Zwei schnelle Lagervarianten:Der Minicomputer "stapelt hoch"

04.02.1977

MÜNCHEN - "Opas Lager ist tot, es lebe das rechnergesteuerte Hochregallager" - ein Slogan, dessen Fürsprecher nicht nur in den Reihen der EDV-Hersteller zu finden sind, sondern bereits zahlreiche Anwender in der Praxis überzeugt hat.

Als Entscheidungshilfe für Unentschlossene beschreibt CW zwei weitere Lager - Rationalisierungsprojekte. Das "Eurostore", ein konventionelles und mit 32 000 Quadratmetern nicht einmal kleines Warenlager der Philips Gloeilampenfabrieken (Lighting Division, Eindhoven/Holland), platzte förmlich aus den Nähten. Der Grund: Nahezu 15 000 verschiedene Produkte von 20 Zulieferern müssen bis zu ihrer weiteren Verteilung an die Philips - Verkaufsniederlassungen in Europa und Übersee kurzfristig gelagert werden.

Bei der Suche nach geeigneten "Eurostore"-Erweiterungsmöglichkeiten ging dem Management des niederländischen Glühlampenkonzerns ein Licht auf.

Ein zusätzliches, rechnergesteuertes Hochregallager (HRL) in Roosendaal, nahe Eindhoven, mit einer Kapazität von 14 784 Palettenplätzen erschien als optimale Lösung. Die Realisierung des Projektes erforderte den Einsatz eines Prozeßrechners (als Leitzentrale) sowie sechs zusätzliche Kleincomputer zur Steuerung je eines Regalförderzeugs

Die Anwendersoftware (rund 60 Assembler-Programme) erstellte die PSI, Gesellschaft für Prozeßsteuerungs - und Informationssysteme mbH, Goldbach.

Entscheidung am I - Punkt

Und so funktioniert der Güterumschlag im HRL-Eurostore: Zunächst prüft das Lagerpersonal, ob die auf einer Palette gelieferte Ware vollständig ist, und überträgt die ladungsspezifischen Daten wie Artikelnummer, Anzahl der Kartons und Seriennummer auf Lochkarten.

Ein Horizontal - Fördersystem transportiert die Palette darauf zum Identifikationspunkt

(I-Punkt). Auf dem Weg dorthin passiert sie eine Profilkontrolle, die die Ladedimensionen mißt. Vom I - Punkt übermittelt ein Lesegerät die Lochkartendaten der Palettenladung dem Prozeßrechner, der nun Waren- und Profilkontrolldaten überprüft. Wird ein Fehler entdeckt, läuft die Palette zur Korrektur zurück. Ist sie o. k., wird sie eingelagert.

1800 Lageraufträge pro Tag

Der Philips - Rechner wählt nach vorgegebenen Kriterien (gleichmäßige Belegung, Verfügbarkeit von Transportmittel und Platz) eine von sechs Lagergassen aus. Erreicht die Palette auf dem Ein - /Auslager - Fördersystem die vorbestimmte Gasse, wird das Warenpaket eingeschleust und zum "Übernahmeplatz" transportiert. Daraufhin teilt der Prozeßrechner der Palette ein !freies Lagerfach zu und übergibt diese "Adresse" dem zuständigen Regalförderzeug (RFZ)-Rechner, der schließlich die Einlagerung der Ware durch das RFZ veranlaßt.

Bei der Herausnähme von Waren wird die Palette vom "Übernahmeplatz" nicht zum I - Punkt, sondern zu einem "Kontrollpunkt" transportiert und mit den erforderlichen Versandpapieren versehen. Das Philips-Hochregallager ermöglicht nach diesem System einen Durchlauf von maximal 1800 Paletten pro Acht - Stunden - Tag.

Ebenfalls vollautomatisch wird das Hochregallager der Thyssen-Plastik Anger in Burgen bei Straubing gesteuert. Für dieses Projekt lieferte die Krantz Computer GmbH & Co. KG (jetzt 100prozentige Tochtergesellschaft der Varian Associates Inc.) Prozeßrechnerhardware und Anwendersoftware. Die Munck GmbH, Passau, eine Spezialfirma für Fördertechnik, konstruierte das Lagersystem und entwickelte ein Interface, über das der Datenverkehr zwischen fünf Regallager-Förderfahrzeugen (pro Lagergasse eines) und dem Krantz-Rechner abgewickelt wird.

Die Ein-/Auslagerung im HRL von Thyssen-Plastik Anger vollzieht sich ähnlich wie in der Roosendaaler Anlage.

Terminal als "Kommando - Zentrale"

Die auf einer "Norm-Palette" ankommende Ware wird kontrolliert und - wenn ohne Beanstandung - zu einem "Identifikationspunkt" transportiert. Dort ist ein Terminal installiert, von dem aus eine Bedienungskraft das Lagersystem steuert: Dazu werden Lochkarten mit den Adressen freier Lagerplätze in ein Lesegerät eingegeben. Der Bediener muß nun den Auftrag durch Eingabe des Buchstabens "E" (Einlagerung) abschließen. Im Anschluß prüft der Computer den Auftrag auf formale und logische Korrektheit. (Existiert Adresse? Ist dieser Platz frei?) Bei positivem Ergebnis "übergibt" der Prozeßrechner die Lagerplatzadresse an das zuständige Förderfahrzeug, das schließlich automatisch die Einlagerung der Palette übernimmt und nach Erledigung des Auftrages eine "Fertig-Meldung" an den Mulby 3/10 sendet.

Das HRL-System bietet in seiner Grundausbaustufe - wie sie zur Zeit in Burgen realisiert ist - Platz für rund 6500 Paletten, verteilt über fünf Lagergassen. Es läßt sich auf insgesamt 7 Gassen (mit entsprechend mehr Palettenplätzen) erweitern.

Hardware des Projektes Roosendaal

Prozeßrechner Philips P855 mit 32 KB 16-Bit-Worten

2 Festkopfplatten a 250 KWorte

6 Ferranti Argus 600-Kleinrechner mit je 4KB

2 Fernschreibmaschinen

1 Magnetbandstation

15mal 16 digitale Eingaben

8mal 16 digitale Ausgaben

1 Lochstreifenleser/-stanzer

1 Schnelldrucker

Hardware des Projektes Burgen

Krantz-Prozeßrechner Mulby 3/10 mit 32KB

1 Bildschirmterminal

48 digitale Ein-/Ausgänge Munck-Interface

1 Lochkartenleser

1 Lochstreifenleser