Der Anwender muß Parameter setzen und ändern können

Zeiterfassung hat dezentralen Charakter

18.01.1985

In der CW Nr. 45 vom 2, November 84 stellte Walter Beckers einen aus der Praxis entwickelten Leitfaden zum Umgang mit Zeiterfassungssystemen" anhand einer Checkliste vor. Viele Betriebe sind durch die neuen Tarifverträge gezwungen, ihre Arbeitsplatzregelungen zu verändern, und damit wird auch das Thema Zeiterfassung aktuell. Dieser "aus der Praxis" entwickelte Leitfaden ist jedoch In vielen Dingen einfach nicht praxisgerecht.

Zunächst einmal ist es ein gewaltiger Unterschied, ob ein Mittelbetrieb mit 50 Mitarbeitern, ein Großbetrieb mit 1000 Mitarbeitern, eine Sparkasse oder ein Fertigungsbereich -die automatisierte Zeiterfassung einführen möchten.

Natürlich hat ein 50-Mann-Betrieb des Maschinenbaus theoretisch die gleichen Probleme wie ein Großbetrieb dieser Branche. Nur müssen hier die in der Praxis auftretenden Datenmengen berücksichtigt werden. Es wäre auch unsinnig, für in einem kleineren Betrieb dreimal im Jahr vorkommende Überstundenarten eine automatische Abrechnung vornehmen zu lassen und die Software dafür zu bezahlen und zusätzlich die erforderliche Hardware dafür bereitzustellen. Der ganz andere Datenanfall beim Großbetrieb macht dies jedoch zwingend notwendig. Hier muß also zunächst einmal ganz zu Anfang eine grundsätzliche Gewichtung erfolgen, die auch die Weiterverarbeitung der Zeitdaten in der Lohnabrechnung berücksichtigt.

So ist es sicherlich auch nicht sinnvoll, bei einem Kleinbetrieb eine teure Offline-Diskette (oder Band) oder gar noch teurere Online-Lösung vorzusehen. Hier reicht eine gut aufbereitete Liste am Ende der Abrechnungsperiode aus, die dann in kürzester Zeit manuell erfaßt werden kann.

V.24-Schnittstelle reicht nicht aus

Überhaupt online! Um eine Onlineverbindung zu einer nachgeschalteten EDV zu ermöglichen, reicht das Allheilmittel V.24-Schnittstelle wohl nicht aus, wenn die erforderliche Prozedur- und Verarbeitungssoftware nicht vorhanden ist. Und was passiert mit den zu übertragenden Daten, wenn der Host gerade nicht verfügbar ist? Also müssen sie zwischengepuffert werden und zwar meist auf Diskette als preiswertestem Medium. Und dann kann man die (kompatibler) Diskette bitte schön auch periodisch offline zum Host geben, wobei die 5 1/4-Zoll-Diskette wohl in den meisten Fällen ausscheidet. Zumal vernünftige Zeiterfassungssysteme heute ohnehin in der Lage sind, die Daten periodisch aufbereitet für die Weiterverarbeitung zur Verfügung zu stellen.

Dabei ist es auch unerheblich, ob der Rechner frei programmierbar ist. Er muß sehr weitgehend vom Anwender selber parametrisierbar sein, er muß große Tabellen im RAM-Bereich bereithalten, aber die eigentliche Software kann aus Sicherheitsgründen getrost im PROM stehen.

Ob Programmänderungen vom Anwender leicht durchzufahren sind? Kein Anwender arbeitet sich in ein realtimefähiges Zeiterfassungsprogramm ein, um irgendwelche Änderungen herbeizuführen. Der Anwender muß, wie vorher schon gesagt, die Parameter setzen und ändern können, und dazu gehören

- Zeitgruppen/Schichtfenster,

- Überstunden- und Zuschlagsparameter

- Fehlerzeitenparameter,

- Automatikfunktionen,

- Status- und Gruppenparameter

- Berechtigungsparameter.

Die Leistungsfähigkeit des gesamten Systems hängt sehr stark davon ab, wie weitgehend der Anwender sein System selber parametrisieren kann und somit den geänderten Anforderungen (neue Tarifverträge, Arbeitszeitverkürzungen, flexiblere Arbeitszeitgestaltung) anpassen kann.

Ein Checkliste, wenn man eine solche aufstellen will, sollte sich daran orientieren. Nicht die Anzahl der Zeitgruppen allein ist das Maß aller Dinge, sondern die Mächtigkeit. Wie viele Zeitgruppen beispielsweise werden benötigt, um einen vernünftigen Schichtplan mit Wechsel- und Freischichten zu automatisieren?

Gleitzeiterfassung ein Kinderspiel

Zum Schluß steht in der Checkliste, ob eine unverbindliche und kostenlose Testinstallation von zweimonatiger Dauer durchgeführt werden kann. Hier muß man sich vor Augen halten, daß die Zeiterfassung dezentralen Charakter hat und eine Menge Installationsaufwand zu treiben ist. Ein Zeiterfassungssystem ist in den meisten Fällen nun mal kein Kompaktsystem, das einfach hingestellt wird und arbeitet. Terminals müssen installiert und eventuell neue Datenleitungen verlegt werden. Wer soll diese Kosten tragen?

Damit bei einer Testinstallation dem Anwender auch ein Nutzen und damit eine Entscheidungsgrundlage erwächst, muß das System auf seinen Betrieb parametriert werden. Die Stammdaten müssen erfaßt, der Anwender muß eingewiesen werden. Alles kostenlos? Nun könnte man sagen, die Testinstallation käme nur für einen kleinen Teilbereich in Betracht, zum Beispiel für eine GLAZ im kaufmännischen Bereich, wo die Buchungsterminals auch durch die Umgebung nicht so beansprucht werden. Kann jedoch der Anwender dann die erforderliche Software richtig testen? Die GLAZ-Erfassung ist gegenüber dem gewerblichen Bereich ein reines Kinderspiel.

Nein, es gibt für den Anwender einen einfacheren Weg, damit die Zeiterfassung für ihn kein Stolperstein wird:

- eine genaue Aufgabenstellung unter frühzeitiger Hinzuziehung des Betriebsrates erarbeiten; - sich über die Möglichkeiten der Software und der Parametrisierung am System selber beim Hersteller zu informieren, und

- sich die Erfahrung anderer Unternehmen durch Referenzbesuche zunutze zu machen.

*Bernhard Adamski ist Zeiterfassungspezialist

bei Interflex Datensysteme in Mettmann.