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ZVEI sieht noch keinen Aufschwung

19.08.2002

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie, kurz ZVEI, sieht in diesem Jahr noch keine nachhaltige Erholung. Die für das zweite Halbjahr erhoffte Stabilisierung sei nicht auf eine Konjunkturwende, sondern in erster Linie auf die schlechten Vergleichsmaßstäbe des Vorjahres zurückzuführen, teilt der Verband heute mit. Für das Gesamtjahr erwartet Hauptgeschäftsführer Gotthard Graß demnach einen Umsatzrückgang der Branche von vier Prozetn auf 154 Milliarden Euro. Außerdem befürchtet der ZVEI, dass die Zahl der Arbeitsplätze von 885.000 im April 2001 auf weniger als 840.000 sinkt.

Im ersten Kalenderhalbjahr seien die Einnahmen um 6,8 Prozent auf 74,7 Milliarden Euro zurückgegangen. Dabei habe sich das Auslandsgeschäft mit einem Minus von einem Prozent im zweiten Quartal stabilisiert. Im Inland sei dagegen bei einem Umsatzminus von 8,4 Prozent noch kein Ende der Talfahrt erkennbar gewesen. Die Zahl der Beschäftigten habe zu Ende Juni bei 845.000 gelegen, so der ZVEI weiter.

Weitere Freisetzungen und im laufenden Quartal den tiefsten Stand der Beschäftigung seit 40 Jahren lasse der "überzogene und nicht konjunkturgerechte" Tarifabschluss der Metall- und Elektroindustrie befürchten. "Wir bräuchten eigentlich eine Revision des gesamten Abschlusses oder zumindest der Erhöhung im nächsten Jahr", so Graß. Zeigen müsse sich zumindest, ob es die Gewerkschaft mit der erstmals vereinbarten Öffnungsklausel wirklich ernst meine.

Produktion sinkt um zehn Prozent

Noch stärker als die Einnahmen sei mit einem Minus von zehn Prozent im ersten Halbjahr 2002 die elektroindustrielle Produktion zurückgegangen, erklärt der ZVEI. Neben dem anhaltenden Strukturwandel hin zu mehr Software und Dienstleistungen deutet dies laut Graß auch auf geringere Lagerbestände hin. Es seien aber auch dauerhaft Kapazitäten vom Markt genommen worden. Die Kapazitätsauslastung sei deswegen innerhalb der vergangenen zwölf Monate nur von 82,3 auf 78,9 Prozent gesunken.

Hinsichtlich des künftigen Geschäfts zeichnet sich aus Sicht des ZVEI noch keine nachhaltige Verbesserung ab. Die Auftragseingänge lagen im zweiten Quartal um immer noch fünf Prozent unter Vorjahresniveau (nach minus elf Prozent im ersten Quartal). Das Neugeschäft werde sich im zweiten Halbjahr daher "bestenfalls auf die Null-Linie zubewegen", was aber insbesondere auf den scharfen Einbruch im dritten Quartal 2001 nach den Anschlägen vom 11. September zurückzuführen sei. Für die Inlandsumsätze und Beschäftigung seien noch keine Impulse erkennbar. "Erst im Verlauf des Jahres 2003 werden die Wachstumskräfte in der deutschen Elektrotechnik- und Elektronikindustrie wohl wieder auf breiter Front die Oberhand gewinnen", hofft Graß.

Der erhoffte Aufschwung in den USA sei bislang ebenso ausgeblieben wie eine Belebung der Nachfrage in anderen wichtigen Zielmärkten. Zudem habe sich die Hoffnung auf sinkende Energie- und Rohstoffpreise nicht erfüllt. Durch die Turbulenzen auf den Finanzmärkten und den schwachen Dollar seien zusätzliche Belastungen entstanden. Für Deutschland konstatiert Graß außerdem einen seit Beginn der 90er Jahre wachsenden Investitionsstau. Es müsse ein innovations- und investionsfreundliches Klima geschaffen werden. Von den Vorschlägen der Hartz-Kommission allein sei eine umfassende Trendwende wohl nicht zu erwarten, meint der ZVEI. Vielmehr seien umfassende Strukturreformen und konkrete Innovationsimpulse. Mögliche Ansatzpunkte sieht der Verband bei der Digitalisierung von Radio und Fernsehen, der Reform des Gesundheitswesens sowie der raschen Einführung von Telematiksystemen. (tc)