E-Commerce als treibende Kraft

XML etabliert sich als Standard für den Datenaustausch bei SAP

18.02.2000
Die wachsenden Informations- und Geldflüsse im Internet fordern einen Standard für den sicheren Datenaustausch. Die Extensible Markup Language (XML) ist auf dem besten Weg, sich hier als offenes, flexibles Austauschformat durchzusetzen. Dirk Riedel und Ulf Gustmann* beschreiben, wie die SAP AG in R/3 mit diesem Thema umgeht.

Als Standard für den Datenaustausch zwischen den Unternehmen hat sich vor der Verbreitung des Internet das Format des Electronic Data Interchange (EDI) etabliert. Mit EDI wurde eine systemübergreifende Normierung von Datensätzen erreicht. Inhalte eines Dokuments, etwa einer Rechnung oder eines Lieferscheins, werden nach einem Standardverfahren codiert und ausgetauscht.

EDI mit Ablegern wie Edifact und Swift hat sich insbesondere für einen regelmäßigen und gleichstrukturierten Datenaustausch zwischen Geschäftspartnern - vor allem Großunternehmen - in den vergangenen Jahren bewährt. Die Gründe liegen in der Unterstützung dieses Standards durch ERP-Systeme und in der Möglichkeit, hohe Datenvolumen bei einer geringen Bandbreite des Netzwerkes auszutauschen.

Im Gegensatz zu den Großunternehmen konnte sich EDI in kleinen und mittelständischen Firmen, mit Ausnahme von Zulieferfirmen für die Automobilindustrie, nicht als Standard etablieren. Die Hürden der eingeschränkten Flexibilität auf genau abgestimmte Prozesse und Dokumentenarten sowie die hohen Implementierungskosten erwiesen sich als zu hoch. So ist es in der Regel nicht wirtschaftlich, EDI für den Datenaustausch mit Geschäftspartnern zu nutzen, mit denen ein unregelmäßiger, geringer Datenaustausch stattfindet. Die interaktive Welt des Electronic Business benötigt einen Standard, der auf die flexible Nutzung von Einzeltransaktionen auch bei geringem Datenvolumen und geringer Transaktionsfrequenz abgestimmt ist. Mit der Vorstellung der Extensible Markup Language im Jahr 1998 durch das World Wide Web Consortium (W3C) scheint dieser Standard erstmals in greifbarer Nähe zu sein. XML als eine textbasierende Meta-Auszeichnungssprache wurde als Teilmenge von SGML für den Einsatz im Internet angepasst. Dazu wurden alle als überflüssig und komplex angesehenen SGML-Eigenschaften nicht in XML übernommen. Mit XML als Metasprache lassen sich Inhalt und Strukturen von Dokumenten beschreiben. Dabei erfolgt eine Trennung von Inhalt, Struktur und Layout. Es werden Regeln zur Verfügung gestellt, um eigene Auszeichnungssprachen für ganz unterschiedliche Arten von Dokumenten zu definieren.

Die Vorteile und vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von XML haben dazu geführt, dass alle großen Softwarehersteller und Datenbankentwickler die Metasprache als offenen De-facto-Standard für den Datenaustausch im Internet sehen. Bisher sind bereits mehrere Anpassungen des Standards für branchenspezifische Lösungen beziehungsweise bestimmte Produkte definiert worden. So zum Beispiel "Commerce XML" (CXML) zur Beschreibung von Kataloginhalten, "Open Financial Exchange" (OFX) als Format für die Kommunikation mit Banken sowie das Open Trading Protocol (OTP) für den Verkauf von Business to Consumer (B2C) einschließlich einer Regelung der Zahlungsmodalitäten.

XML als plattformübergreifendes Format wird jedoch EDI als Standard für den Austausch von hohen Datenvolumen nicht vollständig ersetzen können. Die Anreicherung eines Dokuments mit Meta-Informationen erfordert derzeit gegenüber einer EDI-Codierung der gleichen Informationsmenge rund sechs- bis achtmal soviel Speicherplatz. Daher wird EDI neben XML als Standard für den Datenaustausch bestehen bleiben. Vorstellbar ist eine in Pilotprojekten bereits praktizierte Kombination von XML und EDI. Dies bedeutet, dass bereits in EDI getätigte Investitionen nicht aufgegeben werden müssen.

Neben Java und Abap hat SAP als Mitglied des W3C auch XML als Entwicklungssprache für ihre Produkte erklärt. Der Einsatz von XML als Standard für den Datenaustausch zeigt sich am "Mysap. com Market- and Workplace". Dabei handelt es sich um ein Unternehmensportal, das dem Anwender über einen personalisierten Web-Browser einen Zugriff auf sämtliche SAP- und Nicht-SAP-Applikationen sowie auf die Internet-Dienste der angeschlossenen Unternehmen ermöglicht. Durch die Integration der Portaltechnik in die SAP-Produkte können unternehmensübergreifende Geschäftsprozesse auf der Ebene des Mysap.com-Workplace ausgelöst werden.

Bei der anwendungsübergreifenden Abwicklung von Geschäftsprozessen werden standardisierte XML-Nachrichten ausgetauscht. Die dazu entwickelte Technik beinhaltet auf der Applikationsebene die SAP-Komponente "Business Connector". Sie stellt ein offenes Interface für die XML-Kommunikation von SAP-Systemen über das Internet dar. Dabei übernimmt XML den Standard für die Formatierung der Nachrichten. Mit dem Business Connector (BC) stellt SAP aber auch die Voraussetzung zur Integration heterogener Systeme (Non-SAP-Systeme) bereit.

Damit kann beispielsweise die auf R/3 basierende betriebswirtschaftliche Software des Einkaufs via Internet mit dem Non-SAP-Planungssystem eines Zulieferunternehmens kommunizieren, ohne mit diesem direkt kompatibel zu sein. Auf diesem Weg wird eine Grundlage für die engere Anbindung der Partnerunternehmen entlang der Geschäftsprozesse geschaffen. Die Funktionalität der SAP-Infrastruktur wird durch das plattformunabhängige XML-Format auf Partnerunternehmen und Zulieferer ausgeweitet.

Der Business Connector ist zu den veröffentlichten R/3-Schnittstellen kompatibel. Er kann sowohl synchrone Aufrufe (BAPI-Calls) als auch asynchrone Aufrufe (Remote Function Calls = RFC) entgegennehmen und an ein bestimmtes Ziel weiterleiten. Dadurch können SAP-Funktionen, die über BAPIs und Idocs aufgerufen werden, via Internet als XML-Service zur Verfügung gestellt werden. Die Nutzung dieses Dienstes erfordert keine Kompatibilität zu R/3-Datenstrukturen. Als Protokoll für die Kommunikation nach außen wird http verwendet.

Eine weitere Komponente für die Unterstützung von unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen ist die Web-Variante des "SAP Business Workflow" (Web-Flow). Er überwacht die benötigte Leistung und koordiniert Nachrichten und Dokumente, die zwischen den Unternehmen ausgetauscht werden. Mit Web-Flow können Internet-Geschäftsprozesse sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens abgebildet werden.

Der Datenaustausch auf XML-Basis mit den Internet-Produkten von Mysap.com hat zur Zeit noch keine Auswirkungen auf die R/3-Daten- und Dokumentenarchivierung. Dieser Zustand könnte sich aber schon in naher Zukunft ändern, wenn sich XML als weitere Variante neben den bisherigen R/3-Dokumenttypen ALF, FAX und PDF etabliert.

Für eine durchgängige Unterstützung des XML-Formats sind neben den ERP-Software-Anbietern auch die Archivsoftware- und Datenbankhersteller gefordert. Die herkömmlichen relationalen Datenbanken sind für die Verarbeitung und Ablage von XML-Dokumenten nicht geeignet. Der Grund hierfür ist der hierarchische Aufbau eines XML-Dokuments mit der Möglichkeit einer mehrfachen Verschachtelung. Daher werden für die Verarbeitung und Ablage von XML-Dokumenten neue, objektorientierte Technologien benötigt, mit denen die Potenziale von XML hinsichtlich der komplexen Ablage und der daraus entstehenden Retrieval-Möglichkeiten nutzbar sind.

Erste Versuche mit XML-Dokumenten-ServerIm KPMG-Labor für Dokumenten-Management- und Workflow-Systeme wurden Versuche mit dem ersten verfügbaren XML-Server gemacht, der die Ablage und Verwaltung von XML-Dokumenten unterstützt. Diese haben das große Potenzial der gezielten Recherche von Inhalten in XML-Dokumenten und die damit bessere Nutzung des in den Dokumenten enthaltenen Wissens gezeigt. Mit einem entsprechenden Server werden beliebige Datenformate aus den verschiedensten Systemumgebungen als XML-Objekte verwaltet und an beliebige Applikationen weitergeleitet. Im SAP-Umfeld könnte diese Aufgabe in Zukunft beispielsweise der sogenannte "Content Server" übernehmen

Für die Zukunft vorstellbar sind spezielle XML-basierende Portale, die sämtliche Dokumente eines Unternehmens verwalten und über einen Web-Browser standortunabhängig zugänglich machen. In der Softwarebranche haben solche Produkte bereits das Entwicklungsstadium verlassen. Es ist damit zu rechnen, dass erste Lösungen auf der diesjährigen CeBIT der Öffentlichkeit vorgestellt werden.* Dirk Riedel und Ulf Gustmann sind Berater der KPMG Consulting GmbH in Berlin.

Abb.: Der Business Connector verbindet heterogene Systemlandschaften mit dem R/3-Backbone. Über das Interface lassen sich R/3-Funktionen als XML-Services im Internet bereitstellen. Quelle: KPMG