Starlink in der Ukraine

Zukunftstechnologie gegen Steinzeitpolitik

05.10.2022
Von 
Halyna Kubiv ist Content Managerin bei der Macwelt.
Die kleinen Satelliten-Terminals von Starlink sind eine Rettung in Not.
Starlink Satelliten-Terminals erweisen sich in der Ukraine als Helfer in der Not
Starlink Satelliten-Terminals erweisen sich in der Ukraine als Helfer in der Not
Foto: JL IMAGES - shutterstock.com

Wie viele Elon-Musk-Projekte nahm die Karriere von Starlink in der Ukraine durch einen Tweet ihren Anfang. Der Digitalminister Fedorov twitterte zwei Tage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine: "… Wir bitten Sie, die Ukraine mit Starlink-Stationen zu beliefern …" Die Antwort kam wenige Stunden danach: "Starlink ist für die Ukraine freigeschaltet, mehr Stationen sind unterwegs".

Grund für Fedorovs Bitte war der Ausfall eines der größten Anbieter in der Ukraine - Viasat. Seit der Nacht auf den 24. Februar 2022 hatten die Kunden in der Ukraine, aber auch in Deutschland mit Verbindungsproblemen zu kämpfen. Starlink war wohl in der Situation eine Notlösung, die sich seitdem als eine veritable Internet-Option erwies.

Die Starlink-Satelliten waren am Tag darauf über der Ukraine aktiviert, neben der Firma selbst spendeten USAID und Polen einige Tausend Terminals für das Land. Im Juni 2022 waren rund 11.000 Starlink-Terminals in der Ukraine freigeschaltet, mittlerweile schätzen die Insider, mit denen wir gesprochen haben, die Zahl auf eher 20.000 Erd-Stationen von Starlink. Denn nicht nur offizielle Quellen versorgen das Land mit den Geräten, freiwillige Helfer kaufen die Terminals in Italien, Polen oder Deutschland ein, diese kann man vor Ort in der Ukraine auf ein anderes Konto ummelden.

So funktioniert Starlink

Starlink gehört zu den sogenannten Low-Earth-Satelliten bzw. Satellitennetzwerken. Während geostationäre Satelliten, die in der Regel zur Kommunikation dienen, in einer Entfernung von rund 36.000 Kilometer um die Erde kreisen, fliegen die Satelliten von Space X auf der Höhe von 550 Kilometern. Das ergibt Vorteile wie Nachteile. Die Starlink-Satelliten haben eine recht geringe Streuung ihrer Sendesignale von rund 20 Kilometern, das verlangt nach einem dichten Netz von Satelliten, die sich über dem unterstützten Gebiet befinden sollen.

Dagegen sind die Verzögerungen beim Übergabe des Signals deutlich kürzer als bei den herkömmlichen Satelliten: Die Firma weist sie mit 20 Millisekunden gegenüber 600 Millisekunden bei VSAT-Systemen auf. In der Praxis werden bis zu 70 Millisekunden gemessen, je nach Wetter. Das Starlink-Internet basiert auf drei Komponenten: Die eigentlichen Starlink-Satelliten, die um die Erde kreisen; die Terminals, die Endnutzer bei sich aufstellen und die sich mit den Satelliten verbinden können; und die Bodenstationen, die den Datenstream von Satelliten empfangen und den Zugang zum World Wide Web gewährleisten.

So wird Starlink in der Ukraine verwendet

Es gibt mehrere Berichte wie etwa beim "Wall Street Journal", die den Einsatz von Starlink auf der ersten Frontlinie in der Ukraine sehen. Wir haben mit Oleh Kovalsky zu dem Thema gesprochen, der in Lviv (Ukraine) auf freiwilliger Basis die Starlink-Terminals repariert. Demnach haben die Kommunikationsmittel im direkten Kampfeinsatz etwas andere Anforderungen, die Verbindungen sollen verschlüsselt sein. Es gibt momentan zudem genügend Mittel, eine drahtlose Datenverbindung aus der Entfernung zu erkennen, achtlos eingeschaltete Wlan-Stationen nahe der Kampflinie können buchstäblich lebensgefährlich sein.

Eben deswegen werden die Starlink-Terminals, vor allem der zweiten Generation, für die ukrainische Armee etwas umgestaltet: Statt einer ab Werk eingeschalteten WLAN-Verbindung werden noch Ethernet-Kabel nachgerüstet. Denn im Unterschied zu einem WLAN-Router, dessen Wellen sich laut Testungen im Radius von drei bis sieben Kilometer feststellen lassen, sendet ein Starlink-Terminal seine elektromagnetischen Wellen in einem gebündelten Strahl gen Satellit, eine solche Übertragung lässt sich erst im Radius von einem Kilometer identifizieren, also fast schon in Sichtnähe.

Ein weiterer Grund, warum Starlink bei der ukrainischen Armee so beliebt ist, ist laut Kovalsky die Tatsache, dass die russischen Streitkräfte mit seinen Mitteln zur Durchführung der elektronischen Gegenmaßnahmen fast jede drahtlose Übertragung drosseln können, außer bei Starlink. Vermutet wird, der relativ gute Widerstand von Starlink gegenüber den russischen Systemen für elektronische Gegenmaßnahmen wie der Krasssucha & Co. basiert auf den relativ kurzen Wellenlängen im Millimeterbereich, auf denen der Terminal die Daten sendet. Auf solchen Frequenzen operieren keine WLAN-Router oder Smartphones mehr, sondern etwa Radare.

Die einzig mögliche Störung, die die russische Armee bei einem Starlink bewirken kann, ist die Unterdrückung des GPS-Signals, mit dem sich der Terminal mit dem Satelliten verbindet. Da die Starlink-Satelliten relativ tief über der Erde kreisen und somit schnell wieder "außer Sicht" geraten, muss sich ein Bodenterminal im Schnitt alle vier Minuten mit einem weiteren Satelliten verbinden, dafür sind die beiden mit den GPS-Sendern ausgestattet.

Wahrscheinlich der berühmteste Einsatz von Starlink-Satelliten in der Ukraine fand im eingekreisten Stahlwerk Azovstahl statt, wo sich über mehrere Wochen ukrainische Soldaten und Zivilisten ohne einen Zugang zur Außenwelt befanden. Die digitale Verbindung nach draußen haben jedoch einige Starlink-Terminals gewährleistet. Erst vor zwei Wochen freigelassene Gefangenen von Azovstahl wie der Brite Aiden Aslin veröffentlichen manche Einblicke in das Leben unter Bomben.

Die Freischaltung von Starlink in der Ukraine wird als Katastrophenhilfe gesehen. Das stimmt größtenteils, denn das Satelliteninternet von Space X hängt von keiner komplizierten Infrastruktur auf dem Boden ab, die Terminals sind schnell aufgestellt und eingerichtet. Die von der ukrainischen Regierung verteilte Terminals funktionieren kostenlos, diejenigen, die Starlinks privat betreiben, müssen ein Abo von 60 US-Dollar pro Monat zahlen.

Vor zwei Wochen hat ukrainische Armee große Gebiete im Nordosten des Landes befreit, die Mobilfunkanbieter mussten feststellen, dass einige Masten zerstört waren, die Ausstattung auf dem Boden vernichtet oder gestohlen. Lifecell, einer der Anbieter, nutzte Starlink als Notlösung, um die Verbindung schnell wiederherzustellen.

Digitaler Helfer in der Not

Starlink in der Ukraine hat sich als ein wahrhaftiger digitaler Helfer in Not erwiesen. Die Technologie setzt auf Weltall- statt Bodeninfrastuktur, eben deswegen ist sie bei der herkömmlichen Kriegsführung recht robust: Um eine schnelle und meist zuverlässige Internet-Verbindung zu bekommen, benötigt ein Nutzer lediglich das Terminal und die Stromversorgung dafür. Die Registrierung ist schnell erledigt, mehr muss man von der technischen Seite nicht tun, als das Gerät auf einer offenen Fläche mit freiem Blick in den Himmel aufzustellen.

Dass sich Starlink auch nach dem Krieg in der Ukraine behaupten kann, sieht Kovalsky skeptisch: "In den entlegenen Dörfern ist Glasfaser kein Wunder mehr, unter Normalbedingungen kostet ein Gigabyte-Tarif in der Ukraine im Schnitt 10 US-Dollar. Starlink ist im Vergleich zu teuer." (Macwelt)