Zwischen Kundentermin und Elternsprechtag

26.05.2009
Der Anteil von Frauen in IT-Berufen hat in den letzten Jahren weiter abgenommen. Ein Grund dafür ist, dass sich Karriere und Familie nach wie vor schwer vereinbaren lassen. Dass das nicht so sein muss, zeigt das Beispiel eines IT-Dienstleisters.

Die Zahlen sprechen für sich: Seit Jahren stagniert der Anteil der

weiblichen Studienanfänger im Fach Informatik bei zirka 17 Prozent. Bei den Auszubildenden im IT-Sektor ist die Frauenquote sogar gesunken. Nur noch neun Prozent der IT-Azubis sind weiblich, 2001 waren es über 14 Prozent. Laut Bundesagentur für Arbeit ging der Frauenanteil in der IT-Branche von 20,4 Prozent im Jahr 2000 auf 18,7 Prozent 2008 zurück. Weibliche Führungskräfte sind kaum zu finden.

Die Klischees halten sich hartnäckig

Die Gründe dafür, dass Frauen sich nur selten für IT-Berufe entscheiden, sind ebenso vielschichtig wie schwer zu belegen. So gelten unter anderem geschlechterspezifische Neigungen als Ursache. Während Männer sich dem Klischee nach eher für naturwissenschaftliche und technische Felder interessieren, fühlen sich Frauen eher zu kommunikativen oder kreativen Tätigkeiten hingezogen. Auch auf eine mangelnde Förderung von Mädchen im Unterricht oder das vermeintlich unattraktive Image der Branche wird verwiesen.

Noch ein weiterer Aspekt spielt eine Rolle: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. So sehen das auch weibliche IT-Führungskräfte, die auf der diesjährigen CeBIT die "Charta für die Talente der Zukunft" vorgestellt haben. In dem Papier der Initiative D21 erklären die Unterzeichnerinnen, Programme zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unterstützen und Eltern bei der Work-Life-Integration zu coachen. Barbara Schwarze, die die Geschäftsstelle Nationaler Pakt für Frauen in Mint-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) leitet, meint: "Die flexiblen Arbeitszusammenhänge in der IT, in denen sich Teams oft weltweit zusammensetzen, bieten die Chance, Telearbeit zu nutzen und auf Vertrauensarbeitszeit zu setzen. Damit können Frauen und Männer Familie und Beruf besser in Einklang bringen, also auch mit Kindern ihre Karriere weiterverfolgen."

Wie so etwas aussehen kann, zeigt das Beispiel Dragica Saur, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Prozess- und IT-Beratung Mieschke Hofmann und Partner (MHP). Die 41-jährige Prozess- und IT-Beraterin leitet als Senior Manager die Business Line Financials bei MHP und ist für ein 16-köpfiges Team verantwortlich. Nach Feierabend kümmert sich die diplomierte Betriebswirtin um ihre Tochter. Statt Kundenterminen steht dann zum Beispiel der Elternsprechtag in der Schule an. "Ohne die Unterstützung durch meine Familie, MHP und die Teamkollegen wäre es kaum möglich, beides unter einen Hut zu bekommen", sagt Saur.

Dem Arbeitgeber kommt bei der Frage, ob sich Privatleben und Beruf vereinbaren lassen, eine zentrale Rolle zu. Nur er kann Strukturen schaffen, die es erlauben, beide Lebensbereiche aufeinander abzustimmen. Dabei sind flexible Arbeitszeiten ein wesentlicher Bestandteil, erklärt Saur: "Bei MHP gibt es keine festen Arbeitszeiten. Wichtig ist, dass wir unsere Projekte erledigen. Das hat den Vorteil, dass ich auch mal später als gewöhnlich kommen kann. Zum Beispiel dann, wenn ich mit meiner Tochter unerwartet zum Arzt muss. Das richtige Zeit-Management ist dabei essenziell." Neben der zeitlichen begünstigt auch räumliche Flexibilität das Nebeneinander von Beruf und Familie.

Der Karriereknick nach der Babyphase ist noch die Regel

Auch deshalb würden laut einer aktuellen Bitkom-Erhebung drei Viertel der befragten Frauen ganz oder teilweise im Home Office arbeiten oder nutzen diese Möglichkeit bereits. MHP bietet Müttern an, vor allem Aufgaben zu übernehmen, die verglichen mit dem üblichen Berateralltag keine große Reisebereitschaft erfordern.

Auch wenn solche Maßnahmen die Basis dafür sind, Familie und Beruf in Einklang zu bringen, ist das nur ein Schritt. Wichtig ist für die betroffenen Frauen auch, dass sie den Spagat zwischen Job und Zuhause nicht mit Nachteilen beim beruflichen Aufstieg bezahlen müssen. Genau das ist allerdings nach wie vor eher die Regel als die Ausnahme. Anders bei MHP: "Beraterinnen, und übrigens auch Berater, die wegen ihrer Familie im Job etwas kürzer treten oder besondere Arbeitsformen in Anspruch nehmen, müssen bei uns keinen Karriereknick befürchten", so Christoph Joos, Mitglied der MHP-Geschäftsleitung und für den Bereich Human Resources verantwortlich. "Wohl auch deshalb haben wir einen für die Branche recht hohen Frauenanteil. Von allen Mitarbeiterinnen nehmen knapp 17 Prozent bei uns eine Führungsposition wahr." (hk)