The Waves of Change

Zur Situation in Europa

07.07.1978

Selbstverständlich ist bei einer Analyse der weltweiten EDV-Budgetentwicklung die wirtschaftliche Situation in den europäischen Ländern mitzuberücksichtigen. Hier zeichnet sich bei steigenden Inflationsraten ein Rückgang der DV-Kosten ab.

Interessant sind dabei die großen Unterschiede bei den EDV-lnvestitionen in den einzelnen Ländern Auf einer Univac-Präsentation in Paris wurden zu diesem Thema folgende Zahlen genannt: Während sich in den USA pro Einwohner ein durchschnittlicher Installationswert von 189 Dollar errechnet, sind es in Frankreich und England 91 beziehungsweise 70 Dollar. Italien und Spanien weisen mit Abstand die niedrigsten Installationswerte auf: Hier ergibt sich pro Einwohner ein Installationswert von 30 beziehungsweise 28 Dollar. Die beiden letzten Zahlen machen deutlich, warum die Anbieter auf den italienischen und spanischen DV-Märkten selbst in den Rezessionsjahren 1974/75 überdurchschnittliche Ergebnisse erzielen konnten.

Univac zufolge werden die europäischen Anwender ihre DV-Ausgaben bis 1980 verdoppeln und insgesamt 40 Milliarden Dollar für Computerausrüstungen aufwenden. Die Steigerungsraten werden dabei je nach Produktgruppen unterschiedlich veranschlagt. Während man bei Universalrechnern bis 1980 mit einem Rückgang von 30 auf 22 Prozent rechnet, erwartet man bei Terminalprodukten einen kräftigen Anstieg auf 18 Prozent des DV-Budgets (1975 waren es noch 10 Prozent). Auch bei Datenkommunikationssystemen werden die Investitionen ansteigen und von bisher 11 Prozent auf 13 Prozent zunehmen.

Die Aufwendungen für zentrale DV-Ausrüstungen dürften in den nächsten Jahren langsamer wachsen als die DV-Gesamtausgaben, und nach 1980 möglicherweise sogar eine rückläufige Tendenz aufweisen. Die DV-Gesamtausgaben werden jedoch auch weiterhin ansteigen. Die Einbußen bei den zentralen Systemen dürften vor allem auf die neuen Einsatzmöglichkeiten der Mini- und Mikrocomputer zurückzuführen sein.

Prioritäten

Zusammenfassend stellt sich folgende Situation dar: Die Personalausgaben werden aufgrund der inflationären Entwicklung in vielen Ländern weiterhin ansteigen. Datenkommunikationssysteme (Terminals, Modems, Multiplexer, Konzentratoren etc.) bilden im DV-Budget des Anwenders einen zumindest wichtigen Posten. Auch für Softwareentwicklung, Wartung und Service sind immer größere Aufwendungen erforderlich. Dem gegenüber steht immer ein rapider Rückgang der Ausgaben bei der Hardware. Diese Entwicklung wird für viele Anwender nicht ohne Folgen bleiben: Hersteller, die sich nicht rechtzeitig auf die neue Situation einstellen, müssen damit rechnen, daß sie schon Anfang der achtziger Jahre nicht mehr mit von der Partie sind. Viele Hersteller werden daher ihre Forschungs- und Entwicklungsprioritäten nochmals überprüfen müssen. Dabei ist zu klaren, ob Marktsegment und Produktangebot den realen Möglichkeiten des Herstellers optimal entsprechen.

Innovationsfreudige Hersteller müssen sich etwas einfallen lassen um die ständig wachsenden Aufwendungen für Personal, Softwarewartung und Datenkommunikation in den Griff zu bekommen. Hier bietet sich die Möglichkeit an, personalintensive Aufgaben wie Bedienerschulung durch die Integration spezieller Hard-, Soft- und Firmwarefunktionen den DV-Systemen selbst zu übertragen.

In diesem Zusammenhang kommen wir nochmals auf ein Problem zu sprechen, auf das bereits in einem früheren Kapitel hingewiesen wurde: Es hat wenig Sinn, einfach Computer mit immer größeren Kapazitäten zu bauen. Eine solche Strategie wird letzten Endes an den realen Bedürfnissen des Anwenders vorbeigehen. Konzentriert zum Beispiel ein Hersteller seine begrenzten Forschungsmittel auf die Entwicklung von "zahlenfressenden Jumbos", so kann es ihm passieren, daß er für die Realisierung von Projekten auf interessanten Wachstumsmärkten wie Terminals, Datenkommunikationsprozessoren, Netzwerksysteme etc. keine Ressourcen mehr hat.

In den ständig wachsenden Planungs- und Entwicklungsausgaben der Anwender kommen möglicherweise auch die Mehraufwendungen für Anwendungssoftware zum Ausdruck. Der Investitionsrückgang auf der Hardwareseite dürfte zum einen auf den anhaltenden Preisverfall bei Hardwarekomponenten und zum anderen auf das wachsende Interesse an preisgünstigen Rechnern der unteren Leistungsklasse zurückzuführen sein. Hier sind vor allem die Minicomputer und intelligenten Terminals zu nennen.

Es scheint, als ob der Markt für Groß- und Mittelklasserechner, wie wir sie heute kennen, bereits um die Mitte der achtziger Jahre gesättigt sein wird. Hierbei dürfen wir aber nicht vergessen, daß sich die Begriffe "Großcomputer" und "Mitarbeitklasserechner" bis zu diesem Zeitpunkt aufgrund der technischen Entwicklung stark verändert haben dürften.

Die IBM-Ankündigung des Modells 3033 allerdings scheint diesem Trend eher zu widersprechen. Bei einem um 30 Prozent niedrigeren Preis bringt das Modell 3033 genau 1,7mal soviel Leistung wie das System 168-3. Dies entspricht einer Verbesserung des Preis/Leistungsverhältnisses um 240 Prozent. Wenn IBM bis 1980 2000 Systeme vom Typ 3033 verkauft, dann kommt ein Leistungspotential von insgesamt 8 Milliarden Instruktionen/Sekunde (2000 x 4 Millionen Instruktionen/Sekunde) auf den Markt.

Man muß sich fragen, ob der IBM-Kunde diese enormen Rechnerkapazitäten überhaupt nutzen kann. Angesichts der neuen Datenbanksysteme und Datenkommunikationsanwendungen Anfang der achtziger Jahre ist damit kaum zu rechnen.

AT&T hat sich bereit erklärt, mit der Abnahme, von 85 Modellen 3033 bei IBM auszuhelfen - ein nicht alltäglicher, aber auch nicht ganz überraschender Vorgang. Eine bindende Zusage von AT&T liegt aller dings nicht vor.

Charles P. Lecht ist Gründer und Vorsitzender der Advanced Computer Techniques Corporation (ACT). Übersetzung: Reinhold Falkner. Wird fortgesetzt