KOLUMNE

Zwei in einem lecken Boot

23.07.1993

Ob mit der Software- und Service-Kooperation zwischen IBM und SAP einem "Draengen der Kunden" nachgegeben wurde, wie das frischgebackene Ehepaar vermitteln will, mag als Aperau fuer die Hochzeitszeitung interessant sein, als Beurteilungskriterium ist es ohne Belang. Gegen die Ueberlegenheit verteilter, vernetzter Systeme auf Basis etwa der Intel- oder der RISC-Technologie ist der Mainframe schon fast zum Symbol fuer den Untergang geworden - und die IBM faellt immer tiefer. Draengen: ja, aber aus einer ganz anderen Ecke und mit ganz anderen Motiven. Wie die IBM nicht am Mainframe festgehalten hat, um ihre loyalen 370-Kunden zu begluecken, sondern weil mit den Dickschiffen das meiste Geld verdient wurde, so geht es dem schwer angeschlagenen Unternehmen heute darum, noch das Beste aus der Situation zu machen.

Client-Server-Leichtboote: warum nicht, wenn sie sich wieder proprietaer gestalten lassen und die Margen stimmen? Parkschutz steht also fuer Big Blue im Vordergrund, nicht das Bekenntnis zu offenen Systemen. Hier treffen sich die Interessen der IBM mit denen der SAP. Aber sind die Walldorfer, ehemals als IBM-Zoeglinge Nutzniesser des 370-Booms, nicht laengst herausgetreten aus dem Schatten der Mainframes? An dieser Legende haben die SAP- Marketiers in den vergangenen zwei, drei Jahren fleissig gestrickt. Die These von der Mainframe-Abhaengigkeit, deren Folgen fuer die R/2-Entwickler erst jetzt, in der Rezession, spuerbar werden, ist dadurch nicht widerlegt.

Anders als IBM hat sich SAP freilich fruehzeitig um einen Ausgleich fuer zu erwartende Einbussen in ihrem Butter-und-Brot- Geschaeft bemueht. Doch mit der R/3-Software begeben sich die Walldorfer auf ein fuer sie ungewohntes Terrain: den Markt der mittelstaendischen Unternehmen. Hier gelten andere Regeln als im Mainframe-Business. SAP muss sich also auf ein Spiel mit ungewissem Ausgang einlassen - an einer Kannibalisierung der R/2-Basis durch R/3 kann SAP nicht gelegen sein.

Doch genau diese Entwicklung scheint einzutreten. Unproblematisch stellt sich die R/3-Einfuehrung wohl nur fuer diejenigen Anwender dar, die traditionell R/2 auf IBM-Mainframes einsetzen und nun auf die Hardware-unabhaengige Client-Server-Software migrieren wollen - wobei Kostenvorteile durch Downsizing das eigentliche Motiv darstellen. Der Saldo in diesem Geschaeft muss fuer SAP negativ sein, auch wenn dies die Umsatz- und Ertragszahlen noch nicht ausweisen. Womit wir wieder bei der IBM-SAP-Kooperation waeren: Es gibt Parallelen - und am Ende treffen sie sich doch. Fazit: Die Anwender draengen auf eine Erneuerung der DV - Daumendruecken fuer IBM und SAP eingeschlossen, doch ohne Loyalitaet bis zur Selbstaufgabe.