Marcel Schneider, Sun: "Linux wird zum Zoo"

02.03.2006

SCHNEIDER: Wir haben mittlerweile drei Rechenzentren aufgebaut. Dafür bieten wir zwei Modelle an: ein "Commercial Grid" und ein "Enterprise Grid". Auf das Commercial Grid kann jeder zugreifen und Rechenleistung für einen Dollar pro CPU-Stunde abrufen. Hier stecken wir gerade in der Versuchsphase. Das Enterprise Grid adressiert Unternehmen, die Rechenleistung auslagern wollen. Dafür gibt es bereits eine Reihe von Betakunden.

CW: Für die Kunden steht doch der Betrieb der Softwarelösung im Vordergrund. Wer übernimmt diesen Teil?

SCHNEIDER: Sun stellt nur die Rechenkapazität zur Verfügung. Auf der Seite des Kunden laufen die Applikationen und die Grid-Technik. Er schickt uns ein Image in unser Rechenzentrum. Dort arbeiten unsere Rechner die entsprechenden Aufgaben ab. Für den Kunden ist dieses Modell deshalb so sexy, weil er völlig flexibel auf die benötigte Rechenleistung zugreifen kann. Die Kosten sind absolut transparent - egal welche Hardware, Services oder Softwarelizenzen dahinter stecken.

CW: Viele Softwarehersteller springen derzeit auf den On-Demand-Zug und betreiben wie Oracle eigene Rechenzentren. Läuft damit die Entwicklung nicht an Sun vorbei?

SCHNEIDER: Im Gegenteil. On-Demand bringt im Grunde erst dann etwas, wenn es aus einem Grid heraus geliefert wird. Es gibt heute nur zwei Hersteller, die die notwendige Plattform dafür bereitstellen können: Das sind IBM und Sun. Beide verfügen über die notwendige Technik aus Hardware, Betriebssystem, Middleware und Grid-Technik. Der große Unterschied liegt jedoch im Betriebssystem. Das Container-Konzept von Solaris erlaubt es, verschiedene Kunden über das Grid zu bedienen und dieses gleichzeitig effizient auszulasten. Die Konkurrenz verfügt zwar über ähnliche Konzepte, allerdings fällt die Leistung des Betriebssystems ab, sobald mehr Container zusammengeschaltet sind. Das ist so, als ob bei mir zu Hause das Licht schwächer wird, sobald ich zusätzlich das Fernsehgerät einschalte.

CW: Oracle betreibt in seinem zentralen On-Demand-Rechenzentrum eine Kombination aus günstigen Dell-Rechnern unter Linux. Was kann Sun gegen diese Kombination setzen?

SCHNEIDER:Viele Kunden haben sich in der Vergangenheit auf diese Kombination gestürzt. Allerdings sehen sie sich heute wegen zahlreicher unterschiedlicher Linux-Derivate mit einer steigenden Komplexität konfrontiert. Damit steigen auch die Kosten. Wir reden zurzeit mit vielen Kunden darüber, Linux auf Open Solaris zu migrieren. Das ist eine zertifizierte Plattform mit einem einheitlichen Wartungsvertrag. Der Kunde hat nicht sieben oder acht unterschiedliche Betriebssystem-Derivate im Einsatz.

CW: Befürchten Sie im Linux-Umfeld eine ähnliche Zersplitterung wie bei Unix?