Zum Aufbau verteilter Systeme von Kleinrechnern dringend empfohlen:\Anwendungsmodell zur Integration und zur Desintegration

28.03.1980

Ein interessantes jedoch schwieriges Marktsegment ist der Zusammenschluß mehrerer Kleinrechner zur Bearbeitung integrierter kommerzieller Anwendungen und zusammenhängender betriebswirtschaftlicher Arbeitsgebiete. Aus Kosten- und Leistungsgründen muß hier oftmals auf den Einsatz eines Datenbanksystems verzichtet werden, das solche Aufgaben zwangsläufig über die Daten integrieren würde. Für den Anbieter solcher verteilten Systeme oder für Benutzer, die mehrere Kleinrechner zu einem Verbundsystem zusammenkoppeln wollen, um damit integrierte Anwendungen zu bearbeiten, ist daher die Entwicklung eines Anwendungsmodells notwendig, aus dem die Verteilung der Aufgaben (und damit der Programme) und Daten auf die einzelnen Rechner abgeleitet werden kann.

Ein solches Anwendungsmodell ist eine Beschreibung betriebswirtschaftlicher Aufgaben und deren Datenstrukturen. Zwischen den einzelnen Aufgaben bestehen Informationsbeziehungen, die Aufgaben hängen über die Datenstrukturen logisch zusammen (sie sind integriert). Ein geeignetes Anwendungsmodell für verteilte Systeme muß daher folgendes leisten:

a) Modellierung der betriebswirtschaftlichen Aufgaben eines Unternehmens oder einer Branche,

b) Beschreibung der örtlichen Verteilung der Aufgaben auf die einzelnen Komponenten eines Verbundsystems,

c) Beschreibung der zeitlichen Reihenfolge der verschiedenen Aufgaben

d) qualitative und quantitative Beschreibung jeder einzelnen Aufgabe

e) Datenstrukturen und Informationsbeziehungen zwischen den einzelnen Aufgaben.

Will man die Verteilung der Aufgaben und Dateien auf die einzelnen Rechner optimieren und die Richtigkeit einer angenommenen Verteilung überprüfen, so ist zusätzlich zu fordern

f) Erzeugung von Modellprogrammen aus der verbalen Beschreibung jeder einzelnen Aufgabe, die die Eingabedaten eines Simulationsmodells bilden, wobei das Simulationsmodell die Hardware und Softwarekomponenten des Netzverbundes der Keinrechner beschreibt.

Unter einem solchen Modellprogramm kann man sich vereinfacht eine Folge von Metanweisungen denken, die aus der verbalen Beschreibung einer Aufgabe hervorgeht.

Es muß nicht immer ein Rechner sein

Ein solches Anwendungs- und Integrationsmodell ist das Philips-Anwendungsmodell, das die Entwicklung von Programmpaketen zur Bearbeitung von integrierten kommerziellen Anwendungen mit Bürocomputern im Netzverbund unterstützt. Es wurde auf der Basis des Kölner Integrationsmodells (KIM) und des AEG-Beschreibungssystems entwickelt in diesem Anwendungsmodell wird ein Unternehmen in Arbeitsbereiche, Arbeitsgebiete und Aufgaben unterteilt. Zu den zehn definierten Arbeitsbereichen gehören beispielsweise Materialwirtschaft und das Vertriebs und Personalwesen eines Unternehmens. Arbeitsbereiche sind in Arbeitsgebiete unterteilt.

Arbeitsgebiete sind Einheiten funktional zusammengehöriger Aufgaben. Sie sind durch Informationsbeziehungen miteinander verbunden. Ihre Identität bleibt gewahrt, unabhängig davon, welche Stelle im Unternehmen die Arbeitsgebiete wahrnimmt, in welchem Maße sie verarbeitungsmäßig integriert und welche Methoden angewandt werden (es muß ja nicht immer ein Rechner sein).

Eine Eindeutigkeit des Inhalts der Arbeitsgebiete wird durch die Untergliederung der Arbeitsgebiete in Aufgaben erhöht. Eine Aufgabe gehört immer zu einem bestimmten Arbeitsgebiet und nur zu diesem.

Aufgaben sind Einheiten (Gruppen) von sich wiederholenden Bearbeitungsschritten (Vorgängen), die zu einem bestimmten Arbeitsgebiet gehören. Wie diese sind sie durch Informationsbeziehungen miteinander verbunden.

Aufgabenmodellierung und Modellprogramme

Das Anwendungsmodell beinhaltet den Aspekt eines Beschreibungssystems zur Aufgabenmodellierung sowie eine rechnerverständliche Beschreibung der Aufgabeninhalte in Form von Modellprogrammen. Die Elemente des Modells sind Datenverarbeitungsaufgaben und deren Ein-/Ausgabedaten, die unter folgenden Aspekten betrachtet werden:

1. Betriebswirtschaftliche Funktion

2. Eingabe -/Ausgabe- (Daten- )Analyse

3. sachlogischer Zusammenhang,

4. DV-relevante Anforderungsmerkmale.

Die Aufgaben und deren Informationsbeziehungen in Form von Ein-/Ausgabedaten werden sowohl in einer Grafik dargestellt als auch verbal beschrieben. Beide Beschreibungsformen werden dokumentiert. Die Dokumentation erfolgt rechnerunterstützt.

Die verbale Umschreibung umfaßt die Funktion, die Eingabe-Ausgabe-Daten-Beschreibung und eine klassifizierende Beschreibung. Für die Rechneraufbereitung im Arbeitsbereich "Vertriebswesen" des Großhandels beispielsweise lautet die verbale Beschreibung:

Verarbeitungstermin: täglich;

Funktion: Sammeln und Sortieren von Daten;

Operation: alpha # Text;

Verarbeitungsmethode: batch;

Datenanfall: täglich, regelmäßig bis stoßweise;

Weiterverarbeitung: sequentiell;

Satzlänge: -Kopfzeile, -Artikelzeile fix, -Anzahl Artikel stark variabel, besonders bei Sammelrechnungen;

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Da eine integrierte Anwendung mit einem Netzverbund von Kleinrechnern bearbeitet werden soll, erfolgt nach der Entwicklung der Arbeitsgebiete und Aufgaben in einem zweiten Schritt die Einbeziehung der Netzkonfiguration:

1. Abgrenzung eines Teilmodells, das auf dem Rechensystem integriert ablaufen, soll, mit den entsprechenden Aufgaben, Informationsbeziehungen und Informationsinhalten;

2. Definition von Parametern der Rechnerkonfiguration.

Anhand eines konkreten Beispiels soll die Entwicklung einer geschlossenen Problemlösung in Form eines Programmpaketes und eines optimalen Netzverbunds etwas näher erläutert werden. Das Netz besteht aus einem Bürorechner Philips P300 und zwei Small Business Computern P400.

Für das Anwendungsgebiet wurde ein Modell des Arbeitsgebietes "Lagerwirtschaft" aus dem Arbeitsbereich "Materialwirtschaft" entwickelt. Eines der Rechensysteme P400 arbeitet als Leitstation mit vier Partitions im Mehrprogrammbetrieb. Die Verteilung der Aufgaben auf die einzelnen Rechenanlagen sowie die Zuordnung der Aufgaben zu den vier Partitions sind im Bild dargestellt, wobei die grafische Darstellung des Anwendungsmodells "Lagerwirtschaft" direkt auf die vorgegebene Rechnernetzkonfiguration abgebildet worden ist.

1. Im Bereich "Lager" an einem Sichtgerät: Lagerbestandsführung und Lagerbestandsüberwachung. Die Lagerzu- und -abgänge werden in unsortierter Reihenfolge eingegeben. Bei ungeplanten Abgängen kann eine Vorrätigkeitsprüfung (Abfrage der Teilestammdatei) durchgeführt werden. Nach der Bestandsforfschreibung werden die Bestellhinweise ermittelt und für die Weiterverarbeitung im Einkauf in der Bestellhinweisdatei zur Verfügung gehalten (P400-Partition 1).

2. Im Bereich Lageradministration auf einer P300: Bestandsliste. Eine Übersicht über den aktuellen Bestand ausgewählter Teile wird als Liste für die Lagerverwaltung ausgedruckt (P400-Partition 2).

3. Im Bereich "Rechenzentrum": Bewegungsliste. Zur Ermittlung von eventuellen Engpässen oder von zu hohen Beständen in der Materialversorgung wird eine Übersicht über die Lagerbewegung ausgedruckt (P400-Partition 3).

4. Im Bereich "Einkauf" auf der P400: Bestellauslösung. Die vom Programm "Lagerbestandsüberwachung" erzeugten Bestellhinweise werden von der Bestellhinweisdatei abgerufen (P400-Partition 4).

Datenbankverzicht erfordert verstärkte Aufmerksamkeit

Die meisten Benutzer von Kleinrechnern haben als Erstanwender ein Standalone-System - eventuell mit einem Anschluß an einen Großrechner - erworben. Die Anwendungsprogrammierung ergibt nach Marktuntersuchungen eine etwa gleich große Beteiligung der Anwender der Hardware-Lieferanten und externer Softwarehäuser. Diese Anwendungsprogramme decken betriebswirtschaftliche Einzelaufgaben wie Fakturierung, Debitoren und Kreditorenbuchhaltung, Lohn und Gehalt und Kostenrechnung ab.

Werden im Laufe der Zeit weitere Kleinrechner eingesetzt und entsteht dann der Wunsch nach Integration aller Aufgaben und Daten sowie dem Zusammenschluß der Rechner zu einem Verbund, so ist der Einsatz eines solchen Anwendungs- und Integrartionsmodells im beschriebenen Sinne unerläßlich. Umgekehrt ist auch bei der Herauslösung von Arbeitsgebieten, die bisher zentral auf Großrechnern abgewickelt wurden und die zukünftig dezentral bearbeitet werden sollen, ein solcher Anwendungsmodell hilfreich, bevor es an die konkrete Programmentwicklung oder -umstellung geht.

Wenn aus Kosten- und Leistungsgründen auf den Einsatz von Datenbanksystemen auf den Kleinrechnern verzichtet werden soll, so ist die Beschreibung der zeitlichen Reihenfolge der Bearbeitung einzelner Aufgaben (Punkt c) besonders wichtig, um durch organisatorische Maßnahmen die Konsistenz der Datenbestände sicherzustellen. Ist dagegen der Einsatz eines Datenbanksystems vorgesehen, so kann ein Anwendungsmodell vervollständigt und weiter formalisiert werden, indem das konzeptuelle Schema der Datenbank mit aufgenommen wird