Top 100 - PC-Markt 2012

Der Feind in meinem Markt

25.09.2012
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Neidisch schielen die PC-Hersteller auf ihre Kollegen aus dem Tablet-Business. Während die Anbieter der Flachmänner Verkaufsrekorde feiern, dümpelt das Geschäft mit klassischen Desktops und Notebooks vor sich hin.

Die Katerstimmung in der PC-Branche hält an. Zwar verzeichneten die Hersteller nach dem Einbruch im Krisenjahr 2009 im darauf folgenden Jahr wachsende Geschäfte. Doch schon 2011 verging HP, Acer, Dell und Co. wieder das Lachen. Die Absatzzahlen brachen ein und dümpeln seit etlichen Quartalen zwischen Nullwachstum und Minus.

Symptomatisch das zweite Quartal des laufenden Jahres: Beide großen Marktforschungshäuser Gartner und IDC ermittelten für die Monate April bis Juni 2012 im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang des weltweiten PC-Absatzes um 0,1 Prozent. Gartner kam auf 87,5 Millionen verkaufte PCs, die IDC-Analysten zählten aufgrund einer etwas anderen Methodik 86,7 Millionen Rechner. Einig waren sich die Analysten jedoch in ihrer Interpretation der Ursachen. Wirtschaftlich unsichere Zeiten hielten demnach viele Unternehmen und Verbraucher davon ab, sich neue PCs anzuschaffen. Zudem griffen immer mehr potenzielle Käufer lieber zu einem Tablet oder leistungsstarken Smartphone. Vor allem in den Märkten Nordamerikas und Europas, die bereits eine relative hohe PC-Dichte aufweisen, schafften sich die Anwender lieber ein iPad oder ein Android-Tablet an als einen neuen Rechner.

Der Trend spiegelt sich in den Tablet-Marktzahlen wider. IDC zufolge haben die Hersteller im zweiten Quartal des laufenden Jahres weltweit rund 25 Millionen Geräte verkauft. Das entspricht einem Plus von über 66 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Marktbeobachter gehen unisono davon aus, dass Tablets den Anbietern von PCs und Notebooks künftig zusetzen werden. "Das ist kein temporäres Phänomen", stellte Zeus Kerravala, Analyst von ZK Research, klar. "Das ist ein Generationswechsel." Klassische PCs eigneten sich gut dafür, Informationen zu generieren. Tablets und Smartphones seien eher dafür ausgelegt, Informationen zu konsumieren. "Und wir sind überwiegend Konsumenten und keine Schaffenden."

Alle Versuche, die PC-Geschäfte wieder anzukurbeln, waren bislang vergeblich. So hat auch der im vergangenen Jahr von Intel initiierte Vorstoß in Sachen Ultrabooks bis dato kaum Wirkung gezeigt. Elegante, flache, besonders leichte Notebooks sollten dem Markt neuen Schwung geben. Doch die Rechnung, Apple im lukrativen Hochpreissegment Käufer abspenstig zu machen, ging bislang nicht auf. Wer 1000 Dollar und mehr für ein neues Notebook übrig hatte, griff dann doch lieber zum Macbook oder Macbook Air als zum Windows-basierenden Ultrabook. Von seinem Ziel, mit dem neuen Formfaktor bis Jahresende 40 Prozent der weltweiten Consumer-Notebook-Verkäufe auf seinem Konto zu verbuchen, muss sich Intel verabschieden. Analysten zufolge blieb der Absatz überschaubar. Ultrabook-Verkäufe haben sich in den allgemeinen Marktzahlen kaum bemerkbar gemacht.

Dennoch geben Intel und die PC-Hersteller die Ultrabook-Klasse nicht auf. Ihre Hoffnungen ruhen nun auf einer neuen Gerätegeneration, die unter Windows 8 laufen soll, das Microsoft Ende Oktober offiziell auf den Markt bringen will. Mehr als 140 neue Ultrabooks hätten die Hersteller derzeit in ihren Produktions-Pipelines, teilten die Intel-Verantwortlichen kürzlich mit. Davon würden mehr als 40 mit einem Touchscreen auf den Markt kommen, um die Funktionen des kommenden Windows-Systems voll ausnutzen zu können. Doch ob die alte Rechnung, wonach eine neue Windows-Version den Endgerätemarkt ankurbelt, noch aufgeht, ist fraglich. Schließlich will Microsoft selbst Windows 8 gerade auch als Tablet-Betriebssystem ins Spiel bringen.

Angesichts dieser Entwicklungen sprechen Analysten mittlerweile von der Post-PC-Ära. Das geht an den etablierten Anbietern nicht spurlos vorüber. Hewlett-Packard hatte im vergangenen Jahr bereits den Rückzug aus dem PC-Geschäft verkündet, um dann nach einem Wechsel an der Führungsspitze doch wieder zurückzurudern. Für Vertrauen hat das in den Reihen der Kunden nicht gesorgt. Der weltgrößte PC-Hersteller ist mehr und mehr ins Schlingern geraten und sucht nun eine neue Linie.

Das Beben hat auch andere Anbieter erfasst. Michael Dell, Gründer und Chef des gleichnamigen Anbieters, sah sich in den vergangenen Monaten mehr als einmal in der Pflicht, zu beteuern, sein Unternehmen werde am PC-Geschäft festhalten. Doch hinter den Kulissen arbeitet Dell längst daran, das lukrativere Software- und Dienstleistungsgeschäft zu stärken.

Einen Hoffnungsschimmer gibt es für die PC-Branche indes. Spätestens wenn die Marktforscher ihre Kategorien überarbeiten und die Tablets dem PC-Markt eingliedern, dürften die Wachstumsraten wieder nach oben gehen. Freuen werden sich dann aber nur die Hersteller, die auch die passenden Tablet-Produkte im Portfolio haben. Experten gehen davon aus, dass schon 2016 der Tablet-Absatz die PC-Verkaufszahlen überflügeln könnte.