Prof. Walter Brenner über Standards im Rechenzentrum

"Bei der Modernisierung hilft die Gnade der späten Geburt"

24.08.2009
Von 
Dr. Klaus Manhart hat an der LMU München Logik/Wissenschaftstheorie studiert. Seit 1999 ist er freier Fachautor für IT und Wissenschaft und seit 2005 Lehrbeauftragter an der Uni München für Computersimulation. Schwerpunkte im Bereich IT-Journalismus sind Internet, Business-Computing, Linux und Mobilanwendungen.
Anzeige  Homogenen Rechenzentren mit preiswerten Standard-Komponenten gehört die Zukunft, meint Walter Brenner, Professor am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen. Aber die Ablösung der Altsysteme geht nur langsam vonstatten.
Die Gnade der späten Geburt hat, wer die Chance bekommt, sein Rechenzentrum komplett neu aufzubauen, meint Prof. Walter Brenner, Wirtschaftsinformatikeran der Uni St. Gallen.
Die Gnade der späten Geburt hat, wer die Chance bekommt, sein Rechenzentrum komplett neu aufzubauen, meint Prof. Walter Brenner, Wirtschaftsinformatikeran der Uni St. Gallen.

Der Wirtschaftsinformatiker Walter Brenner spricht von der "Gnade der späten Geburt", wenn sich Unternehmen die Möglichkeit bietet, Rechenzentren nach Google-Muster völlig neu aufzubauen. Diese Gnade scheint nur wenigen vergönnt zu sein, denn die Ablösung von Altsystemen schreitet offenbar nur sehr gemächlich voran. Wir haben mit Walter Brenner über die neuen Chancen im Rechenzentrum gesprochen.

Computerwoche: Viele Unternehmen modernisieren ihre Rechenzentren oder sind dazu gezwungen, ihre Infrastruktur auf den neusten Stand zu bringen. Worin sehen Sie den Anlass für diese Entwicklung?

Walter Brenner: Bei den Kosten. Der Kostendruck auf die Betreiber von IT-Infrastrukturen nimmt derzeit immens zu. Eine der Maßnahmen, die mittelfristig verspricht, diese Ausgaben massiv zu senken, ist der Umbau der Infrastrukturen. Initiiert von Unternehmen wie Amazon und vor allem Google werden dabei vermehrt preiswerte Standard- oder Commodity-Komponenten verwendet. Diese Komponenten sind leicht austauschbar und können parallel betrieben werden.

Die heterogene IT-Infrastruktur in Unternehmen - etwa mit HP-Unix-Servern, großen IBM-Rechnern und Hitachi-Speichersystemen - kann durch diese sehr homogenen Strukturen ersetzt werden. Diese Hunderte oder Tausende von gleichen Geräten lassen sich auf sehr geringer Stückkostenbasis betreiben. Das motiviert die Leiter von Rechenzentren und die CIOs sich zu überlegen, wie man bestehende Infrastrukturen umbauen und dann die Software darauf migrieren kann.

Computerwoche: Die Rede ist von Standard-Infrastrukturen und proprietären Systemen. Was bedeutet das genau in diesem Zusammenhang?

Brenner: Ich vermeide bewusst die Begriffe "Standard" und "proprietär". Stattdessen würde ich eher von "heterogenen Rechenzentren" sprechen.

In der Vergangenheit haben wir beobachtet, dass Rechenzentren meist organisch gewachsen sind. Wir finden häufig sehr alte Systeme mit neueren gemischt - etwa Rechner, die auf der alten 370er-Architektur von IBM betrieben werden, Linux-Server und viele andere Systeme, die im Laufe der Jahre dazugekommen sind. Dabei benötigte man für jede Gattung von Rechnern Spezialisten, die diese Infrastruktur betreiben und pflegen, sowie entsprechende Serviceverträge.