Zeit fuer Standards

14.05.1993

So fuerchterlich sei das Kuerzel CAx eigentlich gar nicht, wandte ein sarkastischer Anwender ein, eher sogar treffend. Schliesslich koenne man das X auch so interpretieren, dass in diesem Markt jeder Anbieter sein x-beliebiges proprietaeres Sueppchen koche. Von der Offenheit, Kommunikations- und Integrationsfaehigkeit, wofuer X gewoehnlich in der Computerbranche stehe, sei in dieser Sparte keine Spur.

Wer laestert, darf dabei ruhig etwas uebertreiben. Im Kern hat der Mann aber recht. Denn was die verschiedenen Systeme an Offenheit und Interoperabilitaet zu bieten haben, ist schon recht bescheiden. Man versteht sich sozusagen nur im engsten Familienkreise. Meistens gelingt es gerade noch, eine Linie durch die Punkte A und B vom System Y auf System Z zu uebertragen - aber alle Informationen zu der Geometrie scheitern an den Systemgrenzen.

Doch die Zeiten aendern sich. Die proprietaere und technisch mangelhafte Schnittstelle DXF oder in die Jahre gekommene Standards wie Iges genuegen den Anforderungen immer weniger. Seit gut einem Jahr bestimmt Step die Diskussion. Zu diesem internationalen Standard hatten sich die CAx-Hersteller schon verpflichtet, bevor er ueberhaupt definiert war. Die einstmals so selbstgerechten Anbieter beugen sich auch in diesem DV-Segment der Macht und den Forderungen der Anwender. Denen sitzt in der derzeitigen Krise das Geld nicht mehr so locker, weshalb die Frage aufgekommen ist, wieso all das teure DV-Geraet die Produktivitaet nur so wenig gefoerdert hat. Und sie haben entdeckt, dass ein offenes System mit einigen Einschraenkungen immer noch besser ist als ein geschlossenes mit allem ausgefeilten Schnickschnack.

Die Zeit bis zur Marktreife eines Produkt - time to market - muss dringend reduziert werden. Das laesst sich nur durch eine bessere DV-technische Integration der Systeme und ueber Schnittstellen erreichen. Ausserhalb Europas gestellte Anforderungen an Produktlieferanten bringen ploetzlich Standardisierungsthemen auf den Tisch, die in wenigen Jahren ausdiskutiert sein muessen, von denen man hierzulande bisher aber kaum gehoert hat: Cals und SGML. Grossanwender sind aufgewacht. In Standardisierungsgremien wie Prostep sind Anwender wie selbstverstaendlich neben den Herstellern vertreten. Das ist in der DV-Branche ansonsten ganz und gar unueblich.