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Yahoo unter Microsoft: Zerlegt, verkauft und auf Windows portiert?

06.02.2008

Monsteraufgabe Integration

Alle derzeitigen Rechenbeispiele über das Gewicht eines gemeinsamen Microsoft/Yahoo basieren auf den kombinierten Zahlen der beiden Unternehmen. Ihre besondere Stärke läge bei den Portalen, Web-Mail und Instant Messaging, wo sie ein Beinahe-Monopol erringen könnten. Bei den kritischen Bereichen Suche und kontextabhängiger Werbung blieben sie weit hinter Google zurück und nur wenige Marktbeobachter trauen ihnen zu, diesen Zustand zu ändern.

Vielmehr herrscht in den zahlreichen Online-Diskussionen die Einschätzung vor, dass ein langwieriger und zermürbender Integrationsmarathon auch die Geschäftszweige schwächen könnte, in denen die beiden Firmen dominieren. Die Hindernisse für die Zusammenführung sind vielfältig. Neben höchst unterschiedlichen Firmenkulturen, einer verwirrenden Markenvielfalt stellen sich auch enorme technische Herausforderungen.

Open Source gegen Windows

In kultureller Hinsicht geht es nicht bloß darum, dass Yahoo-Angestellte um das spaßorientierte Arbeitsklima einer Web-Company fürchten. Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Unternehmen besteht darin, dass für Yahoo freie Software eine zentrale Rolle spielt, während Microsoft darin bis heute eine Bedrohung sieht. Die meisten Server von Yahoo laufen unter FreeBSD und das Unternehmen nutzt für seine Anwendungen ausgiebig PHP, Python, Ruby und MySQL. Vor kurzem erwarb Yahoo den freien Exchange-Konkurrenten "Zimbra", dessen Schicksal unter einer Microsoft-Herrschaft höchst ungewiss wäre. Yahoo-President Sue Decker verwies kürzlich darauf, dass ihr Unternehmen größere Summen in die Open-Source-Entwicklung von Grid-Computing investiert habe, um eine höhere Skalierbarkeit und Flexibilität bei den Kernanwendungen zu erreichen. Viele der zugekauften Web-2.0-Dienste wie Flickr oder delicious laufen ebenfalls auf einer LAMP-Infrastruktur.

Microsoft hingegen baut durch die Bank auf hauseigene Technik und scheut auch nicht davor zurück, zugekaufte Anwendungen auf Windows zu migrieren. Als prominentestes Beispiel dafür dient Hotmail, das der Softwarekonzern von Unix auf das eigene Betriebssystem umstellte und dabei nicht vor hohem Aufwand und zahlreichen Pannen zurückschreckte. Eine Migration aller Yahoo-Anwendungen auf ASP.NET dürfte allerdings kaum zu bewältigen sein.

Marken-Dickicht

Yahoo ist als Marke im Web wohl etabliert und gilt als ein großer Name aus der Gründerzeit des kommerziellen Internet. Nach allgemeiner Einschätzung wird Microsoft an diesem Brand festhalten. Forrester-Analystin Charlene Li geht davon aus, dass Microsoft das kombinierte Angebot der beiden Firmen unter einer Marke konsolidieren muss, wenn es die Synergieeffekte des Firmenzusammenschlusses nutzen will. So sollten etwa die Portale von MSN und Yahoo zusammengeführt werden, weil sie sich weitgehend an die gleiche Zielgruppe richteten – auch auf die Gefahr hin, dass dadurch die Zahl der Seitenzugriffe abnimmt. Zwei verschiedene Sites für das gleiche Publikum würden zu viele Energien verzetteln und die gewünschten Skaleneffekte verringern.

Allerdings traut sie dem Softwarekonzern nicht zu, die gesammelten Marken in einer verständlichen Form zusammenzuführen. Als Beleg für ihre Einschätzung führt sie das Markenchaos an, das Microsoft mit der Einführung von "Live" angerichtet hat. Kaum ein Anwender versteht noch, wie sich Live zu MSN oder Hotmail verhält und wofür Live steht. Bei einem Zusammenschluss mit Yahoo käme hinzu, dass die Web-Company einen großen Teil ihres Portfolios über Akquisitionen erworben und dabei einige Marken beibehalten hat. Dazu zählen die Web-2.0-Ikonen Flickr und delicious.

Einen Nebeneffekt von Yahoos langjähriger Einkaufsstrategie besteht darin, dass Microsoft einen Zoo von teilweise gering integrierten Anwendungen erben würde, die eine technische Konsolidierung zusätzlich erschweren würde. Angesichts der großen Überlappungen zwischen MSN/Live und Yahoo dürfte daran kein Weg vorbeiführen. Das betrifft nicht nur die großen Online-Applikationen, vielmehr kann Microsoft zu praktisch jedem Yahoo-Feature ein Gegenstück vorweisen. Andererseits haben beide in zukunftsträchtigen Bereichen wie Social Netwoking, Video oder Online-Anwendungen vom Typ Google Docs nichts vorzuweisen, sieht man von Microsofts geringer Beteiligung an Facebook ab.

Ausblick

Derzeit ist noch unklar, ob die Übernahme zustande kommt, sei es, weil das Yahoo-Management sich sperrt oder Kartellbehörden Einspruch erheben. Im Falle einer Fusion stehen dem Konglomerat aus Microsoft und Yahoo große Integrationsaufgaben bevor, die es länger davon abhalten könnte, Google Marktanteile abzujagen. Bei den zahlreichen Debatten und Analysen im Web herrscht die Meinung vor, dass der Zusammenschluss von zwei Web-Verlierern noch keinen Sieger mache. Vielmehr wird häufig der gescheiterte Zusammenschluss von AOL, Time Warner und Netscape als abschreckendes Beispiel für eine fehlgeschlagene Megafusion genannt, die auch Microsoft und Yahoo drohen könnte. (ws)