Analystentips zur Langzeitplanung für Administratoren

Zwischen Fortschritt und Investitionsschutz

14.11.1997

Derzeit ist es nicht nur der Bedarf nach mehr Bandbreite, der die Migration zu High-speed-Networking-Technologien für eine Reihe von Unternehmen unausweichbar macht. Al Lounsbury, Director of Network and Communication Strategies bei dem Systemintegrator SHL Systemhouse, weist darauf hin, daß mit einem leistungsfähigeren System auch die Zuverlässigkeit des Netzes steigt. Anwender sehen sich damit aber vor eine schwierige Wahl gestellt: Welche Technologie schützt bereits getätigte Investitionen am besten und bewahrt das Unternehmen zudem vor der Gefahr, nach einigen Jahren in der technologischen Sackgasse zu landen?

Kevin Tolly, President und CEO der Beraterfirma The Tolly Group, unterstreicht die Bedeutung einer richtig getroffenen Migrationsentscheidung: "Der Wechsel der Infrastruktur ist eine sehr kostspielige Angelegenheit." Große Unternehmen zögern gerade deswegen, bereits installierte Umgebungen radikal zu erneuern, und tendieren zu einer Verbesserung der vorhandenen Infrastruktur.

Nach Meinung von Tolly ist dieser Umstand aber wiederum dafür verantwortlich, daß der Technologiewandel im Bereich Netzwerke nicht zu extrem ausfallen wird: Die installierte Basis von Komponenten bei den Anwendern müsse unbedingt in neue Konzepte und Technologien integriert werden. Deswegen sei es auch nicht im Interesse der Hersteller, einen radikalen Umschwung herbeizuführen. Ist die Entscheidung zugunsten einer Migration einmal gefallen, so ist es aus Sicht von Tolly im LAN-Bereich notwendig, sich über die Konsequenzen eines Upgrades im klaren zu sein. Dazu gehört nach Meinung des Ana- lysten auch, die damit verbundenen Technologien und ihre Funktionsweisen zu kennen und zu verstehen. Nur so lasse sich abschätzen, ob die Lösung auch wirklich alle Bedürfnisse des Unternehmens befriedigen kann.

Tolly weist darauf hin, daß beson- ders sekundäre Geschäftsanforderungen eines Unternehmens in der Planungsphase einer Migration leicht übersehen werden. Dieser Gefahr könne nur durch die Wahl modularer Netzwerkkomponenten begegnet werden, da diese sich gegebenenfalls relativ leicht nachrüsten lassen. Dieser Vorteil gleiche somit den verhältnismäßig hohen Preis solcher Produkte aus.

Keine Diskussionen gibt es derzeit, wenn es um die Verkabelung der Zukunft geht - hier macht die leistungsfähigere, aber immer noch teure Glasfaser das Rennen.

Daher rät Lounsbury Anwendern, für neu einzurichtende Backbone-Lösungen im LAN keinesfalls mehr Kupfer einzusetzen: "Die Zukunft des High-speed-Networking gehört der Glasfaser." Wie recht der Manager mit seiner Aussage hat, zeigt unter anderem die Tatsache, daß die für das Frühjahr 1998 erwartete Gigabit-Ethernet-Spezifikation zunächst nur Glasfaser als Medium berücksichtigt - nach Meinung von Branchenkennern ist mit einer Kupfervariante des Standards auch nicht vor Ablauf von zwölf bis 18 Monaten zu rechnen. Lediglich bei der Anbindung von Arbeitsplatzrechnern, so Lounsbury, bleibt Kupfer noch für einige Zeit das Medium der Wahl.

Um auch bis zum Desktop schon mit Ethernet und Fast Ethernet hohe Bandbreiten zur Verfügung zu stellen, gehen immer mehr Unternehmen dazu über, ihre Shared-Umgebungen, bei denen sich alle angeschlossenen Rechner die zur Verfügung stehende Bandbreite teilen, zu Switched-Umgebungen zu machen. Bei dieser Methode steht jedem Rechner immer die volle Bandbreite seines Segmentes für Übertragungen zur Verfügung. Lounsbury warnt allerdings davor, dies im Übermaß zu betreiben, da sonst leicht Probleme an anderer Stelle im Netz auftauchen: "Auf keinen Fall darf man das Gesamtbild des Systems aus den Augen verlieren. Gerade beim Wechsel zu Switching kann es andernfalls leicht passieren, daß die Server im Netz zu den Bottle- necks werden, weil sie mit dem Durchsatz nicht zurechtkommen." Ähnlich wie die sprichwörtliche Kette ist eben auch ein Netzwerk in der Regel nur so leistungsfähig wie das schwächste Glied.

Was das Übertragungsverfahren betrifft, so wird sich vor allem im Bereich der Weitverkehrsnetze wohl Asynchronous Transfer Mode (ATM) durchsetzen. Lounsbury sieht vor allem die unbeschränkte Skalierbarkeit der Technologie als Hauptgrund hierfür. Ethernet sei technologischen Beschränkungen unterworfen, werde aber dennoch nicht zuletzt dank des sich anbietenden Migrationspfades Gigabit Ethernet auch weiterhin vor allem im Desktop-Bereich Verwendung finden.

Die vielzitierten hohen Kosten für ATM-Installationen sieht Lounsbury nicht als Hindernis für den Einsatz der Technik: "Man muß sich doch nur einmal vor Augen führen, daß die Hardware-Ausstattung in einem Netzwerk gerade mal 25 Prozent der Gesamtkosten ausmacht. Da amortisieren sich die zehn bis 15 Prozent höheren Anschaffungskosten schnell, wenn der Administrator dafür weniger Aufwand bei der Verwaltung des Netzes hat."

Frank Dzubeck, President von Communications Networks Architects, warnt in bezug auf Weitverkehrsnetze vor längerfristigen Planungen für den Aufbau eigener Infrastrukturen. "Wir beobachten derzeit einen Trend, der dahin geht, daß Unternehmen keine eigenen WAN-Verbindungen mehr unterhalten. Alles läuft auf das Anmieten von virtuellen Services nur für den jeweiligen Bedarfsfall hinaus." Es werde künftig viel wichtiger sein, Dienstequalitäten zur Verfügung stellen zu können. Daher sollten seiner Meinung nach IT-Manager, die jetzt doch noch eigene Weitverkehrsverbindungen einrichten, diese so auslegen, daß sie später den Schritt zum Outsourcen der WAN-Verbindungen ohne Mühen vollziehen können.