Customer-Relationship-Management/Unrealistische Sichtweisen bringen CRM-Projekte zum Scheitern

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

21.09.2001
Wenn Vorhaben zum Customer-Relationship-Management scheitern, dann hat dies verschiedene Ursachen. Die Auswahl der Software ist dabei die kleinste Hürde, die es zu überwinden gilt. Viel dringlicher ist es, die Kundenorientierung im Unternehmen selbst zu verankern. Von Michael Dusch*

Mit dem reinen Anpreisen von Produkten und Dienstleistungen ist heute kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Um sich erfolgreich vom Wettbewerb abzuheben, müssen die Anbieter vielmehr einen Wandel hin zu zielgruppenspezifischen Problemlösungen für den Kunden vollziehen. Die kontinuierliche und individuelle Betreuung wird also immer wichtiger. Ein geeignetes Instrument, dies effektiv und effizient zu betreiben, ist Customer-Relation-ship-Management (CRM). Hier ist jedoch zwischenzeitlich ein ähnlicher Trend zu verzeichnen wie in den neunziger Jahren bei Business Process Reengineering: Es wird viel Geld in Projekte investiert, und die Projekte werden nach zu langer Laufzeit abgebrochen beziehungsweise sie bringen nicht den gewünschten Erfolg. Die Ursachen dafür sind unterschiedlich.

Ein ganz wesentliches Problem von CRM-Projekten liegt in den unrealistischen Erwartungshaltungen. Gefördert durch Werbeanzeigen und Hochglanzbroschüren der Softwarehersteller entstehen Anforderungen an die Projekte, denen derzeit niemand mehr gerecht werden kann. Ob sich Kundendeckungsbeitrag, Kundenzufriedenheit, Außendiensteffizienz und Umsatz im ersten Jahr von CRM gleichzeitig verbessern, darf bezweifelt werden. CRM ist kein Allheilmittel. Es ist essenziell, die Erwartungen an CRM vor Projektbeginn realistisch zu definieren und die Strategie daran auszurichten.

Orientierung am KundenHäufig wird eine ganze Reihe von kundenrelevanten Maßnahmen eingeleitet. Der Erfolg stellt sich jedoch erst dann ein, wenn sämtliche Maßnahmen in eine Strategie eingebettet sind und miteinander in Einklang gebracht wurden. Um sich wirklich am Kunden und dessen Bedürfnissen orientieren zu können, muss man ihn zunächst mit all seinen Facetten kennen. Die Kundenanalyse steht daher an erster Stelle beim Aufbau und der Weiterentwicklung der Kundenbeziehung. Nicht jeder Kunde ist für das Unternehmen in jeder Hinsicht gleich bedeutsam. Deshalb ist es notwendig, den Wert einzelner Kunden auf einer möglichst breiten Informationsbasis zu bestimmen.

Der Erfolg einer CRM-Lösung hängt nur in geringem Maße von der Auswahl der Software ab. Erst durch die Ausrichtung des gesamten Unternehmens auf den Kunden kann dieser wirklich in den Mittelpunkt rücken. Das erfordert häufig auch einen tief greifenden Wandel in der Unternehmenskultur. Um CRM erfolgreich einzuführen, muss Kundenorientierung unternehmensweit trainiert und gelebt werden.

Bei CRM handelt es sich um einen unternehmensweiten, abteilungsübergreifenden Ansatz zur ganzheitlichen Entwicklung der Kundenbeziehungen. Die bewusste Gestaltung des notwendigen Veränderungsprozesses wird jedoch fast immer vernachlässigt. Ein Anstieg der Kundenzufriedenheit verlangt nicht nur nach Fachkompetenz des Beraters oder Verkäufers, sondern auch nach einem "Feeling" für die Sorgen des Kunden. Kundenorientierung nach außen setzt stets eine interne Kundenorientierung voraus: Nur Mitarbeiter, die in den Geschäftsprozessen die nachgelagerten Einheiten als Kunden ansehen, sind in der Lage, die externen Kunden zufrieden zu stellen. So ist zum Beispiel das "Gefühl für Dringlichkeit" etwas, das gerade im Kontakt mit den externen Kunden von großer Bedeutung ist: Es wird als ein Indikator für Engagement gewertet. Diese neue Qualität stellt sich aber nicht von alleine ein, sondern muss im Rahmen der Projektarbeit explizit und in Teilen auch individuell erarbeitet werden.

Um solche Veränderungen effizient und erfolgreich umsetzen zu können, sind Erfahrungen im Umgang mit Methoden der Organisationsentwicklung unumgänglich. So ist es einerseits notwendig, Mitarbeitern durch gezieltes Coaching ein verändertes Selbstverständnis zu vermitteln. Andererseits ist ein ganz erheblicher Teil der Transferleistung dadurch zu erbringen, dass die Mitarbeiter der Fachbereiche selbst an den Veränderungsmaßnahmen mitarbeiten. Crossfunktionale Arbeitsgruppen, die für das Projektteam spezifische Arbeiten durchführen, sind ein ideales Vehikel für die Implementierungsarbeit. Regelmäßige Kommunikation durch Newsletter, in der Firmenzeitung und/oder an "schwarzen Brettern" verhindert das Aufkeimen von Gerüchten bei so grundlegenden Veränderungsprozessen, wie es die Einführung von CRM ist.

Transparente ProjekteDie Information über kleine, wenig bedeutsam erscheinende Zwischenergebnisse gibt allen Mitarbeitern die Möglichkeit, den Weg und das Ziel des Projekts nachzuvollziehen. Die Veröffentlichung von kurzfristigen Zwischenerfolgen verhindert, dass die Motivation sowohl bei den unmittelbar als auch den mittelbar Beteiligten nachlässt. Das Bewusstsein, dass dieser Veränderungsprozess Zeit benötigt, kann auf diesem Wege immer wieder in Erinnerung gerufen werden.

Jedes einzelne Element eines CRM, wie beispielsweise eine Kundensegmentierung, das Determinieren von Kundenwerten oder die Organisation von Kundenbefragungen, liefert Teilerkenntnisse für eine individuelle und effiziente Kundenansprache. Wesentliche Aufgabe von CRM ist, die unterschiedlichen Sichten auf den Kunden zusammenzuführen, um daraus eindeutige Handlungsempfehlungen ableiten zu können.

Die Einführung eines Call-Centers oder eine Kundenzufriedenheitsanalyse allein sind jedoch noch kein CRM. Ohne eine optimale Abstimmung der Einzelkomponenten untereinander bleiben uneffektive Inseln. Erst ein durchgängiger Ansatz, der ein unternehmensspezifisches Gesamtpaket schnürt, führt zu einem echten Kundenbeziehungs-Management. Auf Basis der strategischen Ausrichtungen werden die spezifischen Elemente des CRM festgelegt. Im nächsten Schritt gilt es, sie mit einer geeigneten Technologie zu vernetzen. Im Abschluss sind dann die Mitarbeiter im Umgang mit der veränderten Technologie zu schulen. Denn auch ein Call-Center ist letztlich nur ein technischer Rahmen, dessen Erfolg oder Misserfolg durch die Mitarbeiter bestimmt wird.

Tief greifende VeränderungenMit der Entwicklung und Einführung von CRM geht ein tief greifender Veränderungsprozess für das Unternehmen einher. Die Firmenstrategie wird angepasst, neue Strukturen und Prozesse werden gestaltet, und neue IT-Werkzeuge kommen zum Einsatz. Daher sind einige Erfolgsfaktoren für jedes Projekt zu berücksichtigen:

- Die Entscheidungsträger sind aktiv einzubinden. Sie sind dafür verantwortlich, CRM in die Unternehmensvision aufzunehmen und die strategischen Weichen zu stellen.

- Der Veränderungsprozess muss aktiv gesteuert werden. Wesentliche Antriebsfeder der Veränderung ist die innere Einstellung aller Beteiligten.

- Die angestrebten Veränderungen betreffen das gesamte Unternehmen und nicht nur kundennahe Bereiche wie Marketing und Vertrieb.

Das Bewusstsein, dass dieser Veränderungsprozess Zeit benötigt, und die damit verbundene realistische Zeitplanung sind essenziell. Die Einführung von CRM lässt sich nicht von heute auf morgen erreichen. Wichtig für die Akzeptanz von CRM sind erste, kurzfristig umsetzbare Ergebnisse und deren Sichtbarkeit. Zwar ist der zielgerichtete Einsatz von IT für ein ganzheitliches Bild vom Kunden unabdingbar, doch steht die Unterstützung durch bereits vorhandene oder neu zu installierende Hard- und Software erst am Ende des Prozesses.

*Michael Dusch ist Senior Berater bei Dr. Göhring & Partner in Wiesbaden.

Abb: Phasen und Teilschritte im CRM

Die Einführung einer CRM-Lösung muss über alle Einzelphasen hinweg von einem Veränderungs-Management begleitet werden. Quelle: Dr. Göhring & Partner