Neue Wege bei der Aufzeichnungstechnik von Daten

Zone-Bit-Recording steigert die Leistung der Festplatten

26.10.1990

Immer mehr Daten immer schneller zu speichern ist das erklärte Ziel aller Laufwerkshersteller. Mechanisch ist die Leistung kaum noch zu steigern Reserven stecken in neuen Aufzeichnungstechniken und verbesserter Elektronik. Das hier vorgestellte "Zone-Bit-Recording"-Verfahren nutzt solche Techniken und erhöht Kapazität und Übertragungsrate um mehr als 30 Prozent. Das bringt dem Anwender größere Leistung für weniger Geld.

Mehr Platz auf der Festplatte und niedrigere Kosten pro MB sind und bleiben die Entwicklungsziele der LaufwerksherstelIer. Meistens heißt Leistungssteigerung aber auch Kostensteigerung. Das hat mit den aufwendigen Techniken zu tun, die angewandt werden. Soll ein Laufwerk mehr Daten speichern können, kann das auf verschiedene Weise bewerkstelligt werden.

Will man beispielsweise eine höhere Bit-Dichte auf der Plattenoberfläche erreichen, muß die Flußwechseldichte verbessert werden. Das stellt hohe Ansprüche an die Beschichtung. Eine engere Spurlage ist eine andere Möglichkeit, mehr Kapazität zu erzielen. Doch höhere Spurdichte verlangt präzisere Positionierungstechnik. Speicherplatz-Vergrößerung durch eine größere Anzahl von Platten ist eine weitere Alternative. Allerdings gestaltet sie sich nicht ganz unproblematisch: Muß der Zugriffsarm zu viele Köpfe bewegen, wird er träge. Mehr Platz kann also unter Umständen zu niedrigerer Geschwindigkeit führen. Größere Effektivität bei der Code-Umsetzung ist ein weiteres Mittel zur Leistungssteigerung.

Voraussetzung für die genannten Verbesserungen sind neue, leistungsfähigere Controller, Köpfe und Platten, deren Entwicklung jedoch viel Zeit und hohe Investitionen erfordert.

Doch es gibt noch andere Möglichkeiten, die Kapazität einer Festplatte zu steigern: Eine Lösung liegt in der besseren Ausnutzung der Maximalkapazität einer Plattenseite. Das Problem bei herkömmlichen Aufzeichnungsverfahren ist, daß die teure Hochleistungstechnik ausschließlich für die innerste Spur genutzt wird, denn Aufzeichnung in optimaler Bitdichte gibt es nur dort. Diese Spur ist aber die kürzeste und stellt so gesehen den "worst case" dar was die Kapazität betrifft. Durchmesser und Länge der Spuren nehmen zu, je weiter diese außen liegen. (Tabelle 1 zeigt die typischen Spurdurchmesser und -längen für verschiedene Laufwerksgrößen.)

Bei konventionellen Laufwerken ändert sich die Kapazität pro Spur dabei jedoch nicht, obwohl die Sektoren auf der äußersten Spur ungefähr 70 Prozent länger sind als die auf der innersten. Der Grund dafür ist die feste Anzahl von Sektoren pro Spur. Dadurch wird die Aufzeichnungsdichte von 20 000 Bit pro Zoll (bpi) der innersten Spur auf zirka 11 700 bpi der äußersten reduziert. (Dieser Wert gilt für ein 5?-Zoll-Laufwerk mit 300 KB formatierter Kapazität und 35 formatierten Sektoren von 512 Bytes auf einer Spur.) Die Aufzeichnungsdichte auf den anderen Spuren liegt zwischen diesen beiden Extremwerten .

Feste Sektorenanzahl nicht mehr notwendig

Durch solch konventionelle Aufzeichnungstechniken geht ein großer Teil potentieller Kapazität verloren. Die feste Sektorenanzahl pro Spur hat auch gute Gründe: Sie liefert eine konstante Datenübertragungsrate und vereinfacht so Lese-Elektronik, Interface und Controller. Das fiel in der Vergangenheit ins Gewicht, als Hardware noch teuer war und viel Platz brauchte, spielt aber heute kaum noch eine Rolle. Elektronische Bauteile werden immer kleiner und billiger und ermöglichen die Herstellung leistungsfähiger und kostengünstiger Controller. Weder eine variable Datenübertragungsrate am Schreib- und Lesekopf noch eine variierende Anzahl von Sektoren pro Spur sind für diese modernen Bausteine ein Problem.

All das sind gute Voraussetzungen für "Variable Track Capacity Recording" (VTCR). Diese Aufzeichnungstechnik schreibt nicht mehr in jede Spur die gleiche Anzahl von Sektoren, sondern variiert bei der Spurkapazität. Es soll also, um die Kapazität einer Plattenseite zu maximieren, die größtmögliche Aufzeichnungsdichte auf jede Spur geschrieben werden, unabhängig von ihrer Position im Plattenradius. (Auf einem 5?-Zoll-Laufwerk mit 20 000 bpi Aufzeichnungsdichte, 1280 Spuren pro Plattenseite und neun Seiten, die Daten aufnehmen, beträgt die maximale unformatierte Kapazität beispielsweise 343,6 MB.) Mit konstanter Spurkapazität können aber nur 253,2 MB gespeichert werden. VTCR brächte also eine Kapazitätssteigerung von 35,7 Prozent. (Tabelle 2 zeigt die Zunahme der Speicherkapazität durch VTCR für Laufwerke unterschiedlicher Plattengröße im Vergleich zu den konventionellen Aufzeichnungssystemen.)

Die maximale Kapazitätsausnutzung kann jedoch in der Praxis nicht realisiert werden. Geht man nämlich von einer inneren Spur zur nächst äußeren, werden Spurdurchmesser (und -länge) so minimal größer, daß nur einige wenige Bytes hinzugefügt werden könnten. Das wäre jedoch nicht sinnvoll.

"Zone Bit Recording" (ZBR), eine besondere Version des VTCR-Systems, trägt dieser Tatsache Rechnung: ZBR hält die Spurkapazität für eine bestimmte Anzahl von Spuren konstant. Sie wird erst erhöht, wenn eine Spur lang genug ist, um einen ganzen zusätzlichen Sektor aufzunehmen. Dieser besteht meist aus 512 Bytes plus zirka 100 Bytes Overhead. Die Summe dieser Kapazitäten ist selbstverständlich geringer als die theoretische Maximalkapazität. Das hängt mit der speziellen Sektorgröße und der Anzahl der Zonen ab, die der ZBR-Algorithmus belegt. Auch das ZBR-Prinzip, nur ganze Sektoren hinzuzufügen, spielt eine Rolle. "Zone Bit Recording" wird beispielsweise in der Seagate-Wren-5?-Zoll-Laufwerksfamilie seit 1987 verwendet. Es kann mit allen Plattendurchmessern benutzt werden und liefert eine über 30 prozentige Erhöhung der Kapazität.

Ein Laufwerk unter ZBR hat mehr Kapazität auf den äußeren Spuren (und Zylindern) als auf den inneren. Deswegen differiert auch die Datenübertragungsrate, und das Kapazitätsmittel verschiebt sich vom Zentrum des Aufzeichnungsbereichs nach außen. Bei einem Laufwerk mit 19 Zonen liegt das Kapazitätsmittel beispielsweise in der l3. Zone. (Die Datenübertragungsrate beträgt hier zirka 13,3 Mbit/Sekunde.) Diese gemessene Durchschnittsrate ist höher als das arithmetische Mittel (12,5 Mbit/s) von Minimalrate (10 Mbit/s) und Maximalrate (15 Mbit/s). Sie ist somit - außer in der innersten Zone - immer höher als die von konventionellen Laufwerken mit gleichen technischen Eigenschaften .

Die variable Datenrate wird bei solchen Laufwerken von einem eingebauten, gepufferten SCSI Interface verwaltet. Dadurch sind die Daten transparent für den Host-Rechner. Der Datenpuffer im Controller versorgt die Zentraleinheit mit der Datenmenge, die vom System angefordert wird, ungeachtet der unterschiedlichen Datenübertragungsrate von seiten des Laufwerks. Der limitierende Faktor ist nur die Pufferkapazität. Ein ANSI-Komitee ist dabei, die ESDI-Parameter zu definieren, die zur Unterstützung von VTCR-Laufwerken mit ESDI-Interfaces benötigt werden. Dann können auch andere Controller die unterschiedliche Datenübertragungsrate von VTCR-Laufwerken mit ESDI und einem anderen Device-Level-Interface verwalten und so die Anschlußmöglichkeiten solcher Laufwerke an verschiedene Systeme vermehren.

Deutlicher Vorteil durch VTCR gegeben

Laufwerke, die mit VTCR arbeiten, haben einen deutlichen Kapazitätsvorteil . Mit weniger Platten und Köpfen wird die gleiche Kapazität erreicht wie bei konventionellen Laufwerken mit fester Spurkapazität. Das Seagate-Laufwerk mit der Zone-Bit-Recording-Technik erreicht zum Beispiel mit fünf Platten ungefähr die gleiche Kapazität wie konventionelle 8-Platten-Laufwerke. Dies wirkt sich in niedrigeren Kosten und größerer Zuverlässigkeit aus. Wird umgekehrt VTCR/ZBR auf einem 8-Platten-5?-Zoll-Laufwerk (auf dem gleichen technischen Level) benutzt, überschreitet die Kapazität 500 MB. Bei äußerst geringen absoluten Mehrkosten bietet ein VTCR/ZBR-Laufwerk einen wesentlich niedrigeren relativen Preis pro MB Speicher als ein Laufwerk mit fester Spurkapazität. Außerdem ist die berechnete und in der Praxis geprüfte Durchschnitts-Datenübertragungsrate des hier beschriebenen Beispiellaufwerks mit VTCR/ZBR um zirka 33 Prozent höher als die eines konventionellen Laufwerks. Das ist ein wesentlicher, zusätzlicher Beitrag zur Leistungsfähigkeit eines Systems in vielen Anwendungen.

Durch mehr Kapazität in den äußeren Zonen ist dort auch die Datenübertragungsrate höher. In einem jüngst angekündigten 1200-MB-5?-Zoll-Laufwerk, das VTCR/ZBR verwendet, liegt die Datenübertragungsrate in der äußersten Zone bei 21 Mbit/s. Das sind 40 Prozent mehr als die 15 Mbit/s in der innersten Zone und damit auch mehr als bei jedem konventionellen Laufwerk des gleichen Levels der Kopf- und Datenträgertechnologie

Mit der Spurkapazität wächst auch die Zylinderkapazität. Sie korreliert mit der Datenübertragungsrate - im obigen Beispiel sind das 40 Prozent mehr Zylinderkapazität. Das hat auch wichtige Vorteile für die Leistung eines Systems.

Größere Zylinderkapazität bedeutet, daß eine gegebene File-Länge in weniger Zylindern gespeichert werden kann. Die Arbeit innerhalb dieser Files ist durch weniger Suchoperationen gekennzeichnet, da Daten in einem Zylinder sich ohne Bewegung des Schreib-Lesekopfs bearbeiten lassen.

Häufig benutzte Files in die äußeren Zonen

Wer sein System optimieren will, kann diese Vorteile auch bei der Datenorganisation auf seiner Festplatte nutzen. Er kann beispielsweise in den äußeren Zonen die Files ablegen, die häufig benutzt werden und die damit von einer höheren Datenübertragungsrate profitieren. Weniger verwendete oder weniger übertragungssensible Files lassen sich in den inneren Zollen speichern.

Gerade bei Hochleistungslaufwerken verbrauchen Spursuche und durchschnittliche "Latency", das ist die durchschnittliche Wartezeit, mehr als 11 Millisekunden. Liegt der nächste Datensektor im selben Zylinder, sind dagegen nur Mikrosekunden nötig, um die Köpfe zu schalten.

VTCR kann auch dazu verwendet werden, Positionierungszeit eines Laufwerks zu verkürzen. Verzichtet man auf den durch VTCR/ZBR erzielten Kapazitätsgewinn von etwa 30 Prozent und beschreibt nur die äußeren Spuren der Platte, so erhält man ein sogenanntes .,Short-Stroke"-Laufwerk. Bei gegebener Laufwerkskapazität und bei gegebenem Level der Kopf- und Datenträgertechnologie wird die Breite des Aufzeichnungsbereiches auf einem Laufwerk mit VTCR/ZBR schmaler sein als bei einer konventionell bespielten Platte.

Da die Zugriffszeit in direkter Beziehung zur Breite des abzutastenden Aufzeichnungsbereiches steht, bedeuten weniger Spuren eine kürzere durchschnittliche Zugriffszeit. Das wurde kürzlich bei einer Produkteinführung demonstriert: Die Festplatte mit einer Standardkapazität von 385 MB und VTCR/ZBR kam auf eine Durchschnittszugriffszeit von nur 10,7 Millisekunden, was, verglichen mit den 16 bis 18 Millisekunden bei konventionellen Laufwerken der gleichen Kapazität, eine beachtliche Leistungssteigerung bedeutet.

Alle diese Vorzüge von ZBR lassen sich am besten an I/O-Laufwerksoperationen pro Sekunde erkennen. Sie wurden in einem Simulationsmodell demonstriert: Die Simulation verglich die Anzahl der I/Os pro Sekunde von drei typischen, konventionellen 380-MB-Laufwerken mit einem ZBR-Laufwerk unter folgenden Arbeitsbedingungen:

- 75 Prozent Direktzugriffe und 25 Prozent sequentielle Zugriffe,

- Sektorgröße 512 Bytes,

- Übertragung von vier Sektoren (2048 Bytes) pro I/O-Operation.

Alle Systemparameter für die vier Laufwerke waren im Test gleich. Der einzige Unterschied ergab sich durch die Anwendung von VTCR/ZBR: Zugriffszeit, Zylinderkapazität und durchschnittliche Datenübertragungsrate waren verschieden.

Die Ergebnisse zeigen klar die Leistungssteigerung durch den Einsatz von VTCR/ZBR. Bei 30 Millisekunden Ansprechzeit erlaubt die neue Platte mehr I/Os pro Sekunde als das beste der konventionellen Laufwerke. Umgekehrt, bei 15 I/Os pro Sekunde haben die konventionellen Laufwerke zwischen 28 und 40 Prozent mehr Ansprechzeit.

Das ist besonders für Mehrplatz-Systeme interessant Möglichst viele I/Os pro Sekunde bedeuten für die einzelnen Teilnehmer bei (fast) gleichzeitigem Zugriff aufs System wesentlich geringere Wartezeiten.