Verlust der Offenheit droht

Zukuenftig sollen PC-Cluster in die Mainframe-Domaene einbrechen

03.05.1996

PC-Hersteller versprechen dem Anwender ab diesem Sommer das Beste aus zwei Welten: Kostenguenstige PC-Server, gebaut aus Standardkomponenten, werden zu einem Rechnerverbund - dem Cluster - zusammengefasst und erreichen dann, so die Hersteller, die Skalierbarkeit, Sicherheit und Zuverlaessigkeit, die man von Mainframes oder Minicomputern her kenne.

Wenn Intel die fuer Mitte des Jahres erwarteten Pentium-Pro- Platinen mit vier CPUs vorstellt, koennen PC-Hersteller schnell und kostenguenstig Server mit symmetrischem Multiprocessing (SMP) fertigen, die sich dann zu einem Rechnerverbund koppeln lassen. Allerdings wird nicht jeder PC-Lieferant auf das Fertiggericht vom Chipkroesus zurueckgreifen. So haben Compaq und Hewlett-Packard fuer Ende des Jahres eigene Loesungen angekuendigt.

Ein Vorteil der PC-Cluster ist, dass damit die Schwaeche der x86- Architektur, naemlich der relative Verlust an Rechenleistung bei Hinzufuegen zusaetzlicher CPUs, zu umgehen ist. Jeder der (SMP-) Knoten arbeitet mit seinem eigenen Betriebssystem. Der Administrator kann den Verbund aber wie ein einziges grosses, virtuelles Einzelsystem verwalten.

Die einfachste Form eines Clusters - die Verbindung zweier PC- Server - soll in diesem Sommer von Digital Equipment auf den Markt kommen und hoechste Sicherheit garantieren: Faellt ein Rechnerknoten aus, uebernimmt der andere die Datenbestaende, die Programmabarbeitung und die angeschlossenen Clients des defekten Servers.

Zu einem PC-Cluster gehoert das adaequate Betriebssystem. Windows NT, Unix und OS/2 muessen entsprechend erweitert werden. Microsoft hat fuer Ende des Jahres die Cluster-Technik "Wolfpack" angekuendigt. Mit diesem Satz an APIs fuer Windows NT sollen sich zwei NT-Server als ausfallsicheres Cluster-System konfigurieren lassen. Spaeter soll die Software einen Verbund aus bis zu 16 Servern unterstuetzen.

Software noch nicht verfuegbar

IBMs PC-Betriebssystem OS/2 kann im Gegensatz zu NT heute schon die Ausfallsicherheit zweier Systeme handhaben. Big Blue arbeitet derzeit an der Erweiterung des Betriebssystems auf die Unterstuetzung mehrerer Knoten. Netware soll im naechsten Jahr ebenfalls Cluster-Funktionalitaet erhalten.

Auch die Datenbankanbieter sind dabei, ihre Systeme auf PC-Cluster abzustimmen. So plant Informix, im Juli sowohl eine Windows-NT- als auch eine Unix-Variante des "Online Extended Parallel Servers" (XPS) anzubieten. Informix hat einen eigenen API-Satz entwickelt, mit dem die Realisierung konsistenter Datenbankumgebungen moeglich sein soll, und ist nicht auf Microsofts Wolfpack angewiesen. Unklar ist noch, welche Hardwareplattformen unterstuetzt werden sollen.

Oracle will bis Jahresende eine Version des "Oracle Parallel Server" (OPS) fuer Windows NT auf Compaq-Rechnern fertiggestellt haben. Wie Informix braucht auch die Ellison-Company nicht auf das Microsoft-Angebot zu warten. Sie setzt die eigene Implementation des "Distributed Lock Managers" (DLM) ein, wie Oracle-Manager Steve Bower erklaerte. Der DLM stellt ueber eine schnelle Verbindung die Kommunikation mit den Servern sicher und garantiert die Konsistenz der Datenbestaende.

Anders als die beiden Datenbankspezialisten wagen es die meisten Software-Anbieter nicht, der Microsoft-Loesung vorzugreifen. Ohne eine Erweiterung taugt Windows NT wegen der schlechten Skalierbarkeit allenfalls fuer Systeme mit bis zu vier Prozessoren.

Einige Analysten in den USA halten heutige PC-Betriebssysteme generell noch fuer untauglich, unternehmenskritische Applikationen sicher abzuarbeiten. So seien beispielsweise die Speichersysteme mit SCSI-Verbindungen nicht schnell genug. Abhilfe schaffen koennten hier die neuen Festplattenanschluesse "Fiber Channel" oder IBMs "Serial Storage Architecture" (SSA), die mit Transferraten von 100 beziehungsweise 80 MB/s auch fuer die NT-Plattform aufwarten.

Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Vielzahl der fuer Cluster vorgesehenen Verbindungsarten zwischen den Knoten: Die Spanne reicht von Fast Ethernet bis zu FDDI und Tandems "Servernet". Die daraus entstehenden Inkompatibilitaeten lassen Software-Entwickler zoegern, und den Anwendern droht ein weiteres Mal der Verlust der Offenheit. Dennoch haben PC-Cluster gegenueber Unix-Loesungen einen entscheidenden Vorteil: Die Hardware ist deutlich billiger und laesst moeglicherweise die Nachteile vergessen.