Digitalisierung meets Personalführung

Zehn Tipps für besseres Personalmanagement

23.02.2017
Von 
Prof. Dr. Dirk Lippold ist Gastprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin und lehrt darüber hinaus an verschiedenen Privathochschulen in MBA-, Master- und Bachelor-Studiengängen. Seine Lehrtätigkeit umfasst die Gebiete Unternehmensführung, Marketing & Kommunikation, Personal & Organisation, Technologie und Innovationsmanagement sowie Consulting & Change Management. Zuvor war er über drei Jahrzehnte in der Software- und Beratungsbranche tätig – zuletzt als Deutschland-Geschäftsführer einer großen internationalen Unternehmensberatung mit weltweit über 120.000 Mitarbeitern.

In ein gerechtes Gehaltssystem investieren

Das Gehaltssystem ist der größte Hygienefaktor eines Unternehmens. Wenn es von den Mitarbeitern nicht als gerecht empfunden, hat das Management ein Problem, das ihm mindestens einmal im Jahr auf die Füße fällt. Die faire Vergütung im Vergleich zu Kollegen zählt zu den Top-Treibern der Mitarbeiterbindung und ist zweifellos der entscheidende Erfolgsfaktor aller Anreiz- und Vergütungssysteme. Doch was heißt "fair" und was bedeutet "gerecht"? Absolute Gerechtigkeit wird es nicht geben, aber wenn das Gehaltssystem mindestens drei sogenannte Gerechtigkeitsprinzipien enthält, dann ist schon sehr viel gewonnen. Folgende drei Kernprinzipien der Entgeltgerechtigkeit sind für die Zusammensetzung der Gehaltsstruktur maßgeblich:

• Anforderungsgerechtigkeit (im Hinblick auf Qualität, Schwierigkeitsgrad oder Verantwortungsbereich des Jobs beziehungsweise der jeweiligen Position. Das heißt der Geschäftsführer sollte mehr verdienen als die Empfangsdame).

• Marktgerechtigkeit (im Hinblick auf die Vergütungsstruktur der Branche beziehungsweise des Wettbewerbs).

• Leistungs- beziehungsweise Erfolgsgerechtigkeit (im Hinblick auf die Leistung oder den Erfolg des Mitarbeiters/der Führungskraft einerseits und des Unternehmens andererseits).

Allerdings fallen die Prinzipien der Entgeltgerechtigkeit nicht vom Himmel. Sie müssen für jedes Unternehmen individuell definiert und in die jeweiligen - sofern vorhanden - Karrierestufenmodelle sowie in das Gehaltsbandbreitensystem und in die variablen Vergütungskomponenten eingebracht werden. Hier lohnt es sich, in ein modernes "Compensation & Benefit-System" zu investieren. Der Return on Investment ist überraschend!

Das Management braucht digitales Know-how

Wenn die digitale Transformation immer wichtiger und das Veränderungstempo immer schneller werden, müssen auch Vorstände und Geschäftsführer stets auf dem Laufenden bleiben, um Auswirkungen auf ihr Unternehmen und ihr Geschäftsmodell frühzeitig zu erkennen. Digitalisierung verspricht Unternehmen Effizienz, Weiterentwicklung und Wettbewerbsvorteile in angestammten und in neuen Märkten. Dazu muss in den Betrieben die gesamte Wertschöpfungskette überarbeitet werden. Das beginnt bei der Beobachtung des Marktes und der Ermittlung der Kundenbedürfnisse.

Das Erfassen von Kundendaten bildet die Grundlage für ein personalisiertes Marketing. Die Kommunikation mit potenziellen Käufern muss deshalb sehr früh beginnen. Eine Webseite mit der Darstellung des Unternehmens reicht heute nicht mehr aus. Digitale Informationen müssen gesammelt, verarbeitet und in marktfähige Angebote übertragen werden. Hier ist eine Unternehmensführung gefragt, die diesen Prozess versteht und ihn anstoßen, steuern und überwachen kann. Mit anderen Worten: Digitale Transformation wird ohne die richtige Unternehmensführung nicht funktionieren. Manager ohne digitales Know-how sind out.

Talentmanagement ist out - Talentpool ist in

Unternehmen sollten das falsche Konstrukt des Talentmanagements beseitigen, mit dem heute immer noch standardisierte Führungsklone als künftige Vorgesetzte produziert werden sollen. Im Hinblick auf die digitale Transformation ist es vielmehr ratsam, Führungskräfte hinsichtlich der Eignung für den virtuellen Kontext auszuwählen beziehungsweise entsprechende Personalentwicklungsangebote (Beziehungstraining) anzubieten.

Damit gehört nicht nur die Integration neuer Mitarbeiter (Onboarding), sondern auch das Halten und Binden der vorhandenen Talente zu den vorzüglichsten Aufgaben des Personalmanagements. Firmen sollten sich bei der Suche nach solchen potenziellen Führungsnachwuchskräften an folgenden drei Kriterien orientieren:

1. Vielfalt statt Konformität: Gefragt sind keine "abgerundeten" Persönlichkeiten, die keine Schwächen, aber eben auch keine Stärken haben. Unternehmen sollten Kandidaten mit Ecken und Kanten bevorzugen, die eine ausgeprägte Stärke für Führungsaufgaben haben und an deren Ecken und Kanten auch einmal wirksame Vorschläge hängen bleiben.

2. Performance statt Potenzial: Potenziale sind zunächst immer nur vage Hoffnungen auf Leistungen, die der Aspirant später einmal erbringen könnte - oder auch nicht. Firmen sollten sich besser auf solche Führungsnachwuchskräfte konzentrieren, die Leistungen und Ergebnisse gezeigt haben. Das sind zumeist solche Kandidaten, die in ihren Lebensläufen Ergebnisse und nicht Positionen angegeben haben.

3. Einstellungen statt Fachwissen: Betriebe sollten nicht nach den fachlichen Fähigkeiten fragen. Wichtiger als Fachkenntnisse sind für eine potenzielle Führungskraft deren Sensibilitäten, Werte, Verhaltensmuster, Prägungen und die innere Einstellung zur Selbstverantwortung. Hierdurch entscheidet sich, ob die Führungskraft einen substanziellen Beitrag zur Weiterentwicklung des Unternehmens liefern wird oder nicht.

Weibliche Führungsnachwuchskräfte aufbauen

Es ist eine Tatsache, dass Frauen aus familiären Gründen häufiger Abstriche in Bezug auf den eigenen Beruf und die eigene Karriere machen als Männer. Aber besonders die High Potentials unter den weiblichen Arbeitnehmern werden immer wichtiger und damit begehrter für alle Unternehmen. Um weibliche Arbeitnehmer an den Betrieb zu binden und besser zu integrieren, ist neben einer familienfreundlichen Gestaltung der Arbeitszeiten gezielt auf die Förderung der Karriere von Frauen zu achten.

Besonders interessant ist die Erfahrung, dass Maßnahmen zur Personalentwicklung, die gezielt auf Frauen und ihre vielfältigen Lebensmuster zugeschnitten sind, sich in aller Regel auch als optimal für Männer erweisen. Das Management in der Personalentwicklung darf und soll sich sogar an den Frauen orientieren, wenn sie für beide Geschlechter Gültigkeit haben sollen. Überhaupt kann durch geschlechtergemischte Fortbildungen die Zusammenarbeit von Frauen und Männern gefördert werden. Weibliche und männliche Teilnehmer können so voneinander lernen. Die Unterschiede in den Verhaltens- und Denkweisen können während einer solchen Maßnahme thematisiert und einander näher gebracht werden.

Es geht aber nicht nur darum, auf welche Personalentwicklungsmaßnahmen Frauen am besten ansprechen. Vielmehr sollten die Rahmenbedingungen so angepasst werden, dass mehr Frauen die Teilnahme an solchen Maßnahmen ermöglicht wird. So werden Weiterbildungen häufig nicht für Teilzeitstellen angeboten, obwohl gerade diese vielfach von Frauen besetzt sind. Fortbildungen, die weit entfernt vom Arbeitsplatz oder Wohnort stattfinden oder gar eine Übernachtung erfordern, eignen sich schlecht für berufstätige Mütter. Unternehmen, die hier die richtigen Rahmenbedingungen nachhaltig vorweisen können, werden künftig über einen der wichtigsten Erfolgsfaktoren für das Personalmanagement verfügen.

Entlassungsgespräche nicht ans Personalmanagement delegieren

Führungsaufgaben und deren zeitliche Abfolge sind kein Wunschkonzert. In Zeiten kaum mehr überschaubarer Technologien und ständiger Veränderungen steht das Management von Konflikt- und Krisensituationen immer häufiger auf der Tagesordnung des Managers. Ein solches Konflikt- und Krisenmanagement erfordert hohe Belastungsfähigkeit, Sensibilität, soziale Kompetenz und eine hoch entwickelte Dialogfähigkeit. Leider alles Eigenschaften, die dem klassischen Laufbahnmanager, der sich wahrscheinlich mehr durch Fach- als Führungskompetenz empfohlen hat, oft fremd sind. Schlimmer noch: Wenn Vorgesetzte gezwungen sind, Entlassungen vorzunehmen, dann verkriechen sie sich hinter dem Schreibtisch und überlassen die "Drecksarbeit" der Personalabteilung.

In der Tat zählt die Entlassung von Mitarbeitern - aus welchem Grunde auch immer - zu den schlimmsten Aufgaben, die ein Personalverantwortlicher wahrnehmen muss. Doch Kündigungen gehören zum Führungsgeschäft - genauso wie Einstellungen. Die Frage ist allerdings, wie diese Aufgabe anzugehen ist. Wer seine Führungsfunktion ernst nimmt und sich und vor allem dem Image des Unternehmens nicht schaden will, muss sich persönlich mit den Betroffenen einlassen, so schwer es auch fällt. Im Rahmen von Entlassungen erleiden beide Seiten in aller Regel materielle und ideelle Schäden. So geht mit der Entlassung eines Mitarbeiters wertvolles Know-how verloren, welches bei einem Wiederanstieg des Personalbedarfs durch aufwendige Beschaffungs- und Entwicklungsmaßnahmen neu erworben werden muss. Auch kann ein unfair geführter Freistellungsprozess zu einer nicht unbeachtlichen Rufschädigung für den Arbeitgeber führen.

Wie gesagt, allzu viele Vorgesetzte sind der Meinung, Entlassungen seien Aufgabe der Personalabteilung. Doch das ist ein Irrtum! Die Führungskraft - und niemand sonst - muss hier Flagge zeigen und Verantwortung übernehmen. Es ist ihre vornehmste Aufgabe. Sie muss das Entlassungsgespräch fair, aufrichtig und ohne geliehene Autorität so führen, dass ihr Gegenüber das Gesicht nicht verliert.

Zusätzliche Informationen zu diesen Themen finden Sie in "Die Personalmarketing-Gleichung. Einführung in das wert- und prozessorientierte Personalmanagement".