Ricke fordert Privatisierung des Carriers wegen hohem FuE-Aufwand

Zur CeBIT will die Telekom den Regelbetrieb von Modacom starten

26.02.1993

Der juengste Spross der Mobilfunkfamilie, Modacom, ist laut Telekom fuer die mobile vorzugsweise gewerbliche Datenkommunikation konzipiert. Typische Einsatzbereiche sieht der Bonner Carrier im Bereich der Transportwirtschaft fuer das Flotten-Management und das Warenverteilsystem sowie zur Steuerung des Vertriebs und der Service-Aussendienstmitarbeiter.

Die Daten werden via Funkterminal an bestehende X.25-Netze weitergeleitet. Da noch kein internationaler Standard vorliege, werde das Modacom-Netz, so die Telekom, auf der Basis eines Firmenstandards von Motorola errichtet. Dessen Protokoll sei jedoch weltweit offengelegt, so dass die freizuegige Nutzung durch jeden Endgeraete- und Software-Anbieter gewaehrleistet sei.

Datex-M in Muenchen und Stuttgart verfuegbar

Das Funkterminal wird im Rahmen eines Pilotprojekts seit Februar 1992 im Rhein/Ruhr-Gebiet getestet und soll voraussichtlich zur CeBIT in den Regelbetrieb gehen. Bis Ende 1993 wollen die Bonner Modacom in acht weiteren Wirtschaftsraeumen der Bundesrepublik anbieten.

Mit neuen Diensten und groesserem Serviceangebot will Helmut Ricke, Vorstandsvorsitzender der Telekom, die "Innovations-Lokomotive" Telekom im haerter werdenden Wettbewerb weiter unter Dampf halten. Mit stuermischem Wachstum rechnet Ricke vor allem in den Sparten Mobilfunk, Sprachmehrwertdienste und Datennetze. Fuer den Bereich der Datennetze kuendigte der Bonner Riese die sofortige Verfuegbarkeit von Datex-M in Muenchen und Stuttgart an (siehe CW Nr. 8 vom 19. Februar 1993, Seite 21).

Fuer das vermittelte Breitbandnetz (VBN), ein Glasfasernetz, das alle grossen Staedte Deutschlands mit einer Uebertragungsrate von 140 Mbit/s verbindet, stellte der Bonner Carrier in Muenchen den ersten "HDTV-Teilband-Codec" vor. Der an die kuenftigen Uebertragungsverfahren ATM und SDH angepasste Codec reduziert die Datenrate eines HDTV-Bildes von 1152 Mbit/s auf 140 Mbit/s. Damit koennen beispielsweise Videokonferenzen in HDTV-Qualitaet gefuehrt oder hochaufloesende Graphikvorlagen uebertragen werden.

Mit Blick auf diese Innovationen betonte Ricke erneut die Leitfunktion der Telekom, schraenkte aber ein, dass das Unternehmen seinen Beitrag kuenftig nur leisten koenne, wenn es einen groesseren unternehmerischen Handlungsspielraum gewinne.

Gerade bei steigenden FuE-Aufwendungen, verbunden mit dem Dahinschwinden geschuetzter Marktsegmente, muesste dem Carrier die Moeglichkeit gegeben werden, sich neues Kapital auf dem freien Markt zu besorgen.

Ricke, der den moeglichen Boersenwert einer privatisierten Telekom zwischen 40 und 80 Milliarden Mark einschaetzt, forderte vor der internationalen Presse in Muenchen erneut die Umwandlung der Telekom in eine Aktiengesellschaft. Nur so, vom oeffentlichen Dienstrecht befreit, koenne das Unternehmen im internationalen Wettbewerb bestehen.

An die Politiker appellierte Ricke, nicht zu lange zu warten, da das "Zeitfenster fuer die Postreform II kleiner werde".