Zyklisches Tief bei Diskdrives ueberwunden Glaeserne Festplatte bleibt am Magneten haengen

22.04.1994

MUENCHEN (kk) - Von Festplatten spricht man nicht mehr, die hat man. Die Branche hat laengst aufgehoert, ueber die hohen Kapazitaeten der kleinen Speicherwunder zu staunen. Aufregend sind allenfalls die Wachstumsraten in diesem Bereich. Das Marktforschungsunternehmen IDC prognostiziert fuer das Jahr 1996 in Europa ein Marktvolumen von sechs Milliarden Dollar bei einer jaehrlichen Umsatzsteigerung von zwoelf Prozent. Der Loewenanteil wird auch 1996 mit Festplatten im 3,5-Zoll-Format erzielt werden. Der nach IDC-Angaben groesste Anbieter in diesem Bereich ist die Quantum Corp., deren Chairman und CEO William Miller kuerzlich in Muenchen war. Mit ihm sprach CW-Redakteurin Kriemhilde Klippstaetter.

CW: Quantum erlitt Mitte 1993 betraechtliche Gewinneinbrueche und musste ein Quartal sogar mit Verlust abschliessen. Ist die finanzielle Talsohle nun durchschritten?

Miller: Die Gewinne waren - bei steigendem Umsatz - ruecklaeufig. Aber sehen Sie, das ist im Festplattengeschaeft normal: Immer wieder ergeben sich industrieweit Ueberkapazitaeten, die zum Preisverfall fuehren. Das dauert dann in der Regel ein Jahr, bis sich die Lage wieder bereinigt. In zwei Wochen werden die Zahlen fuer unser drittes Quartal vorliegen, die wieder einen Aufschwung erkennen lassen. Bereits in der letzten Dreimonatsperiode erzielten wir sechs Millionen Dollar Gewinn.

CW: Sie haben vergangenes Jahr angekuendigt, zwischen fuenf und sieben Prozent der Belegschaft zu entlassen.

Miller: Die Freistellungen erfolgten nicht wegen der schlechten Konjunktur, sondern weil uns die interne Buerokratie ueber den Kopf gewachsen war. Quantums Kostenstruktur lag in der Vergangenheit immer unterhalb der Zehnprozentmarke gemessen am Umsatz und war die niedrigste der Branche.

CW: Zahlen Sie Ihre Leute so schlecht?

Miller: Nein, natuerlich nicht. Aber wir hatten zuviel Overhead an Bord, beispielsweise viele Finanzanalysten...

CW: . . . Quantum hatte in der Branche aehnlich wie frueher Siemens den Ruf, eine Bank zu sein.

Miller: Aber das ist nicht unser Geschaeft. Wir produzieren Festplatten. Mittlerweile haben wir auch wieder in Arbeitnehmer investiert und die Belegschaft deutlich erhoeht, aber in Leute, die unser Geschaeft voranbringen.

CW: Zum Beispiel?

Miller: Die Praesenz in Asien wurde verstaerkt und auch die Anzahl der Entwicklungsingenieure. Einige kamen von Maxtor, als die das Geschaeft mit hochkapazitativen Festplatten aufgaben.

CW: Wollen Sie als Ex-Imprimis-CEO diesen Bereich staerker betonen?

Miller: Nein, unser Markt ist der PC- und Server-Bereich. Wir liefern Mainstream-Produkte. Unsere groesste Platte speichert dennoch immerhin ueber 4 GB.

CW: Wie weit sind die Entwicklungen in der Flash-Technik aus der Kooperation mit Silicon Systems?

Miller: Wir erwarten in diesem Sommer die ersten Produkte.

CW: Ist das nicht etwas spaet? Der Mitbewerb verkauft schon.

Miller: Ich denke, dass diese Technik noch ein, zwei Jahre braucht, bis sie abhebt. Sehen Sie, die Standards sind noch nicht einmal exakt definiert. Beispielsweise ist das PCMCIA-Interface noch nicht so, wie es sein sollte, dass man Geraete einfach ansteckt und sie laufen. Hinzu kommen die hohen Kosten dieser Art von Speicher, die immer ueber denen von Festplatten liegen werden.

CW: Welche neuen Anwendungsgebiete fuer Festplatten sehen Sie?

Miller: Zuerst einmal glaube ich, dass der Bedarf nach mehr MB - auch in portablen Rechnern - noch weiter steigen wird.

CW: Sie denken an den Newton von Apple?

Miller: Wir erwarten eine drastische Zunahme aller Arten von Handheld-Geraeten. Hinzu kommt der gesamte Bereich des interaktiven Fernsehens, der Daten-Highway. Hier ist die Entwicklung ueberhaupt noch nicht abzusehen. Auch die technischen Fragen sind noch nicht geklaert, etwa ob Festplatten im Server oder in jeder einzelnen Station eingebaut werden.

CW: Auf die man sich zuhause etwa den Spielfilm aus dem Kabel runterlaedt?

Miller: Genau.

CW: Ist die Magnetfestplatte am Ende ihres Lebenszyklus angekommen? Gehoert die Zukunft beispielsweise der Glasfestplatte?

Miller: Ich beobachte diese Art von Speichergeraet seit mehr als zehn Jahren. Damals war ich noch bei Control Data beschaeftigt und ueberzeugt davon, dass wir Mitte der neunziger Jahre nur noch solche Geraete verkaufen wuerden.

CW: Sie haben sich getaeuscht.

Miller: Sehen Sie, Glas war aus der damaligen Sicht das bessere Medium. Aber die herkoemmliche Technik hat sich in einem Masse weiterentwickelt und verbessert, dass die Glastechnik sie nie ein- oder gar ueberholen konnte. Die Magnetfestplatte wird es noch fuer lange Zeit geben.