Zum Projekterfolg in sieben Kommunikationsschritten

02.01.2013
Vom Lehrer über Ärzte und Betreuer bis zum Fertigungsleiter - wie die Evangelische Stiftung Alsterdorf den Rollout einer vereinheitlichten IT kommunizierte.

Auf welche Weise sich Heterogenität in der IT überwinden lässt, hat die Evangelische Stiftung Alsterdorf (ESA) vorgemacht. Der Komplexanbieter in der Sozialwirtschaft mit 150 Standorten in Norddeutschland, 15 Tochtergesellschaften und mehr als 60 unterschiedlichen Gewerben stellte seine IT auf ganz neue Beine (siehe Kasten "Flexible Kosten durch standardisierte Services"). Heute ist die IT der Einrichtung modernisiert und standardisiert. Der Schlüssel zum Erfolg lag dabei weniger in der IT als in der Kommunikation. Hier ein Überblick über die wichtigsten Schritte und Maßnahmen:

1. Ein Kommunikationskonzept, das alle abholt: In den Aufgabenfeldern der ESA - Assistenz, Arbeit, Medizin, Bildung, Beratung, Pflege, Familien-, Kinder- und Jugendhilfe - arbeiten viele Berufsgruppen: Sozialpädagogen, Lehrkräfte, Ärzte und Pfleger, aber auch Fertigungsleiter und Kaufleute. Der Grad der IT-Affinität ist ebenso unterschiedlich wie die Nutzungsintensität. Oft unterscheiden sich auch die Begriffe, die für ein und denselben Prozess verwendet werden. Und genauso heterogen ist die Terminologie: Im Krankenhaus wird der "Schüler" der Bildungseinrichtung zum "Patienten" und beim Therapeuten zum "Klienten". Das ist nicht nur für die Steuerung der IT eine Herausforderung. Wenn man im Rahmen einer IT-Migration alle Betroffenen einbeziehen will, ergibt sich hieraus eine hochdiffizile Kommunikationsaufgabe. Wichtig war deshalb:

• Der ESA-Vorstand unterstützte das Projekt, und alle Geschäftsführer waren von Anfang an mit im Boot. Stakeholder vor Ort erwiesen sich als Botschafter und Multiplikatoren für Projektinformationen. Wer in einem solchen Projekt viele IT-Bälle in der Luft hält, braucht Top-down-Unterstützung und gleichzeitig Verhandlungsgeschick.

• Die Geschäftsführer benannten für ihre Tochtergesellschaft einen IT-Koordinator, der die Kommunikationsbrücke von der IT zu den Mitarbeitern vor Ort bildete. Er half, in den Kommunikationsmedien den richtigen Ton zu treffen. Nebenbei lässt sich dieser Job nur bedingt erledigen. Konkurrierende Ressourcenanforderungen sind deshalb unbedingt auszuschließen.

2. Branding wie im Vertrieb: Wer nur vom IT-Projekt redet, erhält nicht die Aufmerksamkeit, die Change-Projekte brauchen. Lernen wir von anderen Branchen: Je länger ein Projekt dauert, umso wichtiger ist das Branding. Genauso der Spannungsbogen: Wer neue IT ankündigt und dann "ewig nichts von sich hören lässt", verliert die Zugkraft. Das Etikett "moveIT" war bei der ESA überall dort zu sehen, wo IT drin war: auf Infoblättern und Portalen, E-Mails und Präsentationen.

3. Kommunikation planen bis ins kleinste Detail: Während der Bestandsaufnahme wurde klar, dass der Informationsbedarf der Mitarbeiter an den Standorten wesentlich größer war als ursprünglich angenommen. Es begann die Schritt-für-Schritt-Aufklärung aller Betroffenen. Ausgabe eins des Newsletters stellte das Projekt in Gänze vor - mit der konkreten Benennung von Maßnahmen und Vorteilen. Das Handout für die erforderlichen Infrastruktur-Maßnahmen am Standort gab konkrete Anweisungen. Das Rollout-Infoblatt enthielt Tipps wie "Speichern Sie Ihre Signaturen und persönlichen Verteilerlisten" sowie Ratschläge, beispielsweise zur umweltfreundlichen Entsorgung von Druckerkartuschen.

4. Zielgruppengerecht auf allen Kanälen: Das persönliche Gespräch ist die bes-te Form der Kommunikation, aber schriftliche Informationen sind jederzeit aufrufbar und nachlesbar. Bei der ESA wurde E-Mail genauso genutzt wie Infoblätter für Anwender und Specials für verschiedene Zielgruppen (IT-Koordinatoren, Key-User, Standortverantwortliche), Checklisten aus Anwendersicht sowie Aushänge und Handouts. Wichtig war das ITK-Service-Portal, das zielgruppengerechte Antworten zu den meistgestellten Fragen bereithielt und immer noch hält. Im laufenden Betrieb bekommt der Nutzer Informationen durch den Webshop - beispielsweise eine Übersicht, welche Services für ihn verfügbar sind, welche Berechtigungen er hat, was er bestellt hat und was ein Service kostet. Denn wer beim Servicekatalog und Bestellportal vorher gut überlegt, erspart sich spätere Kommunikationsstörungen und Unzufriedenheit.

5. Transparenz - auch wenns heikel wird: Wer die Mitarbeiter ernst nimmt, wird auch mit schlechten Informationen nicht hinter dem Berg halten; sonst multipliziert der Flurfunk Gerüchte. Bei ESA resümierte das Infoblatt die Erfahrungen der ersten vier Wochen nach dem Rollout. Schonungslos wurde aufgelistet, was nicht funktionierte: falsch dimensionierte Telefonanlagen, Baumaßnahmen noch nicht abgeschlossen etc. Gleichzeitig wurden Maßnahmen aufgeführt, die konstruktive Auswege zeigten - begleitet von der Bitte um Verständnis. Wichtig ist dabei: Mitteilungen ohne Erklärung verärgern die Leser. Die heutigen Statusmeldungen bei Störungen im Produktivbetrieb sind die Fortsetzung dieser Informationspolitik.

6. Akzeptanz ruht auf mehreren Säulen: Die Einbeziehung der Mitarbeiter darf nach der Einführung nicht enden. Niemand kann wirklich gezwungen werden, zur Schulung zu kommen. Deshalb sind attraktive Info-Shows ein Magnet. Das Hilfsangebot des Servicedesk sollte offensiv sein. Eine Abnahme der persönlichen IT-Hardware und Services mit "Brief und Siegel" fördert das Verantwortungsbewusstsein und trägt dazu bei, Daten zu Person, Rolle und Standort aktuell zu halten.

7. Zielgerichtete Kommunikation durch Standardisierung: Die Standardisierung von IT-Services und IT-Prozessen hat bei der ESA den Grundstein für Governance und Compliance gelegt. Ein Webshop wurde eingerichtet, der Bestellvorgänge dokumentiert und im Genehmigungsverfahren das Vier-Augen-Prinzip anwendet. Change- und Service-Request-Management bedeuten ebenfalls ständige Kommunikationsaufgaben. Deshalb gilt: Wer den Erfolg des IT-Projekts auf Dauer verankern will, installiert die Kommunikation als standardisierten Prozess.

Als Fazit lässt sich festhalten: Kommunikation war und ist der kritische Erfolgsfaktor für das Projekt - um zu informieren, zu motivieren sowie Konfliktsituationen (basierend auf Missverständnissen) frühzeitig aufzuspüren und im Anfangsstadium zu beseitigen. (qua)

Flexible Kosten durch standardisierte Services

- Die IT-Situation der Evangelischen Stiftung Alsterdorf (ESA) war 2009 gekennzeichnet durch eine Mischung aus Outsourcing und Eigenbetrieb, durch eine heterogene IT-Landschaft und durch hohe jährliche Steigerungen der IT-Kosten.

- Mehr als 3500 Softwarepakete - versionsbereinigt immerhin noch 800 - waren damals installiert. Nach dem Projekt "moveIT" sind es gerade noch 151.

- Vorangegangen war eine Analyse der bestehenden Outsourcing-Verträge beziehungsweise ein Benchmark durch das Beratungsunternehmen Insentis.

- Sie ergab: Der Vertrag mit dem Dienstleister, der die 15 Tochtergesellschaften mit rund 60 verschiedenen "Gewerben" betreute, enthielt kaum Steuerungsmechanismen, also keine Service- oder IT-Governance-Prozesse oder SLAs.

- Die Autoren dieses Beitrags entwickelten daraufhin ein Konzept für einen Grüne-Wiese-Ansatz, genauer: ein Transitionsprojekt, das den radikalen Umstieg auf standardisierte IT (Applikations-Server, Netze, Telefonie und Desktops) sowie IT-Service-Prozesse im gesamten Unternehmensverbund zum Ziel hatte - in Kooperation mit dem Outsourcing-Partner.

- Eine Herausforderung war die Konzeption und Implementierung der internen und externen IT-Serviceprozesse als Grundlage von ITIL V3.

- Herausgekommen ist ein flexibler und belastbarer IT-Betrieb mit Servicekatalog im Webshop, standardisierter Servicebereitstellung und Kostentransparenz auf Basis von Kennzahlen und Reports. Über das Preismodell (pro Server-Instanz, Endgerät und Standortanbindung) sind die IT-Kosten skalierbar und passen sich den Anforderungen des Unternehmensverbunds an.

- Eine besonders wichtige Rolle kommt der neuen IT-Governance-Organisation zu. Sie formalisiert die Entscheidungs- und Kommunikationsprozesse und trägt damit nachhaltig zur Qualität der Serviceerbringung und zur Wirtschaftlichkeit der beauftragten IT-Services bei.

- Der Schlüssel zum Projekterfolg ist nach Ansicht der Autoren - und wie im Beitrag begründet - die durch IT-Standardisierung und IT-Governance formalisierte und zielgerichtete Kommunikation.