Freiberufler-Exklusivstudie der Computerwoche

Zittern um den nächsten Auftrag

16.09.2010
Von 
Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.

Vorsicht bei Legacy-Projekten

IT-Freiberufler sind sich mehrheitlich darüber im Klaren, dass ihr technisches Know-how ihr Kapital ist. Im Durchschnitt investieren sie 4,8 Prozent ihrer Einnahmen in Weiterbildung. Das ist ein hoher Wert, der die Investitionen vieler Dienstleistungs-Unternehmen übersteigt, die im IT-Sektor meist zwischen 1,5 und 2,5 Prozent ihres Umsatzes für Schulungen einsetzen. Während "Weiterbildung im Allgemeinen" für über 45 Prozent der Befragten eine große Bedeutung hat, stehen die "Zertifikate im Allgemeinen" nicht so hoch im Kurs. Geht es um die Frage, ob Zertifikate oder Erfahrung wichtiger seien, brauchen die Freiberufler nicht lange zu überlegen: Erfahrung schlägt Zertifikate.

Top-Itservices-Vorstand Lidl empfiehlt den Externen, sich zu neuen Techniken schnellstmöglich Kompetenzen anzueignen. "Wenn sich der Freiberufler schon in das Beta-Release einarbeitet, hat er gegenüber anderen IT-Profis einen Zeitvorsprung." Darüber hinaus sei es wichtig, sich mit Kollegen auszutauschen. Nicht selten sehe die Realität im Projekt anders aus als von den Auftraggebern angekündigt. Götzfried warnt sogar vor Stillstand: "Freelancer sollten nicht über viele Jahre in einem Legacy-Projekt verweilen. Das kann dazu führen, wissensmäßig den Anschluss zu verpassen." Wenn es die Chance gebe, sich in neue Themen einzuarbeiten, sollten Freiberufler auch kompromissbereit sein. Oft sei nicht das bestbezahlte Projekt das richtige, sondern eines, bei dem der Externe möglicherweise noch Lehrgeld zahlen müsse. Gulp-Manager Moser sieht das ähnlich und betont, Unternehmen würden sich dann Externe ins Haus holen, wenn sie Spezial-Know-how für innovative Projekte benötigten. Um das Know-how aktuell zu halten und zusätzliche Kenntnisse zu erwerben, zähle vor allem die Praxis. Hays-Sprecher Schabel weist darauf hin, dass man in jedem Alter Wissen erwerben könne.

Konkurrenzdruck aus Indien?

Selbstverständlich haben Globalisierung und Internationalisierung auch im Freiberuflermarkt ihre Spuren hinterlassen. Anwenderunternehmen zeigen verstärktes Interesse an international tätigen Externen. Während über die Hälfte der befragten IT-Freiberufler die Globalisierung und die Konkurrenz aus Billiglohn-Ländern fürchtet, reagieren Agenturvertreter positiver. Sie glauben nicht, dass der Preisdruck in dem Maß zunimmt, wie sich die Märkte öffnen.. "Die hohe Qualität der Dienstleistung, für die die deutsche Wirtschaft immer noch berühmt ist, zeichnet auch die Freiberufler hierzulande aus", meint Solcom-Manager Nagel.

Das Interesse, Aufgaben nach Indien und China zu verlagern, gehe bereits wieder zurück. Nicht wenige Unternehmen holten Projekte wieder nach Deutschland. "Viele Projektleiter räumen ein, dass sie in der Zeit, in der sie einem indischen Entwickler den Sachverhalt erklärt haben, den Auftrag längst hätten selbst erledigen können." Darüber hinaus würden sich die meisten Kunden nach wie vor einen Vor-Ort-Einsatz wünschen. Arbeiten über große räumliche Distanzen hinweg ist seiner Meinung nach oft nicht ohne Reibungs- und Qualitätsverluste möglich, da der Abstimmungsaufwand gerade zu Projektbeginn sehr groß sei. Hinzu komme, dass hierzulande deutsche Sprachkenntnisse für mehr als 80 Prozent der Firmen ein absolutes Muss seien. "Die Devise think global - act local gilt hier ganz besonders", so Nagel.

Gulp-Geschäftsführer Moser ergänzt: "Nur in der Programmierarbeit nach Schablone gibt es viel Konkurrenz." Da aber die Projektarbeit Kommunikationsfähigkeiten, Geschäftsprozesswissen und vieles mehr erfordere, entstehe für IT-Freelancer mit dem entsprechenden Know-how kaum zusätzliche Konkurrenz. Kommunikationsexperte Schabel ergänzt: "Preisdruck heißt nichts anderes als ein Austarieren von Angebot und Nachfrage. Bei entsprechender Nachfrage steigt der Preis. Wenn die Externen in einem bestimmten Segment in Hülle und Fülle vorhanden sind, sinkt der Preis." Fakt sei aber auch, dass ausländische Freiberufler in Deutschland kaum präsent sind.