Scalability Day sollte Fanal-Wirkung zeigen

Zumindest auf Demo-Ebene spielt Microsoft in der Mainframe-Liga

30.05.1997

In New York demonstrierte Bill Gates, daß sein Unternehmen allen Unkenrufen zum Trotz die Palette der Anwendungsprofile vom Palmtop bis zum Großrechner abdecken kann. Vorgeführt wurden Features wie Skalierbarkeit etwa durch Clustertechnik, Hochgeschwindigkeitstransaktionen, Hochverfügbarkeit, Massentransaktionen, ein Datenbank-Prototyp mit besonders großem Speicher (Very Large Memory) für 64-Bit-Architekturen und der Fähigkeit, Daten im Terabyte-Bereich zu verarbeiten (siehe unten).

Auch wenn einige Kritiker insbesondere aus Kreisen der Konkurrenz an der Übertragbarkeit der Technologiedemonstrationen in den User-Alltag zweifeln, so wurde doch deutlich, daß gerade auch die klassischen Unix-Anbieter sich immer mehr an Windows NT orientieren. So stellten Data General, Tandem und Unisys acht- bis 24-Prozessor-Systeme für das Microsoft-Betriebssystem vor. Auch Softwarehäuser wie Baan, Peoplesoft und SAS Insti- tute beteiligten sich an der Marketing-Show. "Wir sind eines Geistes", stellte SAPs Technologie-Marketier Günther Tolkmit sein Unternehmen sogar auf dieselbe Stufe mit der Gates-Company.

Bill Gates maß seine Softwareprodukte einzig an den Leistungsdaten von Sun Microsystems. Seine Palette, so das wenig überraschende Ergebnis, sei in jedem Fall besser. Ernsthaften Widerspruch erntete er auf dieser Veranstaltung kaum. Dabei hatte er selbst erst vor wenigen Tagen gegenüber dem Wirtschaftsmagazin "Fortune" gesagt, bei der Eroberung der Unternehmens-DV sei noch eine Reihe ernsthafter technischer Probleme aus dem Weg zu räumen. Man werde noch "lange Zeit brauchen - aber wir sind geduldige Leute."

Microsofts Demonstrationen im einzelnen:

-Hochverfügbarkeit zeigte das Unternehmen anhand eines Clusters aus zwei NT-Servern von Tandem, wobei auf einem SAPs R/3, auf dem anderen die SQL-Server-Datenbank von Microsoft lief. Bei den geplanten und spontanen Rechnerabschaltungen gelang es den simulierten Auftragseingang trotzdem korrekt zu bearbeiten. Mittels der Monitoring-Technik "Microsoft Cluster Server" ließ sich die Anwendung auf dem ausgefallenen Server nach weniger als einer halben Minute neu starten. Außerdem wurde gezeigt, wie ein Server die Aufgabe des anderen automatisch binnen 15 Sekunden nach Absturz seines Pendants übernehmen kann.

-Massentransaktionen führte Compaq mit Hilfe eines raumfüllenden Rechenzentrums von 20 NT-Servern vor, die jeder mit vier Prozessoren und einem Hauptspeicher von 512 MB bestückt waren. Hinzu kamen 40 Festplattenlaufwerke. Zusammen mit den Microsoft-Produkten Windows NT 4.0, SQL-Server 6.5 und dem "Distributed Transaction Coordinator" wurden von 20 weiteren PCs die Last von einer Milliarde Benutzer von Geldautomaten nachgestellt und eine Rate von mehr als einer Milliarde Transaktionen pro Tag erreicht.

-Massenhafter Nachrichtenaustausch, nämlich die Bearbeitung von über einer Million Messages von rund 50000 Anwendern an einem Tag, wurde dem E-Mail-System "Exchange Server" zugemutet. Dafür standen ein Alpha-Server von Digital Equipment mit vier Prozessoren und einem GB Hauptspeicher, sowie zwanzig "Celebris"-PCs vom selben Hersteller mit jeweils 96 MB RAM zur Verfügung.

-64-Bit-Datenbank-Leistung zeigte Microsoft mit Hilfe einer Data-Warehouse-Anwendung für die noch in der Entwicklung befindliche "Sphinx"-Datenbank für Very Large Memory, wie sie auf 64-Bit-Rechnerarchitekturen zum Einsatz kommen können. Das Ergebnis einer Abfrage konnte aufgrund der großen Kapazität auf einmal in den Speicher geladen werden, während das Vergleichssystem dreimal nachladen mußte, was der Very-Large-Memory-Datenbank einen 17fachen Zeitvorsprung einbrachte.

-Ein Terabyte Daten via Web bietet der von Microsoft und Digital konfigurierte "Terra-Server". Via Web ließen sich von dort über ein gängiges Modem (28800 Baud) binnen zehn Sekunden Satellitenfotos aus einem drei Terabyte großen Bildarchiv abrufen. Zum Einsatz kamen von Microsoft NT 4.0, Sphinx, der Transaction- und der Site Server.

-Eine Hochgeschwindigkeitstransaktion aus dem Versicherungsbereich wurde mit dem Mainframe-Spezialisten Amdahl simuliert. Bei der CICS-Transaktion kamen von Microsoft die Datenbank SQL-Server 3.0, das Netzprodukt "SNA-Server", der neue "Transaction Server" sowie eine extra dazu entwickelte Software mit der Bezeichnung "Cedar" zum Einsatz. Amdahl lieferte den NT-Server (Typ "Envista"), einen Gateway-Server, die Kanalschnittstelle "Escon" und den Millennium-Großrechner.

Außerdem wurde die Server-Suite "Back Office Server 4.0, Enterprise Edition" angekündigt. Zu den wichtigsten Neuerungen gehört, daß die Betriebssystem-Komponenten "NT Server 4.0, Enterprise Edition", acht symmetrische Multiprozessoren unterstützt und den unter der Bezeichnung Viper entwickelten "Transaction Server" enthält.

Paarlauf der Eitelkeiten

Trotz sinkender Einnahmen und drastischer Sparkur scheint Novell noch nicht ganz der Kampfgeist verlassen zu haben. So ließ es sich CEO Eric Schmidt nicht nehmen, im New Yorker Guggenheim-Museum einen Tag vor dem groß angekündigten "Scalability Day" der Gates-Company eine Gegenveranstaltung zu organisieren. Während Erzrivale Microsoft mit seinem NT den Middleware-Bereich entdeckt, erfanden die Netzwerker für sich gleich ein neues DV-Segment: Sie unterstützen künftig "Middle-Layer-Services". Darunter versteht Novell-Boß Schmidt Werkzeuge, die es den Anwendern erlauben, Applikationen im Internet sicher, skalierbar einzusetzen und einfach zu verwalten. Neben den bereits bekannten Novell Replication Services stellte Schmidt hierzu in New York das Software-Bundle "Border Manager" vor. Dieses entpuppte sich bei näherem Hinsehen jedoch als alter Bekannter: In den letzten Monaten hatte Novell diese Technologie bereits als "Border Services" beworben.