Neue Technik läßt Geräte auf Brieftaschenformat schrumpfen:

Zelltelefone versprechen gute Gewinnchancen

02.12.1983

CHICAGO (hr)-Zu den interessantesten Märkten, die in den nächsten Jahren umfangreiche

Wachstums- und Gewinnchancen versprechen, gehört nach Ansicht vieler Experten der Bereich Funk- beziehungsweise Zelltelefone. Im Oktober hat Ameritech Mobile Communications Inc. in Chicago das erste kommerzielle Zelltelefonnetz (cellular radio) in den Vereinigten Staaten eingeführt. Die dabei verwendete Technologie soll einmal die Kapazität von mobilen Funktelefonen erweitern und zum anderen die Qualität verbessern.

Damit dürften, so heißt es in Industriekreisen, die Voraussetzungen für die Entwicklung von Telefongeräten geschaffen worden sein, die sogar in einer Brieftasche Platz finden, ohne daß dadurch die Reichweite oder die Tonqualität beeinträchtigt werden. Allgemein rechnet man damit, daß bis zum Ende des Jahres eine Reihe weiterer Gesellschaften "Zelltelefondienste" in den 30 größten Städten der Vereinigten Staaten anbieten werden. Dazu dürfte auch Western Union gehören.

Dieses Unternehmen hat bei den zuständigen Aufsichtsbehörden bereits Lizenzen für die wichtigsten Versorgungsgebiete in den Vereinigten Staaten und Kanada beantragt. Noch nicht allein in seiner Funktion als Betreiber eines derartigen Netzes dürften sich Western Union nach Ansicht des Brokerhauses Prudential Bache Chancen eröffnen.

Mit der im vergangenen Jahr vollzogenen Übernahme von E. F. Johnson könnte die Gesellschaft auch als Anbieter entsprechender Einrichtungen eine wichtige Rolle spielen. E. F. Johnson hat nach eigenen Angaben derzeit einen Anteil von 25 bis 30 Prozent am amerikanischen Markt für mobile Telefoneinrichtungen. Die Geschäftsleitung hofft einen ähnlich hohen Anteil auch bei Zelltelefonen erringen zu können.

Dies hänge allerdings auch von der Preisentwicklung dieser Geräte ab. Man rechnet damit, daß 1983 in den Vereinigten Staaten etwa 10 000 mobile Telefone aller Marken abgesetzt werden. Langfristig dürfte sich für das Unternehmen hier eine bedeutende Einnahmequelle ergeben. Nicht zuletzt aufgrund dieses Aspekts empfiehlt Bache die Aktie von Western Union zum Kauf.

AT&T Auftrag an Motorola

Unter den Herstellern von Kommunikationseinrichtungen für diesen neuen Dienst spielt auch Motorola eine wichtige Rolle. Das Unternehmen hat nicht nur ein eigenes System mit der Bezeichnung Dyna Tac entwickelt, sondern erhielt auch kürzlich von AT&T einen Auftrag, der zunächst einen Umfang von 50 Millionen Dollar haben dürfte, über die Lieferung von digitalen Schaltungen und sonstigen Komponenten.

An dem neuen Netz in Chicago ist neben Ameritech Mobile mit einem Anteil von 93 Prozent auch Centel Cellular Mobile Company, eine Tochter von Centel Corp., die im Jahr 1982 gegründet wurde, mit sieben Prozent beteiligt. Die Aktie von Centel wird im übrigen von Merrill Lynch zum Kauf empfohlen.

Das von der Federal Communications Commission in den Vereinigten Staaten zugelassene System basiert auf einem von Bell Laboratories schon vor Jahren entwickelten Konzept. Das Versorgungsgebiet wird dabei in sogenannte Zellen aufgeteilt, in denen Sende- und Empfangseinrichtungen mit geringer Reichweite stehen. Damit kann dieselbe Frequenz von mehreren Teilnehmern, die sich innerhalb verschiedener Zellen befinden, gleichzeitig benutzt werden.

Verläßt der Teilnehmer mit seinem Autotelefon eine Zelle und erreicht die nächste, so registriert

ein Computer das Schwächerwerden des Signals und weist ihm automatisch eine andere Frequenz innerhalb der neuen Zelle zu. Im Rahmen des früheren mobilen Telefon-Systems war die Teilnehmerzahl wegen der nur begrenzten Zahl an Frequenzen, die aufgrund der notwendigerweise größeren Reichweite der Sender zur Verfügung standen, beschränkt.

Bis zum Ende des Jahres rechnet man bei Ameritech Mobile mit 5000 Teilnehmern in dem 6500 Quadratkilometer großen Versorgungsgebiet um Chicago. Innerhalb von drei bis fünf Jahren könnte diese Zahl dann unter Umständen bis auf 100 000 steigen. Ameritech Mobile Communications ist eine Tochter von Ameritech, einer der sieben regionalen Betriebsgesellschaften, die nach der Entflechtung von AT&T am 1. Januar 1984 ins Leben gerufen werden.

Dieser Tage wurde bereits der Handel mit der Aktie des Unternehmens auf "when-issued"-Basis aufgenommen. Die künftige Kursentwicklung dürfte nach Meinung von Analytikern wesentlich vom Erfolg des neuen "Zelltelefondienstes" mitbestimmt werden. Beim augenblicklichen Kursniveau empfiehlt Merrill Lynch diesen Titel zum Kauf.

Hinsichtlich des genauen Umfangs dieses Marktes differieren die Schätzungen allerdings stark. Während Ameritech prognostiziert, daß bis zum Jahr 1990 ein Volumen von drei Milliarden Dollar erreicht werden könnte, geben sich andere Experten skeptischer. Aus diesen Reihen ist zu hören, daß der neue Dienst noch sehr teuer sei, was unter Umständen abschreckend wirken könnte. Die Kosten für den Erwerb und die Installation eines Zelltelefons liegen derzeit bei etwa 3000 Dollar. Ameritech will eine monatliche Gebühr von 50 Dollar verlangen und zusätzlich 70 Cent je Minute Sprechzeit zwischen 7 und 19 Uhr sowie 24 Cent in der übrigen Zeit berechnen. In den nächsten drei bis fünf Jahren, wenn größere Stückzahlen produziert werden, könnten die Anschaffungskosten aber auf 1500 Dollar sinken, heißt es.