Schott-Zwiesel-Glaswerke Aktiengesellschaft:

"Zwischen Mystik und Prozeßrechner"

21.01.1977

ZWIESEL - "In unserem "chaotischen" Lager werden die Waren über alle Gänge verstreut." Dem kaufmännischen Vorstand der Schott-Zwiesel-Glaswerke AG, Dr. Heinz Simon, gefällt diese ironische Beschreibung der Schott-Lagertechnik ausnehmend gut.

Bei der Tochtergesellschaft des Jenaer Glaswerkes Schott & Gen. (Mainz), das zur Carl-Zeiss-Stiftung gehört, arbeitet seit einem Jahr ein gemeinsam mit einem Hochlager in Betrieb genommenes Lagersteuerungssystem, das - so Simon - bewußt mit dem Verzicht auf direkte Verbindung zur "Schott-Groß-EDV" (eine Siemens 7.730) konzipiert wurde: "Wir wollten möglichst schnell Vorposten in den einzelnen Unternehmensbereichen schaffen", sagt der Technik-Boß (siehe auch Interview der Woche, Seite 5).

Von den Höhenflügen der EDV habe man sich gelöst - auch "das Beste" (Integration) müsse nicht immer gut genug sein: "Schott-Zwiesel zwischen Mystik und Prozeßrechner" (Simon).

Alle Bewegungen im Hochlager mit 8800 Paletten-Plätzen sowie in einem Blocklager mit 7000 Plätzen werden offline über einen Minicomputer PDP-11/10 von Digital Equipment gesteuert - diese Insellösung mit relativ geringem Hardware-Aufwand (zirka 100 000 Mark) ist nach Ansicht von Jürgen Bosse, Leiter der Abteilung "Technische Dienste" bei Schott-Zwiesel, "ein anschauliches Beispiel für das gute Zusammenspiel von funktionierender Lagertechnik (Stapelfahrzeuge von Jungheinrich, Hamburg) mit einem Kleinrechnersystem".

Durchschnittlich werden im Blocklager täglich je 200 Paletten-Einheiten ein- und ausgelagert - im Hochregallager sind es je 125 Paletten; dabei wird ein Lagernutzungsgrad von annähernd 80 Prozent erreicht. Bosse: "Die Lösung mit einem autonomen Prozeßrechner ermöglicht eine schnelle Einsatzbereitschaft am Ort des Geschehens. "

Wareneingänge und Kundenaufträge mit Artikelnummer und Palettenstückzahlen werden dem DEC-Mini via Datensichtgerät gemeldet. An Hand dieser Daten erfolgen die Lagerortbestimmung, die Lagerplatzoptimierung, die Optimierung der Wege sowie der Personal- und Fuhrparkkapazitäten, wobei die optimale Raumnutzung Priorität hat.

Die Ergebnisse werden in Form von Arbeitsanweisungen und Palettenanhängern ausgedruckt - sie sind die "Schnittstelle" zwischen dem Lagerpersonal, das jederzeit "gegen den Rechner" entscheiden kann, und dem System.

Programmtechnisch wurden offensichtlich alle nur denkbaren Spielarten (Falscheinlagerungen etc.) berücksichtigt. Dazu Simon: "Die Anwender sind jedenfalls voll des Lobes über die entwickelten Strategien."

Ist-Analyse, Grobkonzept, Rechnerauswahl und Programmierung lagen in den Händen der PSI Gesellschaft für Prozeßsteuerungs- und Informationssysteme mbH, Berlin. Die Entscheidung für den DEC-Rechner fiel - so PSI - vor allem wegen MUMPS, einer Mischung aus Programmiersprache und Filemanagement-System, mit der sich der Programmieraufwand gegenüber herkömmlichen Techniken um gut 50 Prozent reduziert läßt. MUMPS erlaubt nämlich interaktives Programmieren - und das in leicht erlernbaren Befehlen.

Schott-EDV

Zentralrechner ist eine Siemens 7.730 mit 320 K, 6x55 MB-Plattenspeicher, 60 KB-Zwillings-Bandeinheit, Leser, Stanzer, Drucker und DÜST (Datenübertragungs-Steuereinheit) als Front-End für insgesamt 17 lokal sowie remote installierte Terminals. Auf der Anlage laufen die Grunddatenverwaltung und das Rechnungswesen sowie die komplette Vertriebsabwicklung.

Bei dem für die Offline-Lagersteuerung eingesetzten Prozeßrechner handelt es sich um eine PDP-11/10 von Digital Equipment mit 48 KB 2x2,4 MB-Wechselplatte, Bildschirmgerät VT-50, Datenstation LA-36 und Drucker LA-18 (Schreibleistung 180 Zeichen/Sec.).

_AU:D. Eckbauer