Web

Beichten im Web

Zwischen Selbstdarstellung und werbefinanzierten Ablässen

08.04.2009

Traurige Witze

Für die Kirche ist diese Entwicklung wenig erfreulich, sie sieht den Begriff Beichte zum Teil missbraucht. Pfarrer Sieberer selbst kann sich über die witzigen Seiten der Internet-Beichte amüsieren, erkennt aber auch durchaus einen ernsthaften, einen traurigen Trend. Weil viele Menschen niemanden zum Reden hätten, müssten sie sich im Internet Luft verschaffen. "Es ist oft ein Erleichtern, oder aber Selbstdarstellung", erklärt er. Mit dem Original, der Beichte vor einem Pfarrer, habe die Onlinevariante sowieso nichts zu tun. "Sünden werden da garantiert nicht vergeben. Bei vielen dieser Dinge fehlt die Reue, und die ist bei der Beichte das Wichtigste."

Die echte Beichte allerdings ist derzeit alles andere als nachgefragt. Vor allem ältere Menschen gingen noch Beichten, die Jüngeren wüssten aber oft gar nicht, welche Freude und Erleichterung dieses Sakrament mit sich bringe, heißt es in einem Bericht des Bistums Würzburg. Hier hat man sich mit den einschlägigen Internetseiten auseinandergesetzt. Betont wird dabei immer wieder: Nur Gestehen alleine reicht nicht zur Vergebung. Neben der Reue gehört auch der Vorsatz, sein Verhalten wieder gut zu machen und sich zu bessern zu den wichtigsten Voraussetzungen für die Absolution, schreibt Dominic Winkel in dem Bericht.

"beichthaus"-Erfinder Robert Neuendorf hofft, dass die Nutzer seiner Seite sich im Klaren sind, dass das Internet keine Alternative zur echte Beichte sein kann. "Die Beichte im Internet kann ein persönliches Gespräch mit einem Priester nur schwer ersetzen", gesteht der selbstständige Marketing-Kommunikationswirt mit Wohnsitzen in Berlin und Bangkok.

Als der 30-Jährige vor einigen Jahren in den USA auf eine ähnliche Seite aufmerksam wurde, beschloss er, eine deutsche Variante zu gründen. Ein christlicher Anspruch habe allerdings nicht unbedingt dahinter gestanden, gibt er zu. Ein Teil seines virtuellen Beichtstuhls sind auch Werbeanzeigen. Der Erfolg überraschte ihn selbst. Heute werden auf seiner Seite täglich 300 Beichten hinterlassen. "Im Grunde ist das die Essenz für das, was überall im Internet passiert, in Weblogs oder bei Twitter: Die Leute schreiben auf, was sie bewegt. Dabei sind sie anonym. Sie müssen sich nicht trauen, mit jemandem zu sprechen." (dpa/ajf)