IBM im Glück

Comeback des Mainframe

15.02.2010
Von 
Jannis Moutafis ist freier Journalist in München mit den Schwerpunkten Cloud Computing, Cloud-basierte Business-Anwendungen und IT-gestützte Arbeitsprozesse.

Die einst erfolgreichen Emulatoren ...

Besonders für kleinere Unternehmen mit älteren Anwendungen waren die Emulatoren ein Segen, wie ihr kommerzieller Erfolg bis vor kurzem bewies. Diese Firmen setzten die Maschinen vor allem ein, um nach dem Ausstieg aus der Mainframe-Welt ältere Anwendungen weiterhin am Leben zu erhalten.

Als allerdings der Erzrivale Hewlett-Packard bei dem Emulatoren-Entwickler Platform Solutions Inc. (PSI) als Großaktionär einsteigen wollte, war für IBM Schluss mit lustig. Man traf sich vor Gericht wieder. Um das Verfahren abzukürzen, kaufte IBM kurzerhand PSI und beendete dessen Geschäftsbetrieb. Ein ähnliches Schicksal ereilte einen weiteren Hersteller namens T3 Inc. Nach der Affäre mit PSI stellte IBM den Verkauf von Mainframe-Betriebssystemen für Emulationszwecke ein und vernichtete damit T3s Geschäftsgrundlage. Derzeit versucht dessen Management, sein Recht über Kartellbeschwerden diesseits und jenseits des Atlantiks einzuklagen. (Siehe auch: "Ist das Geschäftsgebaren von IBM rechtswidrig?")

... sind heute ein Tabuthema bei IBM

Mainframe-Emulation ist für IBM seitdem ein Tabuthema - außer sie kommt aus dem eigenen Hause. Mit zPDT (z Personal Development Tool) hat Big Blue ein eigenes Werkzeug lanciert, dessen Verwendung sich allerdings auf den Bereich Entwicklung beschränkt. Nicht unterstützt wird hingegen das Open-Source-Tool Hercules. Aus Sicht von IBM durchaus verständlich: Ein französisches Startup namens TurboHercules zum Beispiel hat es dazu verwendet, eine Disaster-Recovery-Lösung auf Basis von Windows Server 2008 aufzubauen. Die ist sogar legal, weil es im Lizenzvertrag für z/OS zwar die Klausel gibt, dass das Betriebssystem nur auf IBM-Hardware laufen darf. Ausgenommen sind jedoch explizit Notfälle, bei denen die IBM-Hardware nicht funktionieren sollte - was die Existenz von Lösungen wie dieser rechtfertigt. Das wahrscheinlichere Szenario ist jedoch, dass bei TurboHercules-Kunden die Systeme nicht nur als Backup, sondern auch im Produktionsbetrieb zur Unterstützung der Großrechner oder für kleinere Anwendungen eingesetzt werden (können).

Für IBM besteht die Herausforderung darin, einerseits die eigenen Pfründe zu sichern, andererseits die Kostenspirale für die Anwender nicht zu überdrehen. "Fest steht, dass die Lizenzgebühren nicht proportional zur Leistungsfähigkeit der Prozessoren oder zum Wachstum der Workloads ansteigen können", sagt Joachim Holleitner von Amadeus. Genau diese Aussicht, die stetig wachsenden Flugbuchungen und damit auch die steigenden Kosten für das zu verarbeitende Transaktionsvolumen, hat Amadeus zum Plattformwechsel veranlasst.

IBM versucht auf dieses Dilemma zu reagieren, ohne an den Lizenzgebühren für die Datenverarbeitung auf Standardprozessoren zu drehen. Nicht zuletzt deswegen ist die Regelung mit den Spezialprozessoren für Java- und Datenbank-Workloads zustande gekommen. Rein technisch ist sie nämlich völlig überflüssig: Spezialprozessoren sind nichts anderes als Standardprozessoren, deren Microcode so verändert wurde, dass sie nur bestimmte Tasks ausführen dürfen.

Allerdings weiß man aus Erfahrung, dass derartige Einschränkungen irgendwann geknackt werden, und so erging es auch dieser. Ein US-Startup namens Neon Enterprise Software hat mit zPrime eine Lösung herausgebracht, die für Standardprozessoren bestimmte Workloads auf Spezialprozessoren verarbeiten kann und damit das Potenzial hat, Anwendern jede Menge Geld zu sparen - und IBM um Lizenzgebühren zu bringen. Rein rechtlich scheint Big Blue bis dato keine Argumente gegen Neon zu haben. IBM versucht sich deswegen zu wehren, indem es eine Änderung seiner Lizenzbestimmungen bei gleichzeitiger Veränderung des Microcodes seiner Spezialprozessoren anstrebt.

Dass sich Anwender mit gültigem Lizenzvertrag nicht ohne weiteres darauf einlassen wollen, haben erste Aktionsversuche in diese Richtung bereits gezeigt. Doch die Frage, die sich hierbei stellt, ist eine grundlegendere: Wie gut aufgehoben und sicher kann man sich als Anwender bei einem Hersteller fühlen, der ein Monopol besitzt und auch bereit ist, dieses mit teilweise drastischen Mitteln zu verteidigen?

Offensichtlich spielt für die meisten Anwender all das nur eine untergeordnete Rolle. Mainframes als technische Plattform haben bei ihrer Kundschaft einen derart hohen Stellenwert und IBM als Anbieter einen so guten Leumund, dass man im Großen und Ganzen bereit ist, die Marktmacht als notwendiges Übel hinzunehmen. Die Leserkommentare und die Debatte zur Berichterstattung über Neon Software und deren Produkt zPrime sind hierfür bezeichnend. IBMs Profite, so einige Stimmen, seien durchaus schützenswert. Damit sei schließlich die hohe Qualität der IBM-Produkte und der Wartung garantiert.