"Wir zahlen den Dienstleister, dafür muss er den Kopf hinhalten"

Zwei mittelständische Schmieden loben das Application Service Providing

11.08.2000
DAS Application Service Providing, kurz ASP, ist derzeit ein beliebtes Schlagwort im IT-Markt. Den Beweis, dass diese Art von Outsourcing erfolgreich ist, treten seit einem Jahr zwei mittelständische Firmen aus dem Sauerland an. Ihre ERP-Anwendung "Pro Alpha" von der Pro Alpha Software AG, Weilerbach, läuft bei der Proheris GmbH, Iserlohn. Meinolf Droege* hat die Anwender befragt.

Die Schmiedebetriebe Kampwerk Vieregge und Rasche Umformtechnik aus Plettenberg sind 1999 auf Pro Alpha umgestiegen. Zugleich haben sie die gesamte Technologie und Systempflege an Proheris abgegeben. Auch die Systemwartung, Datensicherung, das Aufspielen von neuen Releases und Updates, die Datensicherung und Hotline liegen in der Hand des Providers.

Auf dem Arbeitsplatz-PC der beiden Firmen aus Plettenberg läuft nur noch die Systemoberfläche. Die gesamte Applikation befindet sich auf den Servern des Providers. Kampwerk Vieregge greift mit Hilfe von zwei ISDN-Leitungen, Rasche Umformtechnik mittels Standleitung auf die Anwendung zu. Dennoch stellen die Anwender in der täglichen Arbeit keinen Unterschied zwischen interner Lösung und ASP-Betrieb fest.

Die Idee, Anwendungssoftware quasi aus der Steckdose zu nutzen, ist vor allem für kleine und mittlere Unternehmen reizvoll. Sie müssen einerseits neue Software einsetzen, andererseits fehlen ihnen häufig die personellen und finanziellen Ressourcen, um die gesamten Informationsstrukturen ständig auf dem aktuellen Stand zu halten. Das ASP-Modell gewährt ihnen feste und langfristig kalkulierbare Kosten. Die Schmiedebetriebe zahlen eine monatliche Pauschale. Das gilt auch für Subsysteme wie die DFÜ-Kommunikation mit der Automobilindustrie.

Außerdem haben die Mittelständler die Reaktionszeiten bei Störungen vertraglich fixiert. Damit ist sichergestellt, dass Störungen innerhalb von zwei Stunden behoben werden. Für Unterbrechungen, die nicht von Proheris zu verantworten sind - im einfachsten Fall ein abgerissenes Netzwerkkabel oder ein blockierter Drucker - ist eine Schadensbehebung oder ein Austausch der Hardware innerhalb von zehn Stunden vereinbart. Axel Fernholz, Leiter der Arbeitsvorbereitung bei Rasche Umformtechnik, dazu: "Bisher waren die Fehler spätestens am nächsten Morgen behoben oder gewünschte Änderungen eingebaut."

Beide Unternehmen haben mit der Pro-Alpha-Einführung ihre betrieblichen Abläufe geändert. Da traf es sich gut, dass Proheris nicht nur als Provider tätig ist, sondern vor allem als Unternehmensberatung im Umfeld Fertigungstechnik und -organisation. Die neuen betrieblichen Strukturen genügen nach Aussagen des Proheris-Kunden nun den frisch definierten Anforderungen, lassen sich aber weitgehend mit dem Standard des ERP-Systems abdecken. Dabei konnte Rasche etwa 96 Prozent der alten Stammdaten konvertieren. Obwohl die Übernahme automatisiert erfolgte, kontrollierte das misstrauische Unternehmen den Erfolg nach und fand laut Fernholz "eine Reihe von nicht mehr benötigten Altdaten".

Die Einführung der neuen Software bei den Sauerländern und den ASP-Betrieb regeln drei getrennte Verträge: Der erste deckt die Vorarbeiten bis zur Einführung ab und der zweite den laufenden Betrieb. Die beiden Schmieden vereinbarten eine Laufzeit von drei Jahren. Da direkte Wettbewerber denselben Provider nutzen, liegt auch zum Mandantenschutz jeweils ein ausführliches Vertragswerk vor.

Für einen reibungslosen Service sorgt eine klare Definition dessen, was unter "Systemleistungen" zu verstehen ist, hält Kampwerk-Chef Kaspar Vieregge fest: "So gibt es zum Beispiel keine kleinlichen Diskussionen um Servicestunden oder Hotline." Fernholz, bei Rasche Umformtechnik zuständig für ASP, schlägt in dieselbe Kerbe: "Wir geben dem Dienstleister eine feste Summe für klar definierte Aufgaben. Dafür muss er aber auch den Kopf hinhalten." Der ASP-Kunde definiert etwa die Anforderungen an eine Personalzeit-Erfassung und gibt dafür eine Auswahl von Systemen vor. Wie der Provider diese an das ERP-System anbindet, die einzelnen Features moduliert und das System pflegt, sein ihm dann weitgehend egal, so Fernholz.

Auch für den Kampwerk-Chef "spricht nichts dafür, zu einer Inhouse-Installation zurückzukehren". Entscheidender Vorteil der ASP-Lösung ist laut Vieregge die Wirtschaftlichkeit: "Allein in der Einführungsphase hat uns das Outsourcing schätzungsweise 50 Prozent der Kosten eingespart." Darüber hinaus biete es sichere und bessere IT-Betreuung. Zudem scheitern, so Vieregge, die meisten Mittelständler daran, ausreichend qualifiziertes Personal für die permanente DV-Betreuung zu finden und zu halten.

Ähnlich argumentiert Fernholz vom Umformbetrieb: "Setzen wir auf ein solches ASP-Modell, brauchen wir keine leistungsfähigen Rechner, teuren Lizenzen für Betriebssysteme, und die Datensicherung mehr." Seine Firma gab für die Hardware von 20 Arbeitsplätzen rund 30 000 Mark aus. Daneben sei die Entlastung von fachfremden Aufgaben besonders wertvoll. "Die Auslagerung an einen ASP-Provider verschafft mir Luft. So kann ich mich um die Fertigungssteuerung kümmern. Auch die Vertriebsmitarbeiter hätten deutlich weniger interne Verwaltungstätigkeiten zu leisten und könnten sich daher verstärkt um die Vermarktung kümmern.

Obwohl die Plettenberger ihren ASP-Anbieter loben, stellen sie sich die Frage, was mit den Unternehmensdaten passiert, sollte der Provider vom Markt verschwinden, beispielsweise Konkurs anmelden. In einem solchen Fall greift bei beiden Unternehmen ein Abkommen mit ihrem Softwarelieferanten. Dieses ermöglicht eine kurzfristige Verlagerung der Anwendung in die eigene Firma.

* Meinolf Droege ist freier Journalist in Ingelheim.

Die PlettenbergerRund 50 Prozent seiner Produktion - Gesenkschmiedeteile aus verschiedenen Werkstoffen - liefert das Familienunternehmen Kampwerk Vieregge GmbH & Co. in den Fahrzeugbau. Darüber hinaus produzieren die etwa 200 Mitarbeiter für den Maschinen- und Anlagenbau, die Flugzeugindustrie und die Medizintechnik.

Der Fertigungsschwerpunkt der Rasche Umformtechnik GmbH & Co. KG liegt auf "warmumgeformten Schmiede- und Stauchteilen beliebiger Feingliedrigkeit". Die Kunden kommen zu knapp 40 Prozent aus der Pkw- und Lkw-Industrie. Weitere Abnehmerbranchen sind der Armaturenbau, die Baumaschinenindustrie und der Flugzeugbau.

Abb: Für den Zugriff auf die Applikation nutzen die Mittelständler Wähl- und Standleitungen, jedoch nicht das Internet. Quelle: Pro Alpha Software