Unix-Einstieg über die Textsoftware:

Zusatzfunktionen sollen Käufer reizen

22.03.1985

MÜNCHEN (CW) - Der Markt für Textverarbeitungssoftware ist einer der dynamischsten Bereiche der Industrie. Es wurden mehr Textverarbeitungspakete als jede andere Art von Anwendungssoftware für den allgemeinen Gebrauch im Büro und zu Hause verkauft. Nach einer Studie des amerikanischen Marktforschungsinstitutes Yates Ventures bilden diese Anwendungen einen guten Einstieg in Unix-Anwendungen.

Die wachsende Bedeutung des Betriebssystems Unix von Bell Laboratories (AT&T) hat dazu geführt, daß führende Hersteller neue Systeme auf Unix-Basis auf den Markt gebracht haben. Hierzu gehören IBM, Hewlett-Packard, Digital Equipment, NCR, Tandy, Burroughs und Honeywell. Andere Hersteller von 16- und 32-Bit-Mehrplatzsystemen stützten sich von Anfang an auf den Unix-Standard, so Altos Computer Systems, Fortune Systems, Plexus Computer, Sun Microsystems und Pyramid Technology. Das Ringen von AT&T mit seinen Prozessoren auf Unix-Basis um einen großen Anteil am Bürosysteme-Markt bereichert den Konkurrenzkampf um eine weitere Dimension.

Die steigende Zahl bekannter Hardware-Firmen und neuer Computerhersteller, die Unix-Systeme für den allgemeinen Einsatz im Büro anbieten, schafft einen hohen Bedarf an Anwendungssoftware.

Eine kürzlich von Yates Ventures durchgeführte Studie über Unix-Textverarbeitungssoftware hat sich mit dem Marktpotential und den Software-Anbietern beschäftigt. Die Einnahmen der Anbieter aus Textverarbeitungspaketen beliefen sich 1983 auf 6,5 Millionen Dollar, was 12 000 verkauften Paketen in den USA entspricht, Der erwartete Erfolg von Hardware-Firmen, die Unix auf dem Mehrbenutzer-Markt für Büro-Anwendungen vertreiben und unterstützen, läßt die Prognosen für 1987 auf 145 000 Unix-Textverarbeitungspakete und Anbieter-Einnahmen von 65 Millionen Dollar hochschnellen.

1984 waren in den USA insgesamt 28 500 Einheiten installiert. Führend hierbei sind Fortune (29 Prozent), Tandy (22 Prozent), Quadratron (17 Prozent) und Horizon (13 Prozent). Die wichtigsten Vertriebskanäle für Unix-Software laufen über Hardware-Unternehmen mit Programmen von unabhängigen Softwarehäusern, Systemintegratoren und Software-Verlegern.

Bis 1987 sollen jährlich 341 000 Unix-Einheiten beim Benutzer installiert werden. Die Marktdurchdringung der Unix-Anlagen mit Textverarbeitung wird von 18 Prozent des Hardware-Verbrauchs im Jahre 1983 bis 1987 auf 42 Prozent steigen. Das Aufkommen von integrierten Paketen mit Textverarbeitung und anderen Anwendungen wie Grafik, Datenbank-Management und Kommunikation wird etwa 1986/87 einen Einfluß auf den Absatz unabhängiger Textverarbeitungssoftware haben.

Derzeit sind getrennte Unix-Textverarbeitungssysteme von 13 unabhängigen Softwareanbietern und drei Hardwareherstellern auf dem Markt, die eigene, geschätzte Programme anbieten. Sowohl bei der installierten Stückzahl als auch den Einnahmen führen zwei Hardwareunternehmen - Fortune und Tandy - den Markt an. Fortune hat entsprechend der Studie die höchste Marktdurchdringung von Hardware mit Textverarbeitung erreicht: 97 Prozent der Hardware wird mit Fortune: Word oder Extended Fortune: Word ausgeliefert. Scripsit 16 von Tandy gilt in den Augen der meisten Wettbewerber nicht als wirtschaftlich überlebensfähiges Textverarbeitungsprodukt, hat aber gute Umsätze bei Benutzern des Tandy-Radio Shack Modell 16 erzielt.

Computer Methods brachte als erstes unabhängiges Software-Unternehmen ein Unix-Textverarbeitungspaket auf den Markt. Die ersten Erfolge gründen sich auf Verkäufe an Regierungsbehörden und den internationalen Markt.

Sowohl von den 1984 installierten Einheiten als auch vom Wert her rangiert Computer Methods durch den weltweiten Verkauf von XED an erster Stelle bei den unabhängigen Anbietern. Das 1983 gegründete Unternehmen Quadraton Software konnte den größten Marketing-Erfolg für sich verbuchen. Durch Lizenzverträge mit zahlreichen Hardwareherstellern konnte Quadraton im ersten Geschäftsjahr einen Marktanteil von 17 Prozent der installierten Einheiten und einen Einnahmeanteil von acht Prozent erringen.

Horizon Software erzielte 1984 einen Marktanteil von 13 Prozent der ausgelieferten Einheiten und einen Umsatzanteil von drei Prozent; inzwischen hat das Unternehmen das dedizierte Textverarbeitungspaket aufgegeben und konzentriert sich jetzt auf Komplettpakete mit Textverarbeitung und Kalkulationsblatt. Aufgrund der höheren Preise von Textverarbeitungsprodukten auf Minicomputern erzielte Mark Software durch den Verkauf von Programmen für VAX-Systeme von DEC sowie für Pyramid-Anlagen einen Einnahmeanteil von sechs Prozent.

Um den Erfolg und die Akzeptanz auf dem schwierigen und anspruchsvollen Verbrauchermarkt zu verbessern, haben die meisten Entwickler von Unix-Textverarbeitungspaketen eine Reihe zusätzlicher Funktionen in ihre Produkte eingearbeitet. Rechtschreib-Prüfprogramme, Makros, Menü-Unterdrückung, Bibliothek mit gespeicherten Ausdrücken, automatische Erstellung eines Index oder Inhaltsverzeichnisses und Druck-Mischfunktionen findet man in den meisten Paketen. Einige Programme umfassen auch aufwendigere Merkmale wie Rechenfunktionen, Kolonnenrechnen, Fenster, Sortieren sowie Anzeige griechischer und wissenschaftlicher Symbole.

Die Softwarepreise der meisten Unternehmen richten sich eher nach der Systemgröße als nach den verfügbaren Leistungsmerkmalen. Die Endverbraucherpreise reichen von 495 Dollar auf einem System Motorola/Four-Phase bis zu 8900 Dollar auf einem VAX-Spitzensystem von Digital Equipment. Bedenkt man, daß die Produkte für den Betrieb auf Mehrplatzsystemen bestimmt sind, so ergeben sich durchschnittliche Kosten pro Arbeitsplatz von unter 100 Dollar.

Die Verfügbarkeit von Textverarbeitungsprodukten auf Unix-Hardware ist kein so großes Problem mehr. Die meisten Softwarehäuser bieten Versionen für Systeme verschiedener Hersteller an oder arbeiten an neuen Anschlußmöglichkeiten. Die Benutzer können, zwischen vielen Produkten für Systeme von NCR, DEC, Plexus, Altos, IBM PC/ XT und Intel wählen. Innerhalb dieses Jahres wird es mit der Vorstellung neuer Produkte auch mehr Auswahl für Systeme von AT&T geben.