Zehn Jahre wissenschaftliches Zentrum der IBM in Heidelberg

12.01.1979

HEIDELBERG (hz) - Das wissenschaftliche Zentrum der IBM Deutschland kann jetzt auf sein zehnjähriges Bestehen zurückblicken. Es ist eines der 13 Zentren, die die IBM weltweit eingerichtet hat. Diese ergänzen die 31 Laboratorien für Grundlagenforschung und Produktentwicklung.

Ziel der wissenschaftlichen Zentren ist es, neue DV-Anwendungstechniken und .gebiete zu erforschen. Sie arbeiten eng mit Universitäten und wissenschaftlichen Institutionen zusammen.

Bei der Auswahl der Forschungsprojekte - so IBM - spielt ihre gesellschaftliche Bedeutung eine wesentliche Rolle. Das wissenschaftliche Zentrum Heidelberg hat in der Vergangenheit beispielsweise gemeinsam mit Wissenschaftlern der Strahlentechnik, der Universität Heidelberg ein Programm zur Optimierung der Krebstherapie mit radioaktiven Strahlen entwickelt. Dieses Problem macht es dem Arzt möglich, seine Bestrahlungspläne so genau auf Größe und Lage des jeweiligen Tumors abzustimmen, daß das umgebende gesunde Gewebe weitestgehend geschont bleibt.

Andere Aufgaben des Zentrums bestanden in der Vergangenheit in der Entwicklung von Programmen zur Früherkennung von Neoplasmen, zur Diagnose von Hörfehlern, zur Erforschung der Resistenz von Bakterien gegen Antibiotika und zum Feststellen von Leberanomalien. Dabei wurde mit Wissenschaftlern des , Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg, der Hals-, Nasen- und Ohrenklinik der Universität Würzburg und der Abteilung für Innere Medizin der Universität Heidelberg zusammengearbeitet.

Programmerstellung - auch ohne DV-Kenntnisse möglich

Seit 1973 befaßt sich das Zentrum mit der Untersuchung von Programmsystemen, die dem Benutzer auch ohne DV-Kenntnisse eigenständige Arbeit mit dem Computer ermöglichen sollen.

Im Forschungsprojekt "Interaktive Programmierung durch Endbenutzer" wurden beispielsweise Techniken entwickelt, mit deren Hilfe ein Fachmann für seine Probleme einfache Programmteile selbst anfertigen kann, und zwar mit einer ihm vertrauten Ausdrucksweise direkt im Dialog mit dem Rechner, ohne vorher eine Programmiersprache erlernen zu müssen.

In anderen Projekten versucht man, Systeme zu erarbeiten, die den Benutzern helfen, einmalig und kurzfristig auftretende Probleme besser zu lösen, Antworten auf offene Fragen zu finden und Entscheidungen vorzubereiten oder zu fällen. Dazu müssen die Endbenutzer fähig sein, spontane Anfragen an Datenbanken zu richten und die Ergebnisse mit den vorhandenen Standardprogrammen zu bearbeiten.

Hauptgewicht liegt auf Dialogtechniken

Auch hier liegt - so IBM - das Hauptgewicht auf Dialogtechniken. Sie werden benötigt, um festzustellen, welche gespeicherten Informationen für das zu lösende Problem bedeutsam sind und mit welchen Programmen sie, zu bearbeiten sind. Dann müssen Daten abgefragt und Programme aktiviert werden können. Besonders zu beachten ist dabei, daß der Benutzer vielfach sein Problem erst im Laufe des Dialogs genauer verstehen lernt. Mit Hilfe von graphischen Anzeigen kann der Dialog anschaulich gestaltet werden. Aber auch der in natürlicher, benutzerspezifischer Sprache geführte Dialog kann die Arbeit erleichtern. Dabei ist es sogar möglich, dem Rechner ungenaue Ausdrücke verständlich zu machen.

Auf der Basis solcher Systeme werden derzeit - in Zusammenarbeit mit dem Institut für Landverkehrsmaschinen der Technischen Universität Berlin - die Ursachen von Verkehrsunfällen untersucht. An der gleichen Universität wird zusammen mit Informatikern und Verwaltungsfachleuten ein Rauminformationssystem entwickelt.

Das System gewährt Überblick aber Belegung und Ausstattung aller Universitätsräume. Anfragen können am Bildschirm in natürlicher Sprache gestellt werden.

Erfahrungsaustausch ist wichtig

Eine wichtige Aufgabe des Zentrums ist es, mit Interessenten aus Wissenschaft, Technik und Wirtschaft Informationen über den Stand und die Ergebnisse der Forschung auszutauschen. Daher lädt das Zentrum einmal im Monat Wissenschaftler und Fachleute zu einem Kolloquium ein.

Die Mitarbeiter des Zentrums haben in den zehn Jahren 200 Fachbeiträge veröffentlicht und mehrere hundert Vorträge gehalten.

Föderativer Zentralismus

Basis aller Dezentralisierungs-Varianten ist für mich eine Aufteilung (gegebenenfalls dezentrale Installation) von Systemen und Datenbeständen, bei der eine zentrale Organisation, sprich Richtlinienkompetenz für einheitliche Systemgestaltung und sinnvolle Integration erhalten bleibt (= föderatives DV-Konzept).

Trotz, des enormen Fortschritts im technologischen Bereich (Hardware und Basis-Software) werden in der kommerziellen Anwendung weitestgehend operative Aufgaben abgedeckt. Die Einbeziehung der dispositiven ebene setzt ein Umdenken beim Benutzer voraus und stellt hohe Anforderungen an die Systementwicklung. Die erfrischende Diskussionen über neue Methoden der Systementwicklung und die Bemühungen für die Einbeziehung der Fachbereiche in die einzelnen Phasen der Systemgestaltung sind erste Ansatzpunkte dafür.

Parallel dazu werden die bestehenden Systeme durch ständige Erweiterungen immer unüberschaubarer und im Wartungsaufwand zunehmend kostenträchtiger. Die Mannschaft qualifizierter EDV-Fachleute muß, um die wachsenden Anforderungen der Fachabteilungen zu befriedigen, immer mehr neuentwickelt und arbeitet immer ineffizienter.

Preiswerte, leistungsfähige, dialogorientierte Rechnersysteme - die Minis - dringen unaufhaltsam auf den Markt und werden systematisch -für den kommerziellen Anwendungsbereich hoffähig gemacht. Die Mainframer schließen sich diesem Trend durch eigene Entwicklungen an; die neuen Schlagworte heißen: Datenbank-Computer, Rechnernetze, verteilte Datenbanken, dezentrale Intelligenz, etc. Die Hardware wird ständig billiger. Die heute angebotene Basis-Software (Betriebsystem DB/DC-Software) - auch für die Minis - wird leistungsfähiger und komfortabler. Minis sind relativ einfach zu handhaben. Dies gilt sowohl für das zentrale Operating als auch für die Terminal-Bedienung und weitgehend auch für die Programmerstellung.

Die Voraussetzungen für eine System-Umstrukturierung sind vorhanden.

Sieht man den dezentralen Rechnereinsatz ausschließlich als Erweiterung der derzeitigen DV-Systeme um die anstehenden Anwender-Forderungen- Direktzugriff zu Datenbeständen (Auskunft), Direkt-Update für bestimmte Teilbereiche, beschränkte Auswertung vor Ort, etc. - zu erfüllen, dann wird eine Kosten/Nutzen-Betrachtung zwar viele aber überzeugen dürfte sie nicht.

Anders sieht es aus, wenn organisatorisch selbständige Einheiten eines Unternehmens (zur Beispiel Werke, Filialdirektionen, externe Läger) mit eigenen EDV-Installationen in das Gesamtkonzept der zentralen Datenverarbeitung integriert werden sollen. In diesen Fällen wird die dezentrale Installation eines eigenständigen Rechners - mit periodischem Datentransfer (inklusive Update) zur Zentrale - gegenüber einem Terminal-Direktanschluß entscheidende Vorteile aufweisen. Denn diese Insellösung wird sich durch einen bewertbaren Realisierungserfolg zumindest selbst tragen.

Solange man allerdings im totalen Zentralisierungsdenken für die Datenverarbeitung vernarrt, wird die Installation zusätzlicher Rechner (Minus) für den ORG-DV-Bereich zusätzliche Probleme schaffen.

*Herbert Faustmann ist Geschäftsstellen-Leiter der GMO in Frankfurt.