Online-Recruitment/Bei den Jobportalen beginnt der Kampf ums Überleben

Zu viele Bewerber, zu wenig Arbeitgeber

01.02.2002
Noch vor einem Jahr sollte Online-Recruiting helfen, beim Kampf um die Besten die Nase vorn zu haben - heute versuchen die Unternehmen, damit die Mengen von Bewerbungen in den Griff zu bekommen. Die Stellenanzeigen sind zurückgegangen - zu den Verlierern gehören auch die Online-Jobportale. Von Ina Hönicke*

"In der IT-Welt werden die Karten neu gemischt - die Arbeitgeber müssen um die Bewerber buhlen", so lautete die Überschrift des Schwerpunkts "Online-Recruiting" in der COMPUTERWOCHE noch im Februar vergangenen Jahres. Heute werden die Karten in der IT-Welt wieder neu gemischt - allerdings vice versa: Die Arbeitgeber sind wieder am Zug.

Während damals etliche Konzerne mit Online-Recruiting begannen, damit ihnen keine interessanten Kandidaten "verloren gehen", sind sie heute froh, mit Hilfe dieses Systems die hohe Zahl der Bewerbungen, die sich im Laufe des letzten Jahres verdoppelten bis verdreifachten, bewältigen zu können. Da nur noch wenige Unternehmen nach neuen Mitarbeitern suchen, sind die Stellenanzeigen entsprechend gesunken. Vor allem die Online-Jobbörsen leiden massiv unter der Flaute. Bei ihnen beginnt der Kampf ums Überleben.

"Seit Anfang des Jahres ist die Zahl der Angebote in der Datenbank weltweit von 150000 auf mittlerweile 100000 zurückgegangen", erklärt Stephan Lindenfeld vom deutschen Stellenportal Jobpilot. Fest steht - die drei größten elektronischen Stellenvermittler Stepstone, Jobpilot und Monster.com mussten allesamt Federn lassen. So brach beispielsweise bei Jobpilot der weltweite Umsatz im dritten Quartal 2001 im Gegensatz zum zweiten Quartal um 18 Prozent auf 10,1 Millionen Euro ein und selbst beim weltweiten Branchenführer Monster.com stagnierten die Umsätze in diesem Quartal.

Andreas Albath, Vorstand der Stepstone Deutschland AG räumt ein, dass sein Unternehmen vorrangig unter der restriktiven Einstellungspolitik der technikorientierten Firmen leidet: "Die IT-Unternehmen waren die Vorreiter in der Nutzung der Internet-Stellenbörse und unsere besten Kunden." Zwar würden zurzeit immer mehr Firmen anderer Branchen Online-Recruiting nutzen, aber die Flaute in der IT-Branche könne dadurch nicht aufgefangen werden.

Alle Anbieter müssen Federn lassenNeben den großen Stellenbörsen kämpfen nach Ansicht von Albath vor allem die kleineren Jobportale ums Überleben: "Der Markt konsolidiert sich. Neben den leistungsstarken Anbietern werden wohl nur noch ein paar Nischenanbieter übrig bleiben." Der Düsseldorfer Stepstone-Vorstand ist überzeugt, dass die Personalabteilungen diese Entwicklung begrüßen. Schließlich hätte kein Sachbearbeiter große Lust, sich mit 30 oder mehr verschiedenen Online-Anbietern auseinander zu setzen. Albath: "Am Internet-Recruitment führt letztlich kein Weg mehr vorbei. Das Rennen werden die leistungsfähigen Online-Partner machen, die noch dazu verstärkt weitergehenden Service anbieten."

Bei allem Zweckoptimismus - fest steht, Stepstone musste sich im November 25 Millionen Euro von institutionellen Investoren zuschießen lassen. Um die Kosten in den Griff zu bekommen, ist der norwegische Anbieter mit seinen Jobbörsen nur noch in Deutschland, den Benelux-Ländern und Skandinavien vertreten. Am wenigsten Probleme scheint der Branchenführer Monster.com, Tochter des amerikanischen Personalvermittlungsriesen TMP, zu haben.

Der Boom von gestern kommt nicht mehrDas Portal, das hierzulande erst vor anderthalb Jahren eingeführt wurde, verzeichnet laut der Marktforschungsgesellschaft Nielsen Netrating die höchste Zahl von Besuchern. Gleichzeitig nahm die Zahl seiner Stellenangebote laut Kai-Uwe Kaufmann, Marketing-Leiter der deutschen Tochter Monster.de, um das Doppelte zu. Dem Branchenführer ist zwar klar, dass die früheren Steigerungsraten nicht mehr zu erreichen sind, sieht aber ansonsten zuversichtlich in die Zukunft.

Dass E-Recruiting zulegen wird, belegt auch eine Studie der Meta Group. Das Problem ist nur - die Personalverantwortlichen der 474 europäischen Unternehmen haben die Fragen der Untersuchung im Frühjahr 2001 beantwortet. Research-Director Andreas Burau geht dennoch davon aus, dass IT- und Internet-gestützte Recruiting-Methoden wie Skill- und Personalbewertungs-Tools, Online-Video-Interviews und Video-Clips wichtiger werden: "Auch wenn die Realität im Personalmarkt so manches Untersuchungsergebnis mittlerweile ein- beziehungsweise überholt hat, bleiben elektronische Vermittlungs-Portale ein wichtiger Baustein in der Recruitingsstrategie."

Allerdings sollten sich gerade die IT-Unternehmen die Frage stellen, ob sie für die Online-Suche überhaupt noch eine Personal-Abteilung benötigen. Burau: "Gehört das Recruitment in der Internet-Welt wirklich zu den Kernkompetenzen einer Personalabteilung? Haben die Mitarbeiter dafür die Skills? Können sie mit den softwaregestützten Tools umgehen?" Der Berater kann sich vorstellen, dass dieser Internet-Bereich künftig verstärkt an Dienstleister ausgelagert wird: "Es ist vor allem wichtig, auf die individuellen Bedürfnisse des Bewerbers einzugehen." Dementsprechend könnte eine Community ins Leben gerufen oder auch ein Personal-Agent zugeschaltet werden.

In Sachen Outsourcen sind Hewlett Packard und CSC Ploenzke Vorreiter. Sie haben in den USA den Rekrutierungsbereich fast komplett ausgelagert und arbeiten mit Internet-Personalagenturen zusammen. Der Meta-Mann: "Outsourcing ist billig und spart Zeit. Die Mitarbeiter der Personalabteilung können sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren - Förderung und Entwicklung der eigenen Leute."

In der Tat können sich die Personalabteilungen zurzeit nicht vor Arbeit retten. Nicht zuletzt der Zusammenbruch der New Economy hat dazu geführt, dass immer mehr IT-Profis um die Arbeitgeber buhlen, die noch Mitarbeiter einstellen. Die Homepages großer Anwenderunternehmen wie Deutsche Bank, BMW, Deutsche Börse oder MG Technologies belegen dies. Oliver Maassen, der bei der Hypovereinsbank seit zwei Jahren die Abteilung Konzernpersonal-Marketing und -Nachwuchsentwicklung leitet, erklärt: "Diese Steigerung bedeutet für uns kein Problem. Schließlich eignet sich Online-Recruitment ja gerade zur Abwicklung größerer Bewerbermassen."

Anstrengender elektronischer FragebogenEin Problem hat ihm der zunehmende Bewerberstrom auf jeden Fall abgenommen. Im vergangenen Jahr, als die Kandidaten noch die große Auswahl hatten, überlegte die Bank, ob sie ihre Bewerbungs-CD job.doc nicht ersetzen müsste. Hintergrund: Der Interessierte muss auf dieser CD neben den persönlichen Angaben zur Person Fragen zur Eignungsdiagnostik beantworten. Da dieser Teil sehr detailliert ausfällt, beträgt die Bearbeitungszeit rund drei bis fünf Stunden. Man befürchtete, dieser Zeitaufwand könnte die jungen Leute abschrecken. "Heute investieren Bewerber, die einen Job in unserem Haus suchen, diese Zeit gern", sagt Maassen.

Die auf der CD enthaltene Kombination mit eignungsdiagnostischen Tools ist seiner Meinung nach ein hervorragendes Instrument, um bei den Bewerbern die Spreu vom Weizen zu trennen. "Wie will ein Personalsachbearbeiter etwa mit Hilfe der klassischen Bewerbungsanaylse die Belastbarkeit der Kandidaten testen?", fragt Maassen. In der job.doc-CD müsse der Bewerber die Frage beantworten, was während des Studiums die größte Herausforderung gewesen sei, wie er damit umgegangen sei und was er daraus gelernt habe. Durch diese Fragetechnik und die dazu passenden Antworten erfahre die Bank mehr über die Belastbarkeit des Bewerbers als früher.

Schwierige Jobs bleiben den HeadhunternDass der Kandidat gefällige Antworten liefern könnte, sei den Verantwortlichen klar. Maassen warnt indes davor, sich bei der Beantwortung der Fragen von Profis helfen zu lassen. Unterstützungen dieser Art flögen spätestens im Assessment-Center auf. Damit die Profis seiner Abteilung mit den Auswertungs-Dimensionen klar kommen, werden sie regelmäßig qualifiziert. Zu den Weiterbildungsthemen gehören neben der Eignungsdiagnostik auch Interviewfähigkeit oder Psychologie.

Holger Kerkow, Head of Recruitment Development bei der Deutschen Börse in Frankfurt am Main, singt geradezu ein Hohelied auf Online-Recruiting: "Wenn der Arbeitsmarkt eng ist, hilft es, die Besten zu finden, und wenn die Bewerbungen zunehmen, ist es billig und vor allem effizient." So würden die verstärkt auftretenden Initiativ-Bewerbungen dem zuständigen Sachbearbeiter innerhalb von 24 Stunden vorliegen. Besonders stolz ist Kerkow, dass die Initiativ-Bewerbungen nicht selten von jungen Leuten kämen, die die Homepage lediglich aus Börseninteresse angeklickt und dann die offenen Stellen entdeckt hätten: "Wir suchen heute genauso viele Mitarbeiter wie früher. Dementsprechend profitieren wir von der wachsenden Zahl der Bewerber. Sollten wir uns aber irgendwann von Beschäftigten trennen müssen, werden wir Online-Recruiting für das Outplacement nutzen." Als Beispiel nennt er die Entlassungen bei Infineon. Nach Überlassung des Passworts hätten er und seine Kollegen in dem Jobportal des Halbleiterkonzerns nach eventuell in Frage kommenden Mitarbeitern gesucht.

Gegen Online-Recruiting spricht nach Kerkows Meinung nur ein einziger Aspekt: "Wenn ein Unternehmen über längere Zeit keine Mitarbeiter sucht, ist das Medium in der Tat überflüssig - die Personalabteilung aber auch." Der Frankfurter Personalfachmann räumt indes ein, dass die Online-Jobbörsen für die Besetzung von schwierigen und gehobenen Positionen im Unternehmen nicht geeignet sind.

Nicht nur die Websites der Konzerne nehmen den Jobbörsen Klientel weg - Konkurrenz droht von einer ganz anderen Ecke. Eine Art Zwitter aus Lions-Club und Jobbörse ist die "Manager-Lounge". Sie hat Deutschlands "beste Manager" mit einem Jahresgehalt von unter 250000 Euro im Visier. Für 250 Euro Jahresgebühr sollen sie sich bei Lounge-Partys und Vortragsdiskussionen nicht nur näher kommen, sondern auch attraktive Jobs vermittelt bekommen. Aufgenommen in den elitären Club wird indes nicht jeder. Voraussetzung ist ein Jahressalär von mindestens 75000 Euro und ein erfolgreicher beruflicher Werdegang.

Jobhopper beispielsweise werden hier nicht gern gesehen. Geschäftsführer Peter Bachsleitner: "Diese Bewerber müssen schon ganz besondere Fähigkeiten vorweisen, damit sie bei uns eine Chance erhalten." Bislang wurde jeder zweite abgelehnt. Wird der Kandidat für geeignet befunden, entwickelt er mit einem Berater ein Kurzprofil, das dann anonymisiert ins Netz gestellt wird. Die Mitgliedsunternehmen können sich ohne Zwischenschaltung eines Beraters aus dem Pool bedienen. Sicherheitsprozeduren sollen verhindern, dass die Profile in falsche Hände geraten. Bachsleitner: "Sollte ein Unternehmen in unserem Pool nicht den richtigen Mann finden, bieten wir die klassische Direktsuche an." Darüber hinaus bietet Management-Lounge den Mitgliedern noch eine Rundumbetreuung bei Problemen an. Dazu gehört unter anderem eine schwierige Hotelbuchung oder das Ersetzen eines verloren gegangenen Mobiltelefons. Der Geschäftsführer ist überzeugt, dass das Konzept gut ankommt: "Wir sehen uns nicht als Jobbörse, sondern als ein Business-Club, der unter anderem eine Internet-basierte Personalvermittlung anbietet."

Mix aus Online- und Offline-MaßnahmenIn der Tat wird der Wettbewerb um die Führungskräfte in der deutschen Wirtschaft immer härter. Dass wirkliche Spitzenkräfte nach wie vor nicht in der Online-Datenbank gesucht, sondern geschult von Personalberatern angesprochen oder gar abgeworben werden, räumen die Personalverantwortlichen ein. Axel Westerwelle, Vorstand der Westerwelle Consulting und Media AG in Hamburg: "Auch die Unternehmen, die im Web sehr aktiv sind, schalten bei bestimmten Positionen Anzeigen, gehen nach wie vor auf Rekrutierungs-Messen oder an die Hochschulen. Das gilt nicht nur für Führungsjobs."

Den meisten Personalverantwortlichen sei klar, dass Online-Recruiting als alleinige Lösung nie reichen wird. Schließlich käme es nicht nur auf Zeit- und Kostenersparnis an. Westerwelle: "Die Qualität der Bewerber steht mehr denn je im Vordergrund und die lässt sich nicht automatisch über einen Online-Prozess erreichen." Den Erfolg bei der Personalsuche mache nun einmal der Mix zwischen Off- und Online-Maßnahmen aus. Der Berater rät den Unternehmen, die reduzierte Personalsuche dazu zu nutzen, die gesamten Rekrutierungs-Maßnahmen unter die Lupe zu nehmen. Folgende Fragen sollten, so Westerwelle, dringend beantwortet werden: "Wie gut sind die Unterlagen, welche Jobbörse ist für das eigene Haus am besten geeignet, in welchem Organ inseriere ich am sinnvollsten?" (am)

*Ina Hönicke ist freiberufliche Journalistin in München.