Siemens-Forschung im Licht- und im Kommunikationslabor:

Zum guten Menü die passende Beleuchtung

18.02.1983

In den letzten Jahren hat sich der Schwerpunkt der Forschungsarbeiten bei der Fachabteilung "Ergonomie" der Siemens AG Erlangen mehr und mehr auf. Die Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen verlagert. Der Elektrokonzern verfolgt dabei verschiedene Ziele: Vorrangig geht es darum, die mit DV-Anlagen ausgestatteten Arbeitsplätze ergonomisch so zu gestalten, daß ein Höchstmaß an Effektivität erreicht werden kann. Daneben sollen die Forschungsergebnisse - entweder in Form von neugewonnenen Erfahrungswerten oder als Produktentwicklung - möglichst lukrativ für das Unternehmen sein und der Allgemeinheit dienen.

Aus der Fülle der unterschiedlichen Forschungsarbeiten rund um den Bildschirmarbeitsplatz sollen hier einige erfolgreiche Projekte herausgegriffen und vorgestellt werden.

Seit etwa fünf Jahren arbeitet man im Lichtlabor an der Untersuchung von Problemen, die sich aus den neuartigen Arbeitsbedingungen bei Datensichtgeräten ergeben. Da ist zum einen die Frage, wieviel Licht es in einem Raum geben muß, in dem fast ausschließlich mit Bildschirmen gearbeitet wird. Beinahe noch wichtiger ist, wie sich störende Spiegelungen auf den Bildschirmen vermeiden lassen.

Die Versuche mit einer Reihe von Testpersonen ergaben zum Beispiel daß der günstigste Helligkeitsgrad einer allgemeinen horizontalen Beleuchtungsstärke zwischen 300 und 500 Lux liegt. Das gilt für alle Bildschirmbenutzer, die mit Papierbelegen arbeiten. Wird, was allerdings selten vorkommt, ohne Belege am Bildschirm gearbeitet, ist eine Beleuchtung von 200 Lux bereits völlig ausreichend.

Die spiegelnde Bildröhre, Ermüdungs- und Störfaktor Nummer eins am Arbeitsplatz, wurde mit verschiedenen Filtern getestet. Dabei hat sich der von Siemens entwickelte Micro-Mesh-Filter als gute Lösung erwiesen. Bei diesem Filter, der aus feinmaschigem dunklen Gewebe besteht, wird die gerichtete Reflektion zum Teil in gestreute Reflektion umgewandelt. Der Filter liegt plan auf der Bildröhre auf und löst sich mit einem Rahmen genau in den Bildschirmrand einpassen. Im Unterschied zu anderen Geräten ergibt sich eine unverminderte trennungsscharfe Wiedergabe der Bildzeichen bei gleichzeitigem Spiegelungsschutz.

Neben dem technisch aufwendigen Lichtlabor nehmen sich die Forschungsplätze in der Kommunikationsergonomie vergleichsweise bescheiden aus. Hier geht es primär um die Gestaltung des Informationsaustausches zwischen Mensch und Maschine, genauer gesagt, um die Verbesserung der auf dem Bildschirm erscheinenden Information.

Bisher waren in der Regel Programmierer damit beschäftigt, einwandfrei funktionierende Arbeitssysteme zu erstellen. Weniger Gedanken machte man sich über die formale Gestaltung der Menüs. Mittlerweile wurde jedoch festgestellt, daß durch sinnvolle Veränderung, Vereinfachung und klar gegliederte Bildaufteilung die Akzeptanz und damit last not least die Effektivität des Bildschirmarbeiters verbessert werden kann.

Die meisten Anwendungsprogramme stellen sich in der sogenannten Maskentechnik auf dem Bildschirm dar. Hierfür wurden nun nach einer längeren Untersuchung folgende Kriterien festgestellt:

- Inhaltliche Zusammengehörigkeit der Information,

- klar gegliederte Reihenfolge der Bearbeitungsanweisung und

- gleiches Format der Eingabefelder.

Die abgerufenen Einzelinformationen sollen möglichst in Großbuchstaben einen festumrissenen Block bilden. Darüber hinaus müssen auch die Worte und Zeichen so zusammengestellt werden, daß ihre Bedeutung innerhalb kürzester Zeit erfaßt werden kann. Jede Information auf der Bildschirmemaske, die nicht unmittelbar benötigt wird, ist ein Störfaktor; überflüssige Zeilen stiften nur Verwirrung und erschweren die Konzentration auf das Wesentliche.

Mit akustischem Signal Tabelle anfordern

Neben den Tests mit der Anwendersoftware laufen derzeit Versuche mit der Neugestaltung von strukturierten Datentabellen. Nach einer freundlichen Begrüßung auf dem Bildschirm wird die Testperson angehalten, ihre "Stammdaten" in den Rechner einzugeben. Anschließend muß sie aus einer verwirrenden Fülle von Datenmaterial eine bestimmte zueinandergehörige Zeichenfolge herausfinden. Bei der lauten Nennung der letzten Zahl wird durch ein akustisches Signal der Wechsel zur nächstfolgenden Tabelle ausgelöst. Diese Methode, die das Benutzen der Tastatur ausspart, erlaubt eine genaue Erfassung der jeweiligen Prüfzeit.

Alle Tests ergaben, daß es am wirtschaftlichsten ist, Daten und Tabellen in der Rangfolge wechseln zu lassen. Außer dieser objektiven Leistungsprüfung wurde auch eine subjektive Akzeptanzbefragung durchgeführt.

Die bisherige Auswertung der Prüfungsergebnisse erbrachte bei der verbesserten Strukturierung einen Zeitgewinn von etwa dreizehn Prozent. Leistungsparameter ist allerdings nicht nur die Zeit, sondern auch die Senkung der Fehlerquoten. Hierbei zeigte sich eine Verbesserung von 50 bis 60 Prozent.

*Ellen Vakily ist freie Fachjournalistin in München.

Lust vor dem Bildschirm

Die Süddeutsche Zeitung zum technischen Portschritt am Arbeitsplatz:

"Alles, was von den Menschen getan und erdacht wird, gilt der Befriedigung gefühlter Bedürfnisse sowie der Stillung von Schmerzen", meinte Albert Einstein. Der Münchner Psychologe Ernst Pöppel gibt ihm recht: "Alle Sinneserlebnisse und Verhaltensänderungen sind von vornherein lust- oder unlustbetont." Wenn man Wissenschaftler von der Spitze des technischen Fortschritts an ihrem Arbeitsplatz beobachtet, zweifelt man, ob sie überhaupt zu lust- oder unlustbetonten Sinneserlebnissen fähig sind.

Da sitzen in einem Keller bei Siemens in München-Neuperlach ein paar Forscher vor einem Bildschirm. Sie können flimmernd sichtbar machen; wie durch einen Chip Die Information bitchenweise fließt. "Wenn man das acht Stunden lang angesehen hat, flimmert es noch weitere vier Stunden lang vor den Augen", sagt einer der Techniker; was ihn aber ebensowenig demotiviert wie das womöglich noch enervierendere Dröhnen der Vakuumpumpen um ihn herum.

In Yorktown Heights bei New York, mitten im Grünen, liegt wunderschön das zentrale Forschungslabor von IBM. Es ist so konstruiert, daß die Wissenschaftler, die am Computer des Jahres 2000 basteln, größtenteils in Räumen ohne Tageslicht hocken und auf ihren Bildschirm starren. Die Forscher scheinen, abgeschirmt von Licht und Sonne, nichts Wesentliches zu vermissen.

"Der Programmierer ist der Schöpfer von Universen, deren alleiniger Gesetzgeber er selbst ist", erklärt Josef Weizenbaum, Computerwissenschaftler am MIT. Offenkundig nimmt ein Forscher für die Lust der Omnipotenz im selbstgestrickten Universum die Unvollkommenheit der originären Umwelt gerne in Kauf. Wen wundert es, wenn aus solch sterilen Gelüsten der Schöpfer von Technik soviel Leiden kommt bei denen, die mit den Kreationen leben müssen? ur