Qimonda-Insolvenz

Europas "Silicon Valley" bedroht

26.01.2009
Von 
Thomas Cloer war Redakteur der Computerwoche.
Schlaff und kraftlos hängen sie nebeneinander vor dem Werkstor in Dresden - die weiße Fahne von Infineon und die violette von Qimonda.

Seit am Freitag die Nachricht von der Pleite des Münchner Chipherstellers Qimonda das sächsische "Silicon Valley" erschütterte, könnte eine der beiden Flaggen bald vom Mast genommen werden. Bei Experten wächst sogar die Sorge, dass die Infineon-Tochter mit ihren 3200 Beschäftigten den wichtigsten Standort Europas für die Halbleiterproduktion in den Abgrund reißen könnte.

Das Dresdner Qimonda-Werk aus der Luft
Das Dresdner Qimonda-Werk aus der Luft
Foto: Qimonda

Zwar will Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) noch keine Panik aufkommen lassen: "Die Staatsregierung wird alles tun, um einen künftigen Investor zu unterstützen. Unser Hilfsangebot steht unverändert." Eine Insolvenz sei noch nicht das Ende des Unternehmens. Die Qimonda-Pleite belastet aber auch die Mutter Infineon. Der Konzern fürchtet laut "Spiegel" kartell- und wertpapierrechtliche Verfahren, die eventuelle Rückzahlung öffentlicher Fördermittel sowie Forderungen von Qimonda-Mitarbeitern zur Folge haben. Analysten schätzen die Schadenssumme auf bis zu 280 Millionen Euro.

AMD in den roten Zahlen

Ebenfalls Sorgen bereitet in der sächsischen Landeshauptstadt der amerikanische Halbleiterhersteller Advanced Micro Devices (AMD), der immer weiter in die roten Zahlen rutscht. Zwar hat der neue Partner, das Emirat Abu Dhabi, dem Dresdner Werk mit sechs Milliarden Euro zunächst etwas Luft verschafft. Doch auch AMD muss sich in dem hart umkämpften Markt behaupten. Die gesamte Branche ist in der Krise und droht als Folge der globalen Rezession immer weiter abzurutschen.

Halbleiterproduktion bei Quimonda in Dresden
Halbleiterproduktion bei Quimonda in Dresden
Foto: Qimonda

Die Ansiedlung der Mikroelektronik in Dresden war nach 1990 ein Leuchtturm in der Region. In anderen Schlüsselbranchen wie dem Fotoapparatebau, der Computer-Industrie oder dem Maschinenbau mit tausenden Beschäftigten waren die Betriebe nach der Wende nach und nach geschlossen worden. Der Halbleiterindustrie mit seinerzeit rund 3.500 Beschäftigten drohte ein ähnliches Schicksal. Der damalige Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) verhinderte dies und lockte mit massiven Subventionen Investoren an.

Chipfabrik machte den Anfang

Erster Coup war die Ansiedlung einer Siemens-Chipfabrik. Für rund 1,3 Milliarden Euro stellte der Münchner Konzern 1994 ein Halbleiterwerk auf das Gelände einer ehemaligen Sowjetkaserne und kassierte dafür vom Staat rund 400 Millionen Euro Zuschüsse. Bereits zwei Jahre später folgte der US-Hersteller AMD und baute im Norden der sächsischen Landeshauptstadt ein Prozessoren-Werk für fast 1,5 Milliarden Euro. Auch hier flossen rund 400 Millionen Euro aus öffentlichen Kassen.

Ein Lithographie-Arbeitsplatz bei Qimonda in Dresden
Ein Lithographie-Arbeitsplatz bei Qimonda in Dresden
Foto: Qimonda

Hohe Kosten, der immense Preisverfall und das riskante Auf und Ab der Nachfrage am Chipmarkt verhagelten den Siemens-Aktionären allerdings schon bald die Stimmung. 1999 wurde Infineon gegründet und die Halbleiter-Sparte ausgelagert. 2006 wiederholte sich das Spiel: Infineon gründete Qimonda und gab die ungeliebte DRAM-Speicherchip-Produktion weiter. Seither wird aber vergeblich nach einem Partner für die Tochter gesucht - derzeit hält Infineon noch immer 77,5 Prozent der Qimonda-Aktien.