiten sie eine ganz ähnliche Botschaft: Demnach ist in der IT alles ganz einfach. Und wenn es dann doch ein bisschen komplizierter ist und Geld kostet, glauben Geschäftsführung und Endanwender doch, der CIO wäre bloß zu dumm dazu. Könnten wir da nicht vielleicht doch etwas mehr an einem Strang ziehen?

Trotz teilweise unterschiedlicher Ansichten verstanden sie sich gut: Münchener-Rück CIO Rainer Janßen (links) und SAP-Chef Henning Kagermann.
Trotz teilweise unterschiedlicher Ansichten verstanden sie sich gut: Münchener-Rück CIO Rainer Janßen (links) und SAP-Chef Henning Kagermann.
Foto: Joachim Wendler

KAGERMANN: Die IT ist immer noch eine junge und sehr wettbewerbsintensive Industrie. Sie wird stark aus dem Silicon Valley getrieben, und dort herrschen ganz eigene Gesetze. Jeder würde gern Google oder Microsoft nachahmen. Von daher geistert immer noch die Idee einer Killerapplikation durch die Köpfe. Da wird dann oft einiges überspitzt dargestellt. Und das ist nicht gut. Wir sind vergleichsweise zurückhaltend, aber wir können uns da nicht ganz von den anderen absetzen. Natürlich ist es immer schwierig, wenn der Anbieter mit jemand anderem als dem CIO zu tun hat. Aber ich werde oft direkt von den CEOs angesprochen und empfinde das als hilfreich. Die Vorstände stellen wichtige Fragen, die wenig mit Technologie zu tun haben: Wie schwierig ist das Projekt? Ist unsere Firma intern richtig aufgestellt dafür? Da halten wir dann auch nicht hinter dem Berg. Ich mache dem CEO klar, dass er voll hinter dem Projekt stehen muss, dass es nicht reicht, nur eine Rede zu halten, und dass ein mehrjähriges Change-Management notwendig sein wird (siehe auch: "Ohne Change-Management kein SCM-Erfolg"). Aber so etwas kann man nicht in der Werbung sagen.

Und zu Carr möchte ich Folgendes anmerken: Mich hat sein Buch ziemlich schockiert, vor allem sein Vergleich mit der Elektrizität. Ich halte dem entgegen: IT ist strategisch, und Strategie kommt nicht aus der Steckdose. Dass man Teile des Wertschöpfungsprozesses auslagern kann, ist dabei selbstverständlich.

Carr hat die Anbieter zu ernst genommen

JANSSEN (brummig): Ich finde es schlicht erschreckend, dass man mit solch einem Buch auf der Bestseller-Liste der Management-Literatur landen kann.

KAGERMANN: Nun ja, das Buch greift eine Grundidee auf, in der ein Körnchen Wahrheit steckt: Warum soll ich mich mit all dem belasten, wenn doch das meiste schon da ist - Internet, Services, Architektur? Ich brauche mir das doch bloß zu nehmen und es zusammenzustöpseln.

JANSSEN: Carrs Problem ist, dass er offenbar die Werbung der IT-Hersteller geglaubt hat. (Beide lachen herzhaft.)

KAGERMANN: So einfach geht das selbstverständlich nicht.