Fortschritte bei Normierung von Common-Lisp-Objekterweiterungen:

Xerox und Symbolics sind verhandlungsbereit

31.07.1987

MÜNCHEN (qua) - Der Wett-kampf um den Standard für objektorientierte Common-Lisp-Programmierung ist zumindest offiziell keiner mehr: Etwa seit Anfang des Jahres sitzen Symbolics und Xerox gemeinsam am Verhandlungstisch. Darüber, wie die Spezifikation letztendllich aussehen wird, bestehen jedoch nach wie vor verschiedene Auffassungen.

"Das Rennen ist noch nicht gelaufen", urteilt Joachim Stender, Geschäftsführer der Berliner Brainware GmbH. Mit einer Entscheidung der Common-Lisp-Kommission sei innerhalb des nächsten halben Jahres kaum zu rechnen. Für die beiden Ex-Kontrahenten hingegen ist das Votum dieses ANSI-Unterausschusses anscheinend nur noch Formsache: Jeder der beiden Hersteller erklärt bereits die eigene Entwicklung zur Grundlage der Normierung.

Die im Xerox-eigenen Palo Mino Research Center kreierte Objekterweiterung "Common Loops" wird vor allem von den Herstellern konventioneller Workstations favorisiert.

Für das System spricht nach Angaben von Experten insbesondere die Portabilität; es basiere nicht auf einer spezifischen Maschine, sondern lediglich auf dem Quasi-Standard Common-Lisp. "Flavors", eine Entwicklung des Massachusetts Institute of Technology (MIT), sei hingegen eine zum Teil hardwarebasierte Programmierumgebung und dementsprechend schwer portierbar.

Im ersten Halbjahr 1988 soll "Common Loops" als Produkt auf den Markt kommen. Andere Hersteller reichen den Kern der Programmiersprache bereits an ihre Anwender weiter: Digital Equipment gibt beispielsweise an, ihn den Kunden als Ergänzung zum eigenen "VAX-Lisp" zur Verfügung zu stellen - allerdings ohne Support.

"Flavors" wird vor allem von Symbolics angeboten. Zur Standardisierung steht es als "Flavors Software-Release 7" an; auf dem Markt ist das Produkt seit kurzem unter der Bezeichnung "New Flavors" verfügbar. Unterstützung kommt auch von Texas Instruments mit seinen Explorer-Maschinen und von der kalifornischen Lucid Inc., Menlo Park, die die Programmierumgebung als Teil eines OEM-Pakets anbietet.

Auf diesem Produkt basiert unter anderem auch das "Sun-Lisp" der amerikanischen Sun Microsystems. Helmut Krings, Geschäftsführer der Münchener Sun GmbH, berichtet, daß die "Flavors"-kompatible Umgebung in der Absicht implementiert worden sei, dem KI-Marktführer Symbolics Marktanteile abzujagen und die Anwender davon zu überzeugen, daß für KI-Applikationen keine Spezialmaschinen nötig seien. Nichtsdestoweniger ist Krings der Ansicht, daß der Trend in Richtung "Common Loops" gehe. "Sollte er sich deutlicher abzeichnen, werden wir auch in Form von Produkten darauf reagieren", kündigt der Sun-Manager an.

Der tatsächliche Standard wird nach Ansicht von Branchenkennern höchstwahrscheinlich eine Schnittmenge aus "Flavors" und "Common Loops" sein. Die Frage sei lediglich, wieviel jeder der beiden Ansätze dazu beisteuern wird.