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Yahoo unter Microsoft: Zerlegt, verkauft und auf Windows portiert?

06.02.2008
Microsoft möchte Google mit dem Kauf von Yahoo den Such- und Werbemarkt streitig machen. Doch die Überlappungen zwischen den Firmen sind enorm, die Kulturen denkbar verschieden und die Infrastrukturen inkompatibel.

Mit dem Übernahmeangebot für Yahoo versetzte Steve Ballmer die Technologiebranche in helle Aufregung. Allein das Volumen des geplanten Deals übertrifft locker, was Larry Ellison für seine gesamte Einkaufstour durch die IT-Industrie bisher ausgegeben hat. Microsoft bot für die Yahoo-Aktien einen Aufschlag von über 60 Prozent gegenüber dem aktuellen Kurs. Der Kaufpreis für den Internet-Pionier beliefe sich damit auf 44,6 Milliarden Dollar, die Hälfte davon würde würde Ballmer in bar bezahlen.

Freundliche oder feindliche Übernahme?

Während offiziell von einem "unaufgeforderten Gebot" die Rede ist, sehen die Gegner des Deals – allen voran Google – darin den Versuch einer feindlichen Übernahme. Für die Möglichkeit eines unfreundlichen Übernahmeversuchs spricht, dass Microsoft die Internet-Company schon länger umworben hat und damit bisher auf Ablehnung stieß. Im aktuellen Schreiben an den Yahoo-Aufsichtsrat bezieht sich Steve Ballmer auf ein Angebot, das er dem Management bereits im Februar 2007 unterbreitet hatte. Der mittlerweile abgetretene CEO Terry Semel wies es damals mit dem Hinweis ab, dass Yahoo bereits Maßnahmen getroffen habe, um aus eigener Kraft erfolgreich zu sein. Dabei bezog er sich besonders auf das "Project Panama", der nächsten Version von Yahoos Werbesystem. Es sollte Anzeigen nach dem Vorbild von Google nicht nur abhängig vom Preis platzieren, den ein Werbekunde bezahlen will, sondern zusätzlich die Qualität und Relevanz der Anzeige berücksichtigen.

Ein Jahr nach dem ersten Kaufangebot hat sich die Situation von Yahoo nicht gebessert. Steve Ballmer möchte nun zugreifen.
Ein Jahr nach dem ersten Kaufangebot hat sich die Situation von Yahoo nicht gebessert. Steve Ballmer möchte nun zugreifen.
Foto: Steve Ballmer

Angesichts der aktuellen Misere von Yahoo, die sich in rückläufigen Gewinnen und Personalabbau äußert, erinnerte Ballmer das Management der Web-Company nun daran, dass sich die Situation des Unternehmens im abgelaufenen Jahr entgegen Semels Erwartungen nicht verbessert habe. Der Tenor des Schreibens lautet, dass das Yahoo-Management seine letzte Chance nicht genutzt habe und Microsoft nun zugreifen wolle. Die Führungsriege von Yahoo prüft nach eigenem Bekunden das Angebot und hat sich offiziell noch auf keine Position festgelegt.

Yahoo zerlegen und verkaufen

Im Vergleich zum Vorjahr erscheint das Online-Portal geradezu preiswert, weil die Aktie seitdem rund ein Drittel ihres Wertes verloren hat. Das Online-Magazine Valleyvag rechnete bereits im Dezember 2007 vor, dass Yahoo an der Börse kaum mehr wert sei als die Summe seiner Anlagen und Beteiligungen. Die dreißig Prozent an "Yahoo Japan" sowie die Anteile an der chinesischen E-Commerce-Firma Alibaba machten zusammen mehr als die Hälfte der Marktkapitalisierung von Yahoo aus, die sich vor dem Übernahmeangebot auf zirka 30 Mrd. Dollar belief. Microsoft könnte sich von diesen und ähnlichen Firmenbestandteilen trennen und damit einen erheblichen Teil des Kaufpreises erzielen.

Nach eigenem Bekunden geht es Microsoft vor allem um das Web-Portal, die Suche und das Werbesystem von Yahoo. Zu den Perlen zählen zudem die Mail- und Messenger-Dienste mit ihrer großen Nutzerschaft sowie die akquirierten Web-2.0-Sites "Flickr" (Fotos) und delicious (Bookmarks). Alleine die schiere Masse an Besuchern, die Microsofts und Yahoos Portale zusammen aufbieten können, soll zu den von Ballmer erwarteten Skaleneffekten führen. Yahoo ist mit seinen Websites laut comscore Marktführer bei Banner-Werbung, Microsoft liegt auf Rang drei. Zusammen würden die Sites der fusionierten Unternehmen rund ein Viertel des US-Geschäfts mit Display Ads machen, und zwar unabhängig davon, ob sich die Microsoft/Yahoo-Suchmaschinen gegen Google behaupten können.

Suchmarkt im Visier

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Microsofts strategisches Ziel mit dem Kauf von Yahoo darin besteht, Googles Vormachtstellung bei der Web-Suche zu brechen. Entgegen des von Yahoo und Microsoft Ende der 90er Jahre eingeschlagenen Kurses entwickelten sich nicht die großen Einstiegsseiten, sondern die Suchmaschinen zur wesentlichen Navigationshilfe für die Web-Benutzer. Weil die Anwender anhand der eingegebenen Suchbegriffe ihre Interessen und Informationsbedürfnisse artikulieren, sind Search Engines exzellente Vehikel für den Transport von Werbebotschaften. Trotz aller markigen Ankündigungen von Steve Ballmer gelang es Microsoft aber nicht, mit "Live Search" nennenswerte Marktanteile zu gewinnen und Yahoo verlor ebenfalls gegenüber dem Branchenprimus Google.

US-Analysten rechnen angesichts des Übernahmeangebots vor, dass die beiden kombinierten Unternehmen auf über 30 Prozent Marktanteil kämen und Google bei der kontextabhängigen Werbung Paroli bieten könnten. Diese Einschätzung beschränkt sich indes auf den amerikanischen Markt, wo Google etwas mehr als die Hälfte aller Suchanfragen beantwortet. Hierzulande ist der Vorsprung der Nummer eins weit deutlicher und liegt wie in vielen europäischen Ländern bei über 80 Prozent.

Werbegelder für Online-Office

Microsofts erneuter und vehementer Versuch, sich vom Online-Werbekuchen ein größeres Stück abzuschneiden, speist sich nicht nur aus Ballmers persönlicher Abneigung gegen Google. Angesichts des expandierenden Marktes für Online-Werbung sieht das Unternehmen dort erhebliches Wachstumspotenzial, um die traditionellen Einnahmen aus dem Softwaregeschäft zu ergänzen. Jupiter Research prognostiziert alleine in des USA eine Zunahme der Ausgaben für Online-Werbung von 19,9 Mrd. Dollar im Jahr 2007 auf 35,4 Mrd. Dollar im Jahr 2012.

Das Streben Microsofts nach Werbeeinnahmen hat nicht nur offensiven Charakter, sondern dient auch der Absicherung des herkömmlichen Lizenzgeschäfts. Immer weniger Endverbraucher sind im Web 2.0 bereit, für Online-Dienste Geld auszugeben. Daher finanzieren sich die meisten Web-Applikationen aus Werbung, darunter auch solche, die eine Bedrohung für Microsoft Office darstellen. Dazu zählt besonders "Google Docs". Mit üppig sprudelnden Werbegeldern könnte Microsoft eigene Online-Dienste finanzieren, darunter auch ein Web-Office, und gleichzeitig konkurrierende Angebote in Schach halten, wenn es etwa gelingt, Google den Geldhahn zuzudrehen.