Zweifel an Darstellung des Verteidigungsministeriums zum Datenverlust

26.06.2007
Das Verteidigungsministerium hat in einem Schreiben an den Ausschuss zur Untersuchung der Kurnaz-Affäre zugegeben, dass wegen des Defekts eines "Datensicherungsroboters" Geheimdienstunterlagen verloren gingen.

Wie der Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Peter Wichert, laut Berichten diverser Medien in einem Schreiben an den Verteidigungsausschuss vor zwei Wochen mitteilte, sind bis Ende 2004 gespeicherte Geheimdienstunterlagen abhandengekommen. Diese hatte der Ausschuss im Zuge seiner Untersuchungen zur Affäre um den in Afghanistan festgehaltenen Bremer Murat Kurnaz angefordert. Laut einem Bericht des Fernsehmagazins "Report Mainz" soll es sich hierbei um geheime Berichte auch des Bundesnachrichtendienstes (BND), von Militärattachés im Ausland sowie um Mitteilungen ausländischer Dienste an die Bundeswehr handeln. Hierzu sollen auch Meldungen über den Fall des ehemaligen Guantánamo-Häftlings Kurnaz gehören. Dieser hatte gesagt, zwei deutsche Soldaten des "Kommandos Spezialkräfte" (KSK) hätten ihn während seiner Inhaftierung auf dem südafghanischen Stützpunkt Kandahar misshandelt. In diesen Zeitraum fallen auch Daten, die jetzt nicht mehr verfügbar sind.

Wichert erklärt den Verlust des brisanten Datenmaterials auch mit Sparzwängen. In seinem Schreiben formuliert er, das IT-System "Jasmin", in dem das Verteidigungsministerium seit 1998 Daten der Militärstellen lagere, sei an seine Kapazitätsgrenzen gestoßen. Dies sei mit den vielen Auslandseinsätzen der Bundeswehr zu erklären. Ein nötiger Ausbau des Systems und "bestimmte Anpassungen" seien aber "aufgrund haushalterischer Maßnahmen" verzögert worden, zitiert die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" aus dem Schreiben. Um das System zu entlasten, habe man 2004 nicht mehr benötigte Daten auf einen "Datensicherungsroboter" übertragen. Dieser habe dann einen "technischen Defekt" gehabt, er "musste Ende 2004 durch ein Austauschgerät ersetzt werden". Dabei sei es nicht gelungen, die Daten zu übertragen. Die Bandkassetten seien nicht mehr lesbar gewesen und "entsprechend den gültigen Vorschriften zum Umgang mit Verschlusssachen wurden die nicht mehr lesbaren Kassetten am 4. Juli 2005 vernichtet", so der Staatssekretär in seinem Schreiben an den Verteidigungsausschuss.

Unsachgemäße Migration als Grund?

Diese Informationen sind allerdings irritierend. Ein Experte für robotergestützte Bandspeichersysteme sagte gegenüber der COMPUTERWOCHE, er könne die Erklärungen des Verteidigungsministeriums nicht nachvollziehen. Würde tatsächlich das eigentliche Robotersystem – das also Bandkassetten aus einer Bandbibliothek herausnimmt und in Laufwerke einlegt, von wo aus die Daten dann eingelesen werden können - selbst einen "technischen Defekt" erlitten haben, so sei es kein Problem, dieses auszutauschen. Er vermutet, dass die Bundeswehr eine Migration der Datenhaltungssysteme vorgenommen hat. Hierbei könne es in der Tat zu erheblichen Problemen insbesondere bei der zugrunde liegenden Software, dem Dokumenten-Management-System (DMS), kommen. Diese Software verwaltet sämtliche Daten eines IT-gestützten Archivsystems. Werde die Migration unsachgemäß realisiert, könne es unter anderem passieren, dass der Katalog eines Bandspeichersystems beschädigt wird. Der Katalog ist der Teil der DMS-Software, der genau festhält, an welcher Stelle sich welche Daten auf welcher Bandkassette befinden. Sind diese Informationen verloren, ist es ohne extrem großen Aufwand auch finanzieller Natur fast nicht möglich, Daten wieder zu finden. Große Bandbibliotheken von Robotersystemen können Zehntausende Kassetten umfassen.