CeBIT: SAP lässt Kleinunternehmen links liegen

09.03.2006
Mit ihrer jüngsten Mittelstandsinitiative hat SAP in erster Linie Unternehmen mit 100 bis 1000 Mitarbeitern im Visier.

"Der Druck auf den Mittelstand steigt", warnte SAP-Vorstandssprecher Henning Kagermann auf der CeBIT. Mittlerweile habe die Globalisierung auch die mittelständischen Firmen erreicht und einer steigenden Komplexität ausgesetzt. Vor allem die Großkonzerne drängten die Kleineren, sich in ihre Lieferketten und Marktplätze einzuklinken. Daher müsse der Mittelstand flexibel genug sein, schnell auf die Anforderungen des Marktes zu reagieren.

Allerdings gewinne man in diesem Markt nicht mit technischen Argumenten, räumte Kagermann ein. SAP müsse potenziellen Kunden den Nutzen der Lösung erklären. Dazu will SAP künftig verstärkt die Partner an Bord holen. Der SAP-Vorstand rückte in diesem Zusammenhang die eigene "All-in-One"-Lösung in den Vordergrund. Im vergangenen Jahr habe SAP 1700 neue Kunden dafür gewonnen. Rund 7700 Anwenderunternehmen weltweit arbeiteten derzeit damit. 730 Partner, davon 230 im Jahr 2005 neu dazugekommen, hätten inzwischen rund 550 Lösungen für das Mittelstandspaket entwickelt. Kagermann kündigte für 2006 ein neues All-in-One-Release an, das in der zweiten Jahreshälfte auf den Markt kommen und bereits Funktionen von SAPs neuer Enterprise Services Architecture (ESA) beinhalten soll.

SAP agiert seit Anfang des Jahres mit zwei unterschiedlichen Vertriebseinheiten. Während Großunternehmen mit einem Jahresumsatz von über 500 Millionen Euro weiterhin direkt von der SAP bedient werden, wollen die Walldorfen Firmen mit Einnahmen zwischen 20 und 500 Millionen Euro gemeinsam mit Partnern angehen, erläutert Michael Kleinemeier, verantwortlich für die Geschäfte des Konzerns in Zentraleuropa. In diesem Hybridmodell werde mit den Partnern abgesprochen, wer welchen Bereich für sich beanspruchen dürfe.

Auch Kleinemeier richtete in seinem CeBIT-Auftritt den Blick fast ausschließlich auf das mittlere und gehobene Segment. Neben den 1500 Konzernkunden habe SAP in diesem Bereich bereits 375 Kunden in Deutschland. Davon seien 550 im vergangenen Jahr neu hinzugekommen. Von den vielen Kleinfirmen mit einem Jahresumsatz unter 20 Millionen Euro zählen die Walldorfer hierzulande lediglich 1100 zu ihren Kunden.

Das Hauptziel sind die beiden oberen Segmente, gibt Kagermann die Marschrichtung vor. SAP werde nicht gegen Firmen wie Intuit konkurrieren. Dazu passt, dass der SAP-Vorstand die Kennzahlen für das schmalere Business-One-Paket in seiner CeBIT-Präsentation in Sekundenschnelle abhandelt. Experten zufolge hatte SAP von Anfang an Probleme, das Paket für Kleinfirmen im Markt zu platzieren. Immer wieder kursierten Gerüchte, SAP werde das Produkt einstampfen. Im vergangenen Jahr hatten sich die Partner Steeb und T-Systems von Business One verabschiedet.

Derzeit schätzt Kagermann den Anteil des Mittelstandsgeschäfts am SAP-Gesamtumsatz auf etwa 15 Prozent. Bis 2010 soll dieser Wert auf rund 30 Prozent steigen. Als größten Konkurrenten in diesem Umfeld nennen die SAP-Verantwortlichen Microsoft. Ansonsten sei der Markt extrem fragmentiert. Viele Kunden hätten veraltete Lösungen im Einsatz. Dies sei eine Chance für SAP, mit den eigenen Lösungen zu punkten.

SAP will auch den Mittelstand für seine Enterprise Services Architecture begeistern. Service-orientierte Architekturen seien ein "Megatrend", versicherte der SAP-Chef. SAP arbeitet seit rund drei Jahren an dem grundlegenden Umbau seiner Softwarearchitektur. Der monolithische Softwareblock der zurückliegenden Client-Server-Ära soll in einzelne Module aufgespalten werden, die sich auf Basis der Business Process Plattform (BPP) beliebig kombinieren lassen sollen. Kernelemente der BPP sind die Integrationsplattform Netweaver sowie das Enterprise Service Repository, in dem Zehntausende von Prozessbeschreibungen abgelegt sein sollen, anhand derer die Kunden ihre eigenen Abläufe abbilden könnten.

Allerdings braucht es mehr als nur eine technische Integration, mahnt Kagermann. Für eine funktionierende Service-orientierte Softwarewelt brauche man vor allem auch eine gemeinsame Sprache. Der SAP-Vorstand verglich dies mit dem Ampelsystem im Verkehr, das überall auf der Welt verstanden werde. Allerdings gebe es natürlich feine Unterschiede, relativierte er schmunzelnd. "Während die Farbe Gelb in Italien signalisiert, noch einmal kräftig auf das Gaspedal zu treten, bremst man in Deutschland." (ba)