Berliner Werk schließt - 60 Prozent der Kürzungen in Deutschland

Zweite SNI-Sparrunde: 3000 Jobs sollen abgebaut werden

16.08.1991

MÜNCHEN/BERLIN (CW/ vwd) - Die zweite Runde der Integration von Nixdorf und Siemens-DI ist eingeläutet - mit erneut massiven Stellenstreichungen (3000 Arbeitsplätze im In- und Ausland) und der Schließung des Berliner Werkes für PCs und Kassensysteme. 600 Millionen Mark will die SNI AG so einsparen. Wieviel davon noch 1991 wirksam werden, ist nicht klar.

Von der größten Welle der Jobkürzungen sind die etwa 600 Mitarbeiter des Berliner SNI-Werkes für PCs und Kassensysteme betroffen: Sie werden sich neue Arbeitsplätze suchen oder eventuelle Angebote für einen Wechsel innerhalb von SNI beziehungsweise des Siemens-Konzerns akzeptieren müssen. Ziel der Werksschließung ist es nach einer Unternehmensmitteilung, die Fertigung von Kassensystemen künftig in Paderborn zu konzentrieren und PCs in Augsburg als einzigem deutschen Standort zu produzieren.

SNI beschäftigt gegenwärtig 2200 Mitarbeiter in Berlin und den neuen Bundesländern, 1500 davon außerhalb der Hauptstadt. 1000 Stellen wurden seit der Wende im Osten neu geschaffen; diese bleiben nach Aussage von SNI-Sprecher Jochen Doering bestehen. Einen Imageverlust wegen der Werksschließung müsse SNI nach den Worten des Sprechers nicht befürchten, darauf lasse die "sehr faire" Berichterstattung der Berliner Tagespresse schließen. Als Grund für die Maßnahme wurde von Doering genannt, daß es wirtschaftlicher sei, das relativ kleine Werk zu schließen als Kapazitäten von Standorten wie Augsburg (5900 Mitarbeiter) oder Paderborn abzuziehen.

Die Gespräche mit den Arbeitnehmer-Vertretungen Iiefen gegenwärtig erst an, so daß der genaue Zeitpunkt der Produktionseinstellung in Berlin noch nicht abzusehen sei.

Insgesamt 60 Prozent der zu streichenden Stellen sollen auf inländische Produktions-, Service- und Vertriebsstandorte von SNI entfallen, darüber hinaus werden Vertriebs- und Service-Aktivitäten in Frankreich Großbritannien und Spanien von über 1000 Stellenstreichungen betroffen sein. Einiges sei bereits auf den Weg gebracht. Die Maßnahmen würden in ihrer Gesamtheit, so Doering, vor aussichtlich nicht vor Ende 1992 abgeschlossen sein.

Auftragseingang unter der Vorjahresmarke

Das Münchner und Paderborner DV-Unternehmen hatte vor kurzem Presseberichte, nach denen mehrere tausend Entlassungen vor allem im Ausland bevorstünden, als spekulativ zurückgewiesen. Der Mitarbeiterbestand werde sich - mit gewissen Toleranzen - um die 50 000 einpendeln, hieß es damals. Gegenwärtig führt SNI noch rund 52 000 Namen auf den Gehaltslisten, davon 37 000 in Deutschland.

Zu Optimismus sieht sich die SNI-Führung aufgrund der Auftragssituation veranlaßt: Während der ersten neun Monate sei der Ordereingang um vier Prozent auf neun Millionen Mark gestiegen. Ein Sprecher der Siemens AG rechnete kürzlich vor, daß SNI zusammen mit der Plessey-Akquisition für acht von 20 Prozent der Steigerung beim Auftragseingang des Konzerns gesorgt habe. Er verwies allerdings darauf, daß der Umsatz der DV-Tochter noch nicht mit dem Auftragseingang mithalten konnte. Im ersten Halbjahr lagen Siemens zufolge die SNI-Orders noch um fünf Prozent unter dem Vergleichswert vom Vorjahr; der Umsatz sei um 17 Prozent schwächer gewesen.

SNI berichtet von einem Großauftrag des hessischen Wissenschaftsministeriums mit einem Volumen von mehr als 30 Millionen Mark; hierbei handelt es sich um vier Supercomputer für den Einsatz an Universitäten des Bundeslandes. Dieser Auftrag ist in dem genannten Volumen von neun Milliarden Mark aus den ersten drei Quartalen enthalten.

Die Wiener Siemens-Nixdorf Informationssysteme GmbH Österreich wird nach Darstellung ihres Generaldirektors Eugen Krammer das Umsatzziel von 2,75 Milliarden Schilling (etwa 393 Millionen Mark) erreichen. Das entspreche einer zehnprozentigen Steigerung im Vergleich zu den addierten Volumina von Nixdorf und Siemens im vergangenen Jahr. Auch ein ausgeglichenes Ergebnis werde erwartet. Für eine Übernahme der Sparmaßnahmen des SNI-Konzerns sieht Krammer daher keinen Anlaß. Der Beschäftigtenstand von gegenwärtig 860 werde gleichbleiben oder sogar steigen. Für das am 1. Oktober beginnende Geschäftsjahr 1991/92 rechnet SNI Österreich mit einem abermaligen Wachstum des Geschäftsvolumens von zehn Prozent und erstmals auch mit einem operativen Gewinn.