Studium

Mathe - der Schrecken vieler IT-Studenten

15.02.2008
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Noch immer bricht jeder zweite Student das Informatikstudium ab – ungeachtet der verbesserten Jobaussichten. Ist das Fach zu schwer oder haben die Studenten falsche Erwartungen?

Im Jahr der Mathematik fand Bitkom-Präsident August- Wilhelm Scheer deutliche Worte: Mathematik-Kurse würden an den Hochschulen immer wieder dafür genutzt, vermeintlich nicht geeignete Studierende früh aus den Studiengängen "herauszuprüfen". "Überzogene und fachlich nicht notwendige Anforderungen an Mathematik-Kompetenzen sind ein Missbrauch, der beseitigt werden muss", forderte Scheer, der als Professor für Wirtschaftsinformatik und Gründer des Software- und Beratungshauses IDS Scheer beide Seiten kennt.

Sebastian Hager (Name von der Redaktion geändert) gehört zu denjenigen, die in Informatik "herausgeprüft" wurden. Seinen erzwungenen Wechsel zum Studium der Wirtschaftsinformatik, das er im Sommer mit dem Bachelor abschließen wird, bereut er nicht. Erlebte er die Informatik doch als zu fixiert auf die mathematischen Grundlagen. Natürlich bräuchte man ein mathematisches Grundverständnis, aber " in manchen Bereichen wird über das Ziel hinausgeschossen und Verständnisse im Grundstudium erwartet, die Mathestudenten zu Beginn ihres Hauptstudiums erst erlangen."

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Formeln wie Hieroglyphen

August-Wilhelm Scheer, Bitkom: Überzogene und fachlich nicht notwendige Anforderungen an Mathematik-Kompetenzen sind ein Missbrauch, der beseitigt werden muss.
August-Wilhelm Scheer, Bitkom: Überzogene und fachlich nicht notwendige Anforderungen an Mathematik-Kompetenzen sind ein Missbrauch, der beseitigt werden muss.
Foto: Bitkom

Wie viel Mathe braucht ein angehender Informatiker? An der Frage scheiden sich die Geister. Einerseits Hochschullehrer weisen immer wieder darauf hin, dass ohne gute mathematische Kenntnisse und der Fähigkeit, abstrakt und logisch zu denken, das Informatikstudium nicht zu schaffen sei. Roland Dreyer liest an der Stuttgarter Akademie der Bildenden Künste in einem technischen Aufbaustudiengang physikalische Grundlagen und Elektrotechnik und sieht in den fehlenden Mathematikkenntnissen den Grund, warum viele Studenten scheitern: " Selbst einfachste Arithmetik-Aufgaben (Multiplikation, Division) machen erhebliche Schwierigkeiten. Formeln werden wie Hieroglyphen wahrgenommen. Schon die Umkehrung der Leistungsformel P=U^2/R ist eine unnehmbare Hürde, weil die Studenten mit "Wurzel ziehen" überhaupt nichts anfangen können."

Andererseits zweifeln viele Praktiker den Nutzen des mathematischen Wissens für Informatiker im Berufsalltag an. Zum großen Teil arbeiten Informatiker in Software- und Systemhäusern und in den IT-Abteilungen der Anwenderunternehmen. Letztere brauchen IT-Profis, die die Prozesse in den Fachabteilungen verstehen und sie mit entsprechenden Anwendungen verbessern. Algorithmen und Datenstrukturen tauchen da bestenfalls als Relationale Datenbanken und SQL oder XML auf – so die Erfahrung von Stephan Haux, der selbst Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Informatik studierte und heute als Product Manager beim Archivierungsspezialisten Iron Mountain Digital arbeitet. "Auch hier ist mehr die "Lesefähigkeit" und Virtuosität in der Fehlersuche gefragt, denn aktives Schreiben und Wohlgeformtheit, die im Studium gelernt wird", so Haux weiter. In seinen Augen vermittelt das Informatikstudium zwar theoretische Grundlagen, die aber in der Praxis wenig weiterhelfen: "Die dritte Normalform einer Relationalen Datenbank kann und wird niemand in einer wirklich genutzten Access-Datenbank mehr prüfen können, aber andere Kriterien haben Studenten hier nicht gelernt, um ein Datenmodell beurteilen zu können."