Blick ins Labor der Uni Duisburg-Essen

Zukunftsfähige Software für den Logistik-Leitstand

31.08.2015
Von 


Dr.-Ing. Andreas Metzger ist Akademischer Oberrat und Leiter der Forschungsbereiche "Adaptive Systeme" und "Future-Internet-Anwendungen" am paluno, The Ruhr Institute for Software Technology der Universität Duisburg-Essen. Zudem ist er Gesamtprojektleiter bei LoFIP. Metzger ist Vize-Vorsitzender des Lenkungsausschusses der Europäischen Technologieplattform NESSI (Software, Services und Data) und stellvertretender Generalsekretär der Europäischen Big Data Value Association (BDVA). 
Im Projekt LoFIP (Logistik Future-Internet-Plattform) entwickeln Wissenschaftler von paluno - The Ruhr Institute for Software Technology der Universität Duisburg-Essen eine Softwareplattform für Logistik-Leitstände der Zukunft. Diese Leitstände erlauben es, Transport- und Logistikprozesse robuster und somit ressourcenschonender auszuführen.
  • Logistik-Leitstände verknüpfen Future Internet- und Cloud-Technologien.
  • Im "Living Lab" arbeiten Forscher, Entwickler und andere Domänenxperten zusammen.
  • Predictive Analytics machen künftig noch effizientere Logistikprozesse möglich.

Die Logistikbranche ist Deutschlands drittgrößter Wirtschaftsbereich nach der Automobilbranche und dem Handel. Etwa 60.000 Unternehmen sind in der Logistikbranche tätig und erwirtschafteten 2014 einen Umsatz von rund 235 Milliarden Euro. Nicht zuletzt durch den Internethandel wächst der Logistikbereich der Paketdienstleistungen jedes Jahr stark an. Die Kehrseite dieses Wachstums ist ein Anstieg der CO2-Emissionen und der Kosten. Es braucht moderne IT-Lösungen, die nach Berechnungen der Alliance for European Logistics künftig bis zu 15 Prozent Effizienzgewinn bringen könnten. Dies würde für Deutschland, neben einer hohen CO2-Reduktion, Einsparungen von mindestens 23 Milliarden Euro bedeuten.

LoFIP forscht an effizienterer Logistik

Das Projekt LoFIP forschte drei Jahre erfolgreich an einer konkreten IT-Lösung für die Optimierung von Logistikprozessen. Kern der Lösung sind Logistik-Leitstände, die Future Internet- und Cloud-Technologien verknüpfen. Die Wissenschaftler entwickelten gemeinsam mit namhaften Partnern aus der Softwareindustrie und der Logistikbranche eine Softwareplattform für Logistik-Leitstände. "Diese Leitstände können operative Prozesse in Echtzeit überwachen und steuern", erklärt Professor Dr. Klaus Pohl, paluno-Direktor und Inhaber des Lehrstuhls Software Systems Engineering an der Universität Duisburg-Essen.

Disponenten könnten somit auf Abweichungen in der Transportkette sofort reagieren und steuernd in laufende Prozesse eingreifen. Bei problematischen Situationen bieten die Leitstände direkt Handlungsalternativen an. So ermöglicht ein Leitstand beispielsweise bei einem Ausfall der Kühlung in einem Container den schnellen Einsatz eines Ersatzcontainers. Ein weiteres Beispiel ist die Unterstützung bei einer ungeplant hohen Menge an Paketen durch eine schnelle Anpassung der Transportkapazitäten.

Internet der Dinge und Dienste

Die LoFIP-Leitstände können von existierenden Leitständen hinsichtlich ihrer Software-Architektur und Implementierung abgegrenzt werden. Sie sind durch den Betrieb in der Cloud von überall aus, auch mobil, nutzbar. Einige Funktionen eines Leitstands lassen sich darüber hinaus auf mobile Anwendungen auslagern.

Felix Föcker, Philipp Schmidt und Christian Reinartz (v.l.n.r.), paluno-Mitarbeiter im Projekt LoFIP, treiben den Logistik-Leitstand der Zukunft voran.
Felix Föcker, Philipp Schmidt und Christian Reinartz (v.l.n.r.), paluno-Mitarbeiter im Projekt LoFIP, treiben den Logistik-Leitstand der Zukunft voran.
Foto: paluno

Darüber hinaus kombinieren die LoFIP-Leitstände Schlüsselbereiche des Future-Internet: das Internet der Dienste (Internet of Services) und das Internet der Dinge (Internet of Things). Das Internet der Dienste umfasst über das Internet bereitgestellte software-basierte Dienste, beispielsweise Cloud-Speicher und Rechenkapazität, sowie Software-Anwendungen (Software-as-a-Service). Die Europäische Technologieplattform NESSI geht davon aus, dass Software- und Cloud-Services einer der wesentlichen Innovationstreiber sind, und deutliche Chancen für viele Anwendungsdomänen bieten.

Zum Internet der Dinge werden unter anderem mobile Geräte, Handhelds oder mit dem Internet verbundene Sensoren gezählt. Diese Geräte sind in der Lage, physikalische Objekte und Prozesse, beispielsweise die Anzahl an Paketen oder Verkehrsdaten, zu messen und zu überwachen. Gartner schätzt für 2020 weltweit 26 Milliarden vernetzte Geräte, die nicht PCs, Tablets oder Smartphones sind.

Zukunftsszenarien als Projekttreiber

LoFIP betrachtete innovative Zukunftsszenarien für zwei industrierelevante Anwendungsfälle. "Diese Zukunftsszenarien skizzieren mögliche Situationen in den nächsten drei bis fünf Jahren. Im Rahmen von gemeinsamen Kreativitätsworkshops haben wir dazu Visionen mit den Forschungs- und Industriepartnern erarbeitet." beschreibt Philipp Schmidt, Lehrstuhlmitarbeiter im LoFIP-Projekt, das Vorgehen.

Das Szenario "Multimodaler Containertransport im Hinterland" betrachtet die Transportkette von der Aufnahme eines leeren Containers über die Beladung, bis hin zur Bereitstellung an einem europäischen Seehafen zum Überseetransport. Bereits geringe Verspätungen haben dabei Auswirkungen auf die gesamte Transportkette und bedeuteten eine große Herausforderung in der Logistik. Im Projekt wurde diese Kette im Leitstand überwacht und gesteuert. So konnte bei Bedarf beispielsweise ein Ersatzcontainer bereitgestellt werden.

Ausschnitt des Anwendungsfalls "Multimodaler Containertransport im Hinterland"
Ausschnitt des Anwendungsfalls "Multimodaler Containertransport im Hinterland"
Foto: paluno

Das Szenario "Vorlauf Paketdienste" betrachtet den Prozess der Paketdienstleistung: Die Fahrzeuge des Paketdienstleisters fahren Geschäftskunden an und sammeln Pakete ein. Obwohl bereits berücksichtigt wird, dass die Menge der Pakete täglich wechselt, kann durch die starken dynamischen Schwankungen in der Abholmenge die Kapazität der Fahrzeuge auf den geplanten Routen nicht ausreichen (Überlast) oder nicht ausgelastet werden (Unterkapazität). Im LoFIP-Leitstand wird die Paketmenge automatisch erfasst und dem Disponent gemeldet. Dieser kann dynamisch die eingesetzten Fahrzeuge und Touren anpassen.