Ultra, Ultra HD und Mino HD

Flip Video kommt nach Deutschland

28.10.2009
Von 
Thomas Cloer war Redakteur der Computerwoche.
Früher hielt man ziegelsteingroße Camcorder mit einer Handschlaufe. Heute gibt es Flip Video.
Doch, ja. Das ist ein Camcorder. Ein Flip Ultra HD, genauer gesagt.
Doch, ja. Das ist ein Camcorder. Ein Flip Ultra HD, genauer gesagt.
Foto: Cisco

Nicht heute, sondern genauer gesagt ab dem 3. November, das ist nächste Woche Dienstag. Keine Ahnung, warum Pure Digital - inzwischen im Besitz des Netzriesen Cisco Systems - den Flip erst so spät auf den deutschen Markt bringt. In den USA, Kanada und später auch in Großbritannien war Flip Video vom Start weg ein Verkaufsschlager. Und den endgültigen Kult-Ritterschlag hat der Flip spätestens von Steve Jobs in seiner Keynote zur Präsentation der jüngsten iPod-Generation erhalten.

Pure Digital hat mit Flip Video irgendwann um die Mitte des Jahres 2007 herum den US-amerikanischen Markt mehr oder weniger neu definiert. Die kleine Firma fand, dass es angesichts der ungeahnten Popularität von Sharing-Webseiten wie YouTube Zeit für eine neue Art von Camcorder sei. Und entwickelte daraufhin ein auf das Wesentliche reduziertes Gerät ohne besondere technische Finessen - auf der Vorderseite ein Fixfokus-Objektiv (gezoomt wird maximal 2x, und zwar nur digital ) und ein Mikrofon, auf der Rückseite ein Display und ein markanter roter Knopf. Drumherum ein minimalistisch-schickes Gehäuse aus Kunststoff mit einem ausklappbaren USB-Arm zum Anschluss an den Rechner und einem Standard-Stativgewinde. Im Vergleich zu einem "richtigen" Camcorder erinnert ein Flip irgendwie an eine Pocket-Kamera der 70er Jahre. Ritsch, ratsch, klick. Knopf drücken, Video. So einfach ist das.

Und genauso wichtig wie die Hardware, wenn nicht sogar noch wichtiger ist für Pure Digital die flankierende Software "FlipShare". Auch hier genügt ein Knopfdruck, um einen aufgenommenen Clip per E-Mail zu versenden oder zu YouTube (und demnächst auch zu Facebook) hochzuladen. Alles "Technische", etwa die Auswahl des passenden Formats oder der Upload der Clips auf sichere Server bei Cisco, vollzieht sich transparent im Hintergrund. Genau so muss eine Consumer-Software gemacht sein, und vor allem mit FlipShare unterscheidet sich Flip Video auch vom Wettbewerb: Kodak und JVC haben das Konzept der Flip-Hardware relativ schnell kopiert (und zum Teil sogar technisch leistungsfähigere Geräte entwickelt); der Charme von Flip liegt aber gerade im Zusammenspiel von Hard- und Software.

Die FlipShare-Software ist übrigens auf dem Flip-Camcorder selbst gespeichert und lässt sich so einfach auf jeden angeschlossenen PC oder Mac aufspielen. Allerdings muss das Programm wirklich einmalig lokal installiert werden und ist zumindest bislang keine Portable App (die man auch an jedem Rechner im Internet-Café nutzen könnte, wo man ja zumeist keine eigene Software installieren darf). FlipShare bietet neben der Clip-Verwaltung einfache Schnittfunktionen. Wer hier mehr will, muss zu einer leistungsfähigeren Software greifen, die es aber für Windows und Mac OS X - dem ohnehin iMovie beiliegt - in reichlicher Auswahl gibt.

So einfach wird der Flip am Rechner angeschlossen.
So einfach wird der Flip am Rechner angeschlossen.
Foto: Cisco

Ich selbst hatte in diesem Jahr auf der IFA in Berlin zum ersten Mal einen Flip Ultra HD in der Hand. Und wusste sofort, dass ich so ein Ding haben muss. Bewegtbilder hatten mich trotz offensichtlicher Gadget-Affinität bis dato irgendwie nie interessiert. Das hat sich bereits geändert. Dank freundlicher Menschen bei der für die IFA-Präsentation zuständigen PR-Agentur durfte ich Mitte September einen Flip Mino HD mit in einen zweiwöchigen Urlaub an der Ostküste der USA nehmen. Meine Freundin und ich haben schon am Flughafen angefangen, kleine Clips zu drehen*. Und konnten gar nicht mehr aufhören. Kurz vor dem Rückflug bin ich dann kurz entschlossen irgendwo am Times Square in einen Office-Depot-Laden und habe mir einen weißen Flip Ultra HD mit 8 GB Speicher (= zwei Stunden Aufzeichnungszeit) gekauft. Bei einem Preis von 199 Dollar und dem aktuellen Dollarkurs einfach ein "No-brainer", wie man neudeutsch so schön sagt.

Ich habe den Flip seither regelmäßig benutzt und bin immer wieder aufs Neue begeistert von der Bild- und auch der Tonqualität, die man so einem Gerätchen wirklich nie zutrauen würde, bis man es selbst ausprobiert. Als Steve Ballmer Anfang Oktober bei BMW Windows 7 für Unternehmen ankündigte, hab ich den Ultra HD aus der Tasche gezogen und ein paar Minuten aus der Hand draufgehalten. Eine halbe Stunde später war ich im Büro, fünf Minuten später war das Video zu YouTube hochgeladen und ein Link darauf getwittert, nochmals eine weitere gute halbe Stunde später hatte Google den H.264-Clip in HD umgerechnet (YouTube-Videolink). Da tun sich auch für Journalisten ohne eigenes TV-Team ganz neue Möglichkeiten auf.

Der Flip Mino HD hat in etwa Handygröße.
Der Flip Mino HD hat in etwa Handygröße.
Foto: Cisco

Ab nächster Woche kann man den Flip nun also auch ganz offiziell in Deutschland kaufen. Am Montagabend wurden die Geräte Journalisten und einschlägigen Social-Media-Multiplikatoren in München präsentiert (YouTube-Videolink), gestern dann in Hamburg - und heute darf man auch darüber schreiben: Cisco bringt hierzulande drei Modelle auf den Markt: den Flip Ultra für 149 Euro, den Ultra HD für 199 Euro und zum gleichen Preis den Mino HD. Die beiden HD-Modelle bieten die gleiche Aufzeichnungsqualität (720p), der Mino ist allerdings um einiges kleiner und leichter. Er hat ein kleineres Display, einen fest verbauten Lithium-Ionen-Akku und 4 GB internen Speicher für eine Stunde HD-Video. Der Ultra HD hat einen größeren Bildschirm und lässt sich wahlweise auch mit zwei Batterien in Walkman-Größe (AA) betreiben. Außerdem besitzt er einen HDMI-Ausgang für den direkten Anschluss an Fernsehgeräte neuerer Bauart.

Man merkt schon ein wenig, dass Cisco die deutschen Flips unter Zeitdruck herausbringt: Die eingedeutschte Geräte-Firmware ist auf einem älteren Stand als die im Rest der Flip-Welt benutzte englisch-französische. Flip-gebrandetes Zubehör (Taschen, USB-Kabel, Stativ und dergleichen) wird es in Deutschland erst ab dem kommenden Jahr geben. Und am ärgerlichsten: Die kürzlich vorgestellte zweite Generation des Mino HD mit unter anderem größerem Display kommt zunächst einmal nicht auf den deutschen Markt. Aber auch weil die Konkurrenz natürlich nicht schläft, kann es sich der Hersteller nicht leisten, das CE-umsatzstarke Weihnachtsgeschäft auszulassen.

Ohnehin stellt sich ganz allgemein die Frage, wie groß das Zeitfenster für ein Gerätekonzept wie das von Flip Video überhaupt noch ist - es wird vermutlich nicht mehr allzu lange dauern, bis jedes mittelmäßige Smartphone Videos in ähnlicher Qualität aufnehmen und vor allem gleich "over the air" zu YouTube und Co hochladen kann. Andererseits wird sich natürlich auch der Flip weiterentwickeln. Spaß macht er aber genau jetzt, und deswegen ist es gut, dass man ihn auch genau jetzt endlich kaufen kann. Bei einem Preis von weniger als 200 Euro lässt es sich auch einigermaßen verschmerzen, wenn das Gerät vom technischen Fortschritt zuerst überholt und irgendwann vollends abgehängt wird. Bis dahin kann man aber noch jede Menge lustige Flip-Filmchen drehen und sharen.

*P.S: Ein kleiner Tipp von mir für Flip-Neubesitzer: Langsam schwenken. Langsam! Wenn man sich die Filme später am Rechner oder Fernseher ansieht. wirken Schwenks viel heftiger als auf dem vergleichsweise kleinen Display des Camcorders. Trust me.