E-Commerce/Zielgruppengerechte Anwendungssysteme

Zertifizierter Benutzerkomfort für EDI- und Shopping-Systeme

16.10.1998

Anhand umfangreicher Kriterienkataloge werden anwendergerechte EDI- beziehungsweise Shopping-Systeme zielgruppenspezifisch auf Funktionsumfang und Benutzerführung untersucht; die Ergebnisse werden über verschiedene Medien veröffentlicht. Hersteller erhalten Hinweise, wo im Markt sie positioniert sind und welcher Weiterentwicklungsbedarf besteht. Der Kunde bekommt einen Überblick über wichtige Entscheidungskriterien und kann sich gezielt Produkte für seinen Bedarf ansehen.

Die Dedig ist ein 1991 gegründeter gemeinnütziger Verein zur Förderung der elektronischen Geschäftsabwicklung (EDI/EC). Mitglieder, aber auch andere Interessenten erhalten Unterstützung bei der Strategie-, Partner- und Produktauswahl sowie Informationen zu Anbietern, Technologien und Technologietrends. Das Themenumfeld umfaßt die Bereiche Sicherheit von Electronic Commerce (EC), EDI und Internet-EDI, Online-Vertrieb/ -Marketing sowie Rechtsaspekte rund um EC. Informationen über Hersteller und Produkte lassen sich beispielsweise online auf dem Dedig-Server (www.Dedig.de) abrufen, Broschüren und andere Dienstleistungen können im Dedig-Shop elektronisch geordert werden. Der Verein ist ferner Herausgeber des EDI/EC-Fachmagazins "EDI-Change" sowie des Titels "EDI/EC-Jahrbuch", einer Broschüre in der Art der "Gelben Seiten" mit mehr als 850 Einträgen über Anbieter und Organisationen rund um EC.

Zur Zeit sind 76 Mitglieder aus dem Anbieter- und Anwenderumfeld aktiv und nutzen die Dienstleistungen des Vereins, die unter anderem die WWW-Präsentation des Unternehmens und seiner Produkte sowie Erfahrungen auf dem Dedig-Server beinhalten.

Seit Jahren bietet die Dedig die Zertifizierung von Edifact-Subsets an. Inhalt ist die Überprüfung unternehmens- beziehungsweise branchenindividueller Implementierungen von Edifact-Nachrichtentypen auf Normkonformität entsprechend ISO-9735. Seit Mitte dieses Jahres wird nun auch die Zertifizierung von EDI- und Shopping-Systemen angeboten. Ungewöhnlich ist, daß die Produkte für unterschiedliche Zielgruppen hinsichtlich Funktionsumfang und Handhabung, also differenziert nach Anwendertypus, untersucht werden.

Wem nützt eine solche Zertifizierung? Der Kunde erhält bei Software-Investitionen eine qualifizierte Vorauswahl und die Sicherheit, daß die Produkte definierten Anforderungen entsprechen, die auf die Bedürfnisse seines Anwendertypus abgestimmt sind. Anbieter erhalten von neutraler Seite qualifizierte Aussagen, wo die Produkte aus Sicht der Anwender Stärken und Schwächen aufweisen, also ein Gütesiegel, das sich vertriebspolitisch nutzen läßt.

Der Antragsteller erhält nach erfolgreicher Prüfung ein Zertifikat, mit dem er werben kann, einen Produkt- und Unternehmenseintrag auf dem Dedig-Informations-Server, einen Produkt- und Unternehmenseintrag in den regelmäßig veröffentlichten Zertifizierungslisten der EDI-/EC-Fachzeitschrift "EDI-Change" und anderen Fachpublikationen sowie einen Prüfbericht des Produkts aus Anwendersicht.

Das Zertifikat belegt, daß Produkte nach Maßgabe eines standardisierten Kriterienkatalogs untersucht wurden und den gestellten anwendergruppenspezifischen Anforderungen entsprechen.

Entwickelt wurden die Zertifizierungsprogramme, die mehr als 130 Einzelpunkte umfassen, unter anderem in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik von Professor Rainer Thome in Würzburg. Die Auswertung erfolgt systemklassenspezifisch nach einem gewichteten Punkteschema, wobei in jedem Zertifizierungsbereich eine Mindestpunktzahl erreicht werden muß.

Zu Beginn einer jeden Zertifizierung steht die Systemklassenzuordnung in die Kategorien Gateway-, Server- oder Klein- beziehungsweise Branchensystem, anhand dessen das Prüfschema ausgewählt wird. Der Kriterienkatalog zur Zertifizierung von EDI-Systemen umfaßt sieben Teilbereiche. Ende August wurde die erste Zertifizierung des EDI-Servers "EMG/EDI-TIE Multigateway" bei der Edirekt IMT in Gärtringen durchgeführt.

Analog zur Zertifizierung von EDI-Systemen erfolgt bei den Shopping-Systemen bei Antragstellung eine Klassifikation in Produktkatalog, Shopping-System, Vertriebs-Server und Mall-System.

Als Abgrenzungskriterien dienen beispielsweise Preis, Betriebssystemplattform und Funktionsumfang.

Edi- und Shopping-Systeme

Zertifiziert sind beziehungsweise eine Zertifizierung beantragt haben bislang die folgenden Unternehmen:

EMG/EDI-TIE Multigateway (Edirekt GmbH)

W. App Shop (Integratio GmbH)

E.D.I. Trade (Influe Informationssysteme GmbH)

ISS Internet Sales Server (Compu Team GmbH)

Com 4 (Alphalink GmbH)

W.App EDI (Integratio GmbH)

Tradeexpress (Tangram Tele Office GmbH)

Umfang des Kriterienkatalogs "Edi-Systeme"

Inhalt der Zertifizierung Prüfgegenstand (Auszug)

Systemklassifikation Gateway-, Server-, Klein- beziehungsweise Branchensystem

Produktumfang Funktionale Vollständigkeit wie Datenbank, Konverter, Formulareditor, Formular- generator, BWL-Funktionen, Mapping-Tool, Accounting, Ablaufsteuerung oder Kryptografie.

Support/Dokumentation Aufbau und Layout der Dokumentation, Beispiele, Verweise und Indexlisten, Online-Hilfe, Assistenten sowie Systemschulungen und Gewährleistungsumfang

Benutzeroberfläche und Ergonomieauswertung der grafischen Benutzeroberfläche, Eingabefilter, -ergonomie Navigations- und Orientierungshilfen sowie Homogenität und Übersichtlichkeit der Masken

Bedienungslogik Einstufung der Bedienung und der Prozeßlogik des EDI-Systems anhand verschiedener Konfigurations- und Administrationsprozesse

Installation und Ermittlung des Komplexitäts- und Automatisationsgrads der Software-Installation, Konfiguration Konfiguration der System-/Ablaufsteuerung, Inhouse-Anbindungen sowie Stammdatenpflege.

Betrieb und Archivierung von EDI-Nachrichten, Protokollen und Tabellen sowie des Loggings Administration auf inner- und zwischenbetrieblicher Ebene, aufbereitete Datenausgabe und verschiedene Aspekte der Systemadministration

Sonder- und Management-Funktionen bei Sonderprozessen/-ereignissen wie Fehler- Spezialprozesse Management oder Recovery

Die Zertifizierung erfolgt versionsspezifisch, indem das Produkt auf einem Testrechner installiert und systematisch anhand des Kriterienkatalogs untersucht wird. Damit bei einem Versionswechsel das Zertifikat nicht erlischt, ist eine Eignungsprüfung erforderlich.

Umfang des Kriterienkatalogs "shopping-systeme"

Inhalt der Zertifizierung Prüfgegenstand (Auszug)

Systemklassifikation Produktkatalog, Shopping-System, Vertriebs-Server, Mall-System

Produktumfang Überprüfung auf funktionale Vollständigkeit wie Datenbank, Web-Server, Bestellabwicklung, Warenwirtschaftsfunktionen, Accounting, EDI-/Inhouse- Schnittstellen, Management-/Auswertungs-Tool oder Bezahlabwicklung

Installation/Konfiguration/ Erforderliche Betriebssystems-, DB- und HTML-Kenntnisse, Betriebsformen, Dokumentation vorhandene Templates und Datenimportmöglichkeiten, Dokumentation, Systemschulungen und Gewährleistungsumfang der Anbieter

Benutzerergonomie/ Ergonomieauswertung der Benutzeroberfläche, Navigation sowie der Homogenität Bedienungslogik und Übersichtlichkeit der Masken sowohl bezüglich Pflege als auch in puncto Administration

Präsentation/Navigation Flexibilität der Produktdarstellung, Sparteneinteilung, Sonderaktionen, Produkt- datenumfang und Suchmöglichkeiten

Bestellabwicklung/ Warenkorb, Bestellabwicklung, One-to-one-Marketing, Cross-Selling, Marketing- Marketing Auswertungen, Bezahlfunktionen

Betrieb/Administration/ Transaktionsverwaltung, Logging, Datensicherung, verschiedene Aspekte der Datenpflege Systemadministration.

Sonder-/Spezialfunktionen Warenwirtschaft, Agenten, Notifying, Zugangsbeschränkungen, individuelle Benutzerprofile

Schnittstellen/ Export-, Import-Schnittstellen, Anbindung an Inhouse-Systeme Inhouse-Integration

Die Kosten für die Überprüfung (siehe Tabellen unten) sind im Vergleich zu Zertifizierungsprogrammen anderer Gremien günstig. Im Vordergrund steht nicht Gewinnerzielung, sondern die Förderung des E-Commerce.

Hintergrund

Unnötige Komplexität, ein unabgestimmter Funktionsumfang und mangelnde Bedienlogik von Software sorgen immer wieder für Schwierigkeiten und Kosten. Die Ursachen dafür sind falsche Produktauswahl beziehungsweise Produkte, die zwar technisch gut sind, die Bedürfnisse des Anwenders aber nicht erfüllen. Semiprofessionelle Anwender sind dankbar für komfortable Administrationsdialoge, Eingabehilfen und eine schöne Oberfläche; für Power-User ist dies überflüssig. Sie brauchen hohe Funktionalität und effiziente Parametrisierbarkeit. Häufig müssen aus Zeit- und Kostengründen Marktanalysen und eine Produktevaluation in puncto Zielgruppenkonformität zurückgestellt werden.

Angeklickt

Zertifizierungen besitzen mitunter den Beigeschmack, Kosten ohne quantifizierbaren Nutzen zu erzeugen. Die Deutsche EDI-Gesellschaft e.V. (Dedig), Berlin, unternimmt einen Versuch, das Gegenteil zu beweisen. Zu vergleichsweise moderaten Kosten erhalten Anbieter im Bereich Electronic Commerce neben einem Gütesiegel und einer neutralen Produktevaluation auch Publicity, was das Zertifikat gerade für kleinere Anbieter von EDI- und Shopping-Systemen sowie für Newcomer im EC-Bereich interessant macht.

Dr. Rainer Scheckenbach, Integratio Gesellschaft für zwischenbetriebliche Integration und Electronic Commerce mbH in Würzburg.